Verhandlungen bald auch auf englisch möglich?

  • Die Einwände sind mir zu vage. Tatsache ist doch, dass der Wirtschafts- und Gerichtsstandort Deutschland international langfristig nur dann konkurrenzfähig bleiben kann, wenn man den nun mal nicht wegzudiskutierenden Ansprüchen der internationalen Geschäftswelt gerecht wird. Die Briten und Amerikaner brauchen uns bestimmt nicht. Wer mitspielen will, muss seine Spielregeln so gestalten, dass er auch Mitspieler findet. Was nützt das beste Recht, wenn es niemand haben will?

    :wechlach: Lass mal. Mit der Methode haben wir hier ja nun auch schon Banken zum Einsturz gebracht...:teufel:

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • Der Globalisierung mit einer Mir-san-mir-Mentalität zu begegnen, halte ich für äußerst riskant und kann leicht ins Abseits führen.

  • Rein praktisch gesehen: Wo sollen denn die ganzen englisch-sprachigen Richter, ReNos, Serviceeinheiten, Protokollführer usw. herkommen? Auf Englisch einen Prozess zu führen, dürfte schwerer zu bewerkstelligen sein, als manchen hier bewusst ist.

    M.E. ginge das nur, wenn in ganz Deutschland nur ein Gericht für diese ausländischen Wirtschaftsprozesse zuständig wäre.

  • Rein praktisch gesehen: Wo sollen denn die ganzen englisch-sprachigen Richter, ReNos, Serviceeinheiten, Protokollführer usw. herkommen? Auf Englisch einen Prozess zu führen, dürfte schwerer zu bewerkstelligen sein, als manchen hier bewusst ist.



    Ich hab ja weiter oben schon mal geschrieben: ReNos haben Englisch nicht mal als Prüfungsfach in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung drin. Und auf langfristige Sicht (so wie sich derzeit Anwaltsverbände und Kammern sperren) wird´s auch nicht in die Ausbildung aufgenommen werden - da kämen ja Kosten auf die Länder zu, man müsste Lehrpläne entwickeln und Lehrerqualifikationen durchführen. Englisch wird lari-fari vermittelt, fakultativ ohne echte Benotung. Jeder Englisch-Lehrer macht, was ihm grad so in den Sinn kommt. Aber leider keine deutsche Rechts- und Gerichtssprache ins Englische übertragen. Da müsste der Englisch-Lehrer ja mit juristischen Grundkenntnissen ausgestattet werden.

    Bestenfalls kann man noch kurze Einblicke in das britische und amerikanische Rechtssystem bekommen. Aber das dürfte nicht Sinn der Sache sein. Ich als Fachangestellte sollte meinem ausländischen Mandanten auf Englisch erklären können, wie ein Mahnverfahren in Deutschland abläuft oder was ein Kostenfestsetzungsverfahren ist.

    Es ist einfach kein Durchkommen "da oben" mit solchen Vorstellungen. Entweder, die ReNos kümmern sich selbst um ihre Englischkenntnisse (obgleich es keine passenden Kurse gibt) oder aber sie können halt nur Deutsch.

    Ich sehe hier schon lange Nachholebedarf, aber das interessiert wohl niemanden wirklich.

    Es gibt auch keine Legal English-Kurse, bestenfalls Wirtschaftsenglisch.

  • Und wenn wir uns weiter sperren, gibt es vielleicht bald keine Wirtschaftsprozesse mit internationalem Bezug mehr in Deutschland, weil die Geschäftspartner angelsächsisches Recht und ausländische Gerichtsstände vereinbaren. Dann doch lieber englische Sprache und deutsches Recht.




    Brauchen wir denn wirklich Wirtschaftsprozesse (im Sinne von Gerichtsverfahren) in Deutschland?

    Diese dürften wegen der Komplexheit erhebliche Richterarbeitskraft zu binden, die sicher auch in anderen Bereichen (z. B. Strafrecht) für die Beschleunigung der dortigen Verfahren besser angelegt wäre.

  • "Gutes" Recht ist auch ein Standortfaktor. Allerdings nur dann, wenn man es potentiellen Interessenten/Investoren auch - im wahrsten Sinne des Wortes - "verständlich" machen kann.

  • Naja... es kann sich ja auch entwickeln...

    Ich halte zwar einerseits nichts davon, die deutsche Sprache unnötig kleinzureden. Andererseits zeigt uns ein Blick über die Grenzen aber wohl auch, dass mehrere Amtssprachen in ein und demselben Staatsgebilde durchaus möglich und zudem nicht einmal selten sind (und man beachte bei diesem Blick insbesondere die Republik Irland sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland!). Für eine grundsätzliche Schnapsidee halte ich das Ganze daher schon mal nicht, zumal mir bislang nicht zu Ohren gekommen ist, dass in diesen Ländern eine der Amtssprachen unter einer solchen Regelung gelitten hätte.

    Zudem gibt es ja heute bereits Prozesse, die de facto mit einer Fremdsprache geführt werden. Der Unterschied ist "nur" der, dass alle deutsch reden bis auf einen und zwischen diesen einen und die anderen ein Dolmetscher geschaltet ist. Unter der Voraussetzung, dass die Sprachkenntnisse entsprechend sind, sehe ich insoweit kein Drama, wenn dereinst mal ganze Prozesse in einer Fremdsprache geführt werden.

    Unter dem Aspekt einer Rechtsvereinheitlichung innerhalb der EU hätte eine zusätzliche gemeinsame Amtssprache sogar manche Vorteile. Das geht naturgemäß nicht alles von heute auf morgen, aber mit der Begründung kann man jede Reform einstampfen. Dass eine voraussichtliche gemeinsame Amtssprache nun Englisch werden dürfte, bereitet mir zwar nur mäßiges Behagen, weil ich diese Sprache komischerweise nicht allzu sehr mag (obwohl ein Ururgroßvater von mir tatsächlich aus England kam), wird sich aber wohl nicht vermeiden lassen. Aber wären unsere Widerstände größer oder geringer, wenn eine irgendwann vielleicht mal kommende gemeinsame Amtssprache Spanisch, Deutsch oder Russisch wäre?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich möchte folgende Fragen aufwerfen :

    1. Wäre überhaupt noch der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung gem. § 169 GVG gewahrt, wenn in einer Sprache verhandelt wird, die die Öffentlichkeit nicht versteht ? :gruebel:
    2. Die Befürworter dieser Reform begründen sie u.a. damit, dass bei Verträgen mit ausländischen Partnern häufig Gerichtsstände in englischsprachigen Ländern - wohl Großbritannien bzw. USA - statt in Deutschland wegen der besseren sprachlichen Verständlichkeit für die Ausländer vereinbart würden. Da beim Abschluss dieser Verträge zumeist ausgebuffte Juristen mitwirken frage ich mich, ob nicht eher die unterschiedliche angelsächsische Rechtsordnung - im materiellen und vor allem auch im Verfahrensrecht - der wahre Grund für diese Gerichtsstandsvereinbarung ist :gruebel:
  • Nur mal so zum Nachdenken: Was glaubt ihr, warum das deutsche Recht im internationalen Wirtschaftsleben im Vergleich zum angelsächsischen Recht nur eine geringe Rolle spielt? Weil es so viel schlechter ist? Wohl kaum. Die Sprache spielt hier m.E. eine wichtige Rolle. Und wenn wir uns weiter sperren, gibt es vielleicht bald keine Wirtschaftsprozesse mit internationalem Bezug mehr in Deutschland, weil die Geschäftspartner angelsächsisches Recht und ausländische Gerichtsstände vereinbaren. Dann doch lieber englische Sprache und deutsches Recht.



    Wo ist denn hier das Problem? Wenn die Parteien gerne einen Prozess in englischer Sprache vor einem englischen Gericht führen wollen - bitteschön. Ich sehe auch keinen Grund, wieso Deutschland so erpicht darauf sein sollte, möglichst viele Prozesse hier zu führen. Wenn die Möglichkeit einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung besteht, können die Parteien das auch tun und es besteht keinerlei Veranlassung den Leuten dabei nachzulaufen. Oder sollte man vielleicht auch noch die Gebühren verringern, wäre ja auch ein Argument? Dass von der Anwaltschaft (wie auch im Insolvenzrecht) ein Interesse daran besteht, teure Prozesse im Inland zu halten, ist klar, sollte aber nicht den Ausschlag geben.
    Ich halte es für geradezu grotesk, die Wichtigkeit oder Qualität einer Rechtsordnung daran zu messen, wie gerne dort prozessiert wird. Man könnte sogar im Gegenteil behaupten, dass eine gute Rechtsordnung mit wenig Prozessen auskommt, da die Dinge dort vernünftig geregelt sind.
    Wenn man die Qualität nach Anzahl der Vorschriften und der Streitigkeiten darum bemisst, dann haben wir das tollste Steuerrecht (in Wahrheit wohl toll in seiner ursprünglichen Bedeutung, vgl. Tollwut) und die Sozialgesetzgebung ist ja dann auch nicht schlecht...

  • Natürlich hat der deutsche Staat ein Interesse daran, dass seine Rechtsordnung international nicht ins Abseits gerät. Denjenigen, denen es egal ist, ob deutsche Unternehmen ihre Prozesse in fremden Ländern auf der Basis fremder Rechtsordnungen führen müssen, ist es dann vermutlich auch egal, wenn diese Unternehmen in einem zweiten Schritt konsequenterweise auch ihren Sitz dorthin verlegen und damit die Steuern woanders zahlen und möglicherweise hier Arbeitsplätze streichen.

  • Naja, einen Zusammenhang zwischen der Gerichtssprache Deutsch und dem Verlust von Arbeitsplätzen herzustellen halte ich für - sagen wir mal sehr gewagt (wer denkt eigentlich an die ganzen armen Dolmetscher und Übersetzer?:D).
    Es sind übrigens alle international agierenden Firmen gezwungen, im Streitfall Prozesse in fremden Ländern auf der Basis fremder Rechtsordnungen und in fremden Sprachen zu führen - je nachdem wer was von wem will. In den meisten Fällen dürfte der Gerichtsstand ohnehin nicht frei wählbar sein. Falls der Gerichtsstand wählbar ist, so ist es Sache der Firmen und die werden sich das schon überlegen. Warum die Vereinbarung eines ausländischen Gerichtsstandes dazu führen soll, dass Arbeitsplätze oder Firmensitz dorthin verlagert werden, ist nicht nachvollziehbar. Dafür spielen wohl eher steuerliche oder andere Gründe eine Rolle. M.W. sind z.B. die Cayman-Inseln oder Luxemburg nicht durch ihre bedeutende Rolle im internationalen Recht aufgefallen.
    Ganz im Gegenteil wird als positiver Standortfaktor in Deutschland oft die funktionierende Justiz und die Rechtssicherheit z.B. durch das Grundbuchwesen angeführt.

  • Mein Kollege schlug gerade vor, als internationale Gerichtssprache Fachchinesisch einzuführen, weil das grenzübergreifend nicht verstanden werde.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Mein Kollege schlug gerade vor, als internationale Gerichtssprache Fachchinesisch einzuführen, weil das grenzübergreifend nicht verstanden werde.


    Dann sind wir also wieder bei der deutschen Sprache: Schiet auf Chinesisch, die deutsche Gesetzgebung versteht auch keiner!

  • Mein Kollege schlug gerade vor, als internationale Gerichtssprache Fachchinesisch einzuführen, weil das grenzübergreifend nicht verstanden werde.


    Dann sind wir also wieder bei der deutschen Sprache: Schiet auf Chinesisch, die deutsche Gesetzgebung versteht auch keiner!


    Nicht mal der BGH, der brauchte zur Erläuterung des RVG auch noch einen Extra-Paragraphen. :gruebel:

    Zwei Dinge: Bevor in Russland auf Englisch prozessiert würde, würde dort wohl eher auf die deutsche Sprache zurückgegriffen - viele Russen haben exzellente Deutschkenntnisse.

    Und wie es schon mehrmals angeklungen ist: Es erscheint typisch Deutsch, sich anderen Ländern anzubiedern und die eigene Sprache preiszugeben. Man denke an die Auswanderer, die beispielsweise in die USA ausgewandert sind und bald nur noch gebrochen deutsch sprechen - würde das Italienern oder Franzosen passieren? Wohl kaum.

    Den Einwand mit der Öffentlichkeit - dass nämlich eine Gerichtsverhandlung in der Landessprache abgehalten werden sollte, finde ich auch nicht schlecht.

    Und die Richter sollen sich auf das Recht konzentrieren, damit haben sie genug zu tun. Für Fremdsprachen gibt es andere Spezialisten. Spezialisierung hat schon ihre Vorteile, Universalgenies werden auch immer seltener.

    Und wie rusu schon ganz richtig geschrieben hat: Wenn man auf einen Übersetzer bzw Dolmetscher verzichtet, nimmt man das ganze Risiko der Fehlübersetzung auf sich. Das könnt - gerade in Wirtschaftsprozessen - teuer werden.

    @rusu: Du erteilst Zustellungsvermerke in 35 Sprachen, weil so viel Service sein muss. Sehr löblich - Dir ist aber schon bewusst, was für einen "Wisch" man aus den meisten Ländern zurückbekommt, nicht wahr? (War eine rhetorische Frage, natürlich weißt Du das).


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Eine Presseberichterstatterin schreibt dazu - http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1273468893335.shtml - , dass ihr im Verborgenen blieb, worum es bei der Verhandlung im Detail ging, da sie im Handelsenglisch nicht gübt wäre. :oops:
    Ich frage mich, wie dann die gesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeit der Verhandlung - § 169 GVG - beachtet sei. :gruebel:
    Oder reicht dazu die rein körperliche Anwesenheit eines Menschen aus, der im übrigen nichts versteht ? ;)

  • Ich finde das total absurd.
    Ich hab zuvor weder in einer Firma gearbeitet, wo Englisch Betriebssprache war noch hab ich drei Jahre im Ausland gelebt.

    Ich glaube auch kaum, dass das zu den Aufgaben der Gerichte bzw. dessen Bediensteter gehören kann. Ich beherrsche die englische Sprache für den Privatgebrauch so einigermaßen, aber ich würde mich strikt weigern, irgend etwas auf englisch aufzunehmen etc. Dazu wäre ich mir viel zu unsicher und ich denke auch nicht, dass ich das können muss.

    Es gibt Grenzen.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

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