Anfechtung für Anfänger im IK Verfahren

  • Bei uns ist die Ermittlung und Durchsetzung der Ansprüche aus Insolvenzanfechtung "in einer Hand".

    In letzter Zeit haben wir eine ganze Reihe von Insolvenzverfahren nur deshalb eröffnet, weil uns eine Prognose zu § 133 InsO günstig erschien.
    (Notfalls treiben wir die entsprechenden Ermittlungen eben schon im Insolvenzantragsverfahren voran.)

    Ich denke, es ginge nicht nur um die Verfahren, die man bereits jetzt weitgehend oder nur auf Basis der 133er-Ansprüche eröffnet.

    Vielmehr kann ich mir vorstellen, dass sich - sollte es zu einer Umsetzung der Ideen kommen - vor der Insolvenz ein Wild-West-Szenario abspielen würde und die Gläubiger im Rahmen dessen zusehen, was sie bekommen können. Im Vorteil wären insoweit sicher diejenigen Gläubiger, die über Titel verfügen oder sich selbst welche schnitzen können. Alles was die Gläubiger sich dann nicht sichern, wird im Zweifel der Schuldner oder bei juristischen Personen deren Organe versickern lassen. Auch die Verfahren, die nach derzeitigem Stand nicht allein aufgrund von Sonderaktiva, sondern mit tatsächlich vorhandener Masse eröffnet werden, würden also abnehmen.

    Eine strafrechtliche Verfolgung aufgrund verspäteter Insolvenzantragstellung oder gar wegen Bankrotts hat man doch bereits jetzt in der Praxis nur in recht geringem Maße zu befürchten.

    Hervorhebung durch mich.

    Ich schätze mal um genau diese Gläubiger geht es bei dem Vorhaben. An erster Stelle das Finanzamt, dann Krankenkassen und Berufsgenossenschaften.

  • ...aber immer unter dem Deckmantel, die armen Lieferanten vor Unheil zu bewahren. Nur die - und Arbeitnehmer - werden im Positionspapier persönlich angesprochen.

    Und dabei gehen die Vorhaben inzwischen deutlich über das hinaus, was beispielsweise BDI und ZDH in ihrem gemeinsamen Positionspapier gefordert haben.

  • Ab sofort bearbeiten wir dann wieder Hartz-IV-Bescheide und kleine Nebenkostenabrechnungen. Ob ich mir vielleicht gleich einen anderen Job suche :gruebel:.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ist schon goldig, wie die Aasgeier gleich in Selbstmitleid zerfließen, nur weil jemand einen kennt, der gehört haben will, dass die Leichen, die man ihnen künftig vorwirft, nicht mehr fett genug sein sollen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Ist schon goldig, wie die Aasgeier gleich in Selbstmitleid zerfließen, nur weil jemand einen kennt, der gehört haben will, dass die Leichen, die man ihnen künftig vorwirft, nicht mehr fett genug sein sollen.

    Der vorsichtige Kaufmann hat das (einmalige) Insolvenzrisiko bei seinen Produkten mit verpreist. Fällt er aus, zahlen es die ordentlichen Zahler mit. Was aber, wenn der Schuldner nach viel hängen und würgen dann doch die Rechnung bezahlt?

    Erste, sicherlich, natürliche Reaktion: Aufatmen und geloben, nie wieder ein Geschäft mit dem Schuldner abzuschließen, man kann es sich ja aussuchen, mit wem man kontrahiert. Kein Angstschweiß mehr hier. Das Thema Gläubiger ist abgehakt, man denkt über neue Geschäftsverbindungen nach.

    Zweite Reaktion: Die Gier. Ist ja nichts passiert, man steht faktisch auf Risiko=0, also wird auch die nächste Bestellung dankbar angenommen (vielleicht sogar mit zu einem höheren Preis oder höheren Verzugszinsen, man will ja das Risiko entsprechend würdigen :teufel:). Auch noch Geschäftspartner finden sich nicht so leicht. Und das geht auch gut, so dass sich die Spirale in diesem Stadium erst einmal munter dreht, an Reaktion Nr. 1 wird dann schon nicht mehr gedacht, der Rubel rollt ja, mal schnell, mal weniger schnell. Eher weniger schnell. Aber ist ja nicht so schlimm, aufgrund der bislang gezahlten Rechnungen, hat man ja noch keinen Ausfall, der Umsatz ist da, und dies ist ja die Hauptsache. Das man vielleicht einer der wenigen Gläubiger ist, die überhaupt noch Geld bekommen, das stört keinen großen Geist. Und das durch solch ein Verhalten die freie Masse immer geringer wird, stört den Geldempfänger eigentlich auch nicht wirklich.

    Jetzt aber die Systemstörung, der Schuldner fällt um und der IV macht nach § 133 InsO eine neue Rechnung auf.


    Nun, der Geier freut sich über jedes Tier...., man sollte nur nicht aus dem Blick verlieren, auf welcher Seite des Zaunes er sitzt.

    Exec, Du als Zwangskontrahierer bist aus diesem Szenario völlig raus, zumal du ja, wie selbst gesagt, göttlichen Beistand hast. Vielleicht solltest Du aber um Matthäus 6, 26 ergänzen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 2. Versuch, da die URL offensichtlich verändert wurde


    http://www.rws-verlag.de/nc/hauptnaviga…9#Seminartermin


    Termin, Themen:

    [h=2]ZIP-Kolloquium: Im Kreuzfeuer – Neues Insolvenzanfechtungsrecht [§ 15 FAO][/h]Stellung beziehen und mitgestalten
    [h=3]Termin / Ort[/h] Montag, 13. Oktober 2014, 11.00 bis 16.00 Uhr in Berlin

    [h=3]Ihr Tagungsleiter[/h] » Prof. Dr. Reinhard Bork, Universität Hamburg

    [h=3]Ihre Referenten[/h] » Prof. Dr. Reinhard Bork, Universität Hamburg
    » Vors. RiBGH Prof. Dr. Godehard Kayser, Karlsruhe
    » Dr. Christoph Niering, RA, FAInsR, NIERING STOCK TÖMP Insolvenzverwaltungen GbR, Köln/Krefeld/Essen
    » Ass. jur. Andrej Wroblewski, IG Metall, Frankfurt a. M.

    [h=3]Schwerpunkte[/h]

    • Bedarf es überhaupt einer Reform des Insolvenzanfechtungsrechts?
    • Sind Sonderregelungen für Arbeitnehmer notwendig?
    • Ist eine Sonderregelung für kongruente Deckungen erforderlich?
    • Muss die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung gesetzlich geregelt werden?


    usw.

  • In der aktuellen ZIP (Seite 1905) findet sich eine lesenswerte Würdigung der Eckpunkte durch Bork.

  • Danke für den Hinweis. Zusammenfassung von Bork (ZIP 2014, 1905, 1909):

    "Die Regelungsvorschläge des Eckpunktepapiers überzeugen nicht. Sie verfehlen ihr rechtspolitisches Ziel, nämlich den Schutz der Arbeitnehmerschaft (die durch die Vorschläge nicht besser geschützt würde als bisher durch das BAG), den Schutz des Mittelstands (dessen Rechtsposition nur vordergründig verbessert würde) und die Gewährleistung von Rechtssicherheit (weil der mit dem Papier angestrebte Systemwechsel zu erheblicher Rechtsunsicherheit beitragen würde). Stattdessen wird – zum wievielten Male eigentlich? – versucht, Privilegien für den Fiskus und die Sozialversicherungsträger einzubauen, ohne dass das offen ausgewiesen würde."

    Fast schon Prosa!

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Danke für den Hinweis. Zusammenfassung von Bork (ZIP 2014, 1905, 1909):

    "Die Regelungsvorschläge des Eckpunktepapiers überzeugen nicht. Sie verfehlen ihr rechtspolitisches Ziel, nämlich den Schutz der Arbeitnehmerschaft (die durch die Vorschläge nicht besser geschützt würde als bisher durch das BAG), den Schutz des Mittelstands (dessen Rechtsposition nur vordergründig verbessert würde) und die Gewährleistung von Rechtssicherheit (weil der mit dem Papier angestrebte Systemwechsel zu erheblicher Rechtsunsicherheit beitragen würde). Stattdessen wird – zum wievielten Male eigentlich? – versucht, Privilegien für den Fiskus und die Sozialversicherungsträger einzubauen, ohne dass das offen ausgewiesen würde."

    Fast schon Prosa!

    Schön finde ich auch (S. 1905):

    "Im Koalitionsvertrag stand noch, das Anfechtungsrecht solle „auf den Prüfstand“. Dort ist es freilich nie gewesen."

  • Danke für den Hinweis. Zusammenfassung von Bork (ZIP 2014, 1905, 1909):

    "Die Regelungsvorschläge des Eckpunktepapiers überzeugen nicht. Sie verfehlen ihr rechtspolitisches Ziel, nämlich den Schutz der Arbeitnehmerschaft (die durch die Vorschläge nicht besser geschützt würde als bisher durch das BAG), den Schutz des Mittelstands (dessen Rechtsposition nur vordergründig verbessert würde) und die Gewährleistung von Rechtssicherheit (weil der mit dem Papier angestrebte Systemwechsel zu erheblicher Rechtsunsicherheit beitragen würde). Stattdessen wird – zum wievielten Male eigentlich? – versucht, Privilegien für den Fiskus und die Sozialversicherungsträger einzubauen, ohne dass das offen ausgewiesen würde."

    Fast schon Prosa!

    Schön finde ich auch (S. 1905):

    "Im Koalitionsvertrag stand noch, das Anfechtungsrecht solle „auf den Prüfstand“. Dort ist es freilich nie gewesen."

    Guten morgen,

    ich hatte hier auch auf dem Gläubigerkongress eine interessante Diskussion. Offensichtlich gehen die Lobbyisten der Wirtschaftsverbände wissentlich mit falschen Auslegungen der Anfechtung vor. Dies liest sich auch sehr schön in einem Aufsatz in der ZInsO von Fawzy. Die meisten Zulieferer haben sowieso einen verlängerten Eigentumsvorbehalt; mithin ist die Forderung nie beim Schuldner angekommen und nur die Marge anfechtbar. Wer macht das schon? Gerade die Wirtschaftsverbände haben sich aber auf den 133er eingeschossen. Entweder die Mitglieder werden nicht gut beraten, bzw. ich kann es mir nicht erklären.

  • @james

    verstehe ich nicht. Was will mit einem verlängerten EV oder KK bei einer Anfechtung nach §133 InsO?

    Genau so ist es...ich verstehe es auch nicht! Es gibt ja keine Gläubigerbenachteiligung beim verlängerten Eigentumsvorbehalt. Die Lobbyisten sagen jedoch, dass ihre Mitglieder auf Teufel komm raus von IV´s angefochten werden, trotz des Vorbehaltes und das deswegen Millionen der Wirtschaft verloren gehen und das es keine Rechtssicherheit gibt. M.E. nur ein vorgeschobener Grund.

  • Eine - wenn auch etwas hilflose Rechtfertigung - von Kayser findet sich in der NJW 2014, 422.

    @ james: Ich kenne genügend Kollegen, die die Anfechtungsansprüche nicht derart fein ausziselieren. Da wird ein schlecht aufbereiteter Sachverhalt "in den Raum gestellt", weil sich für einen Vergleich, auf den es doch in den meisten Fällen hinausläuft, ein größerer Aufwand gar nicht lohnt. Oder - so jedenfalls Kayser - es ist auf Seiten der Gläubiger einfach plumpe Unkenntnis und Meinungsmache.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Eine - wenn auch etwas hilflose Rechtfertigung - von Kayser findet sich in der NJW 2014, 422. @ james: Ich kenne genügend Kollegen, die die Anfechtungsansprüche nicht derart fein ausziselieren. Da wird ein schlecht aufbereiteter Sachverhalt "in den Raum gestellt", weil sich für einen Vergleich, auf den es doch in den meisten Fällen hinausläuft, ein größerer Aufwand gar nicht lohnt. Oder - so jedenfalls Kayser - es ist auf Seiten der Gläubiger einfach plumpe Unkenntnis und Meinungsmache.

    Sehe ich auch so. Das Witzige ist, ich hatte den Aufsatz der in der ZInsO erschienen ist von Fawzy selber vorab bekommen und ihn noch auf diese Unstimmigkeiten hingewiesen. Der Aufsatz ist aber exakt so erschienen :-). Das ist wirklich plumpe Meinungsmache. Aber richtig, wenn da was geändert werden würde spart man sich halt den Rechtsanwalt.

  • Nach dem dieses ominöse Papier auch Grundlage einer Diskussion bei uns wurde hab ich es mal gegoogelt. Vom VDI wird teilweise von der Wiedereinführung des Fiskusprivileges gesprochen. In der Verwaltung wird das Papier jedoch so interpretiert, dass die Verwaltung noch mehr auszahlen muss, da die "Erfülltheit des Steueranspruches" wohl nicht die Anforderungen an eine Deckung erfüllt.

    Sollte die Auslegung richtig sein, sonst darf sich die Justiz auf ein deutliches Ansteigen der Insolvenzanträge freuen, denn die Steuerverwaltung wird dann die Beitreibungsversuch drastisch reduzieren, Zahlungsvereinbarungen generell ablehen und zügig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen.

    Welche Ansicht dieses Papiers ist nun die richtigere? Weiß jemand mehr?

  • Das Papier kann man meines Erachtens unterschiedlich interpretieren. Wenn man sieht, welche Anforderungen an die Insolvenzanfechtung gestellt werden sollen, kann man schon von einem Fiskusprivileg (wäre natürlich kein Privileg mehr, da die Insolvenzanfechtung gänzlich tot wäre) ausgehen. Dass die Finanzverwaltungen ausdrücklich ausgenommen ist, lese ich nämlich nicht. Im Übrigen sind uns frühzeitige Insolvenzanträge willkommen. Denn wenn der letzte Arbeitnehmer entlassen und der letzte Auftrag abgewickelt ist, werdet Ihr feststellen, dass auch der beste Insolvenzverwalter nichts mehr retten kann.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Gegs: :daumenrau

    Gesetzesbegründung zum ESUG (BT-Drs. 17/5712 vom 04.05.2011, S. 1, 17): "Ein Insolvenzantrag wird in der Regel erst dann gestellt, wenn das Vermögen des Schuldners restlos aufgezehrt ist und keine Sanierungschancen mehr bestehen."

    ...denn die Steuerverwaltung wird dann die Beitreibungsversuch drastisch reduzieren, Zahlungsvereinbarungen generell ablehen und zügig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen.

    So sei es!

    Die beiden Hamburger Regierungsräte Bruns & Schaake in der ZInsO 2011, 1581, stellen fest, dass gerade die frühzeitige Insolvenzantragstellung durch das Finanzamt erforderlich ist, um entweder noch eine Sanierung zu ermöglichen oder aber zumindest noch eine verteilbare Masse zu sichern, um die Insolvenzquoten wieder zu erhöhen. Die Autoren sprechen von einer "Ermutigung zu rechtzeitiger Insolvenzantragstellung" (Seite 1586) und davon, dass das Finanzamt als Dauergläubiger "Teil eines Frühwarnsystems" ist, "welches aber nur funktioniert, wenn der Antrag tatsächlich in einem frühen Stadium der Zahlungsprobleme gestellt wird." (Seite 1589).

    Und jetzt kommt Exec, oder?!

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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