§ 1638 BGB und Ausschlagung

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    ich habe hier einen Fall, der mich und die Gerichte schon ziemlich lang beschäftigt und welcher nun durch den BGH in ein völlig neues Licht gerückt wurde...und ich brauche nun mal ein paar Meinungen, wie ich nun wieder mit dem Fall weitermachen kann/ darf/ muss.

    Der Kindsvater, der nicht mit der Kindsmutter verheiratet war, setzte ein Testament auf, in welchem er die Kindsmutter von der Verwaltung des Vermögens, welches dem Kind durch den Sterbefall zugwendet wird, ausschließt, § 1638 BGB. Kind ist zum Alleinerben berufen. Es geht um ca. 2 Mio Euro.
    Die Kindsmutter hatte - weil sie lieber Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen wollte - die Erbschaft bei mir ausgeschlagen. Das wurde auch bereits familiengerichtlich genehmigt.

    Danach ging die Akte wegen vieler Streitigkeiten durch viele Anwalts - und Gerichtshände- bis rauf zum BGH... der nun... neben einigen anderen Punkten... entschieden hat, dass die Mutter gar nicht wirksam hätte ausschlagen können, wegen § 1638 BGB. Mir ist das nicht aufgefallen und auch der ganzen Armada an Anwälten nicht und auch nicht dem OLG :oops:.

    Ich habe die Akte jetzt noch nicht wieder vorliegen, gehe aber davon aus, dass ich den Fall zurückverwiesen bekomme. Die Ausschlagung ist ja nicht wirksam...die Frage ist jetzt nur...ist die Ausschlagungsfrist abgelaufen? Ich habe mir da echt schon das Hirn zermartert. Kann ich jetzt noch einen Ergänzungspfleger bestellen, der die Erbschaft ausschlägt? Ist die Ausschlagungsfrist abgelaufen?

    Hilfe... ich brauche eure klugen Köpfe...:eek:

  • Ich bin nicht mal sicher, ob der BGH da richtig liegt. Meine Auffassung deckt sich da eher mit dem Palandt, der zu 1638 ausführt, Ausgeschlossen werden kann nur die Verwaltung des zugewendeten Vermögens, nicht hingegen die Vertretung des Kindes bei der Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung.

    Wenn man allerdings davon ausgeht, dass die Mutter nicht ausschlagen konnte, weil sie insoweit nicht vertretungsberechtigt war und ein Ergänzungspfleger nicht bestellt wurde, kann man m. E. jetzt noch einen Pfleger bestellen, der ggf. ausschlägt. Die Ausschlagungsfrist beginnt ab Kenntnis des Vertreters, so es keinen Vertreter gibt, kann auch keiner Kenntnis haben.

    Ob die Ausschlagung durch den Ergänzungspfleger überhaupt erfolgt ist fraglich, da muss er schon genau gucken ob sich das Kind als Pflichtteilsberechtigter besser stellt als, als Alleinerbe.
    Wollte die Mutter eventuell nur den Verwaltungsausschluss aushebeln? Da würde ich auch als Familiengericht ganz genau gucken.

  • Erst einmal vielen Dank fürs Mitdenken. Genehmigt wurde das Ganze ja schon einmal... das Kind steht tatsächlich durch die Ausschlagung besser da in diesem speziellen Fall.

    Ich sah es damals genauso wie du...nur der BGH meint es eben anders...und über dem ist ja bekanntlich nur der blaue Himmel...? :gruebel:

  • Habe die Entscheidung jetzt vorliegen...und wegen meines speziellen Falles dreht der BGH jetzt tatsächlich alles auf Links...:eek:

  • Kannst Du die BGH Entscheidung bitte näher bezeichnen zum Nachlesen.


    BGH | 29.06.2016 - XII ZB 300/15

    Zur Zeit auch auf der Homepage des DNotI nachzulesen.

    Ich war über die Entscheidung auch sehr verwundert.
    In der Sache sehe ich es wie Doro, es ist nichts passiert. Ein zu bestellender Ergänzungspfleger muss es prüfen. Frist läuft erst, wenn jemand bestellt ist.

  • Wobei die letzten zwei Absätze beim BGH sich so lesen als sei man dort der Ansicht, die Erbschaft (übrigens nur ein 1/2 Anteil, den Rest bekommt die Schwester) sei angenommen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Wer für die Ausschlagung (wegen § 1638 BGB) keinen gesetzlichen Vertreter hat, für den kann die Ausschlagungsfrist auch nicht beginnen, solange es keinen solchen gesetzlichen Vertreter (hier: einen zu bestellenden Ergänzungspfleger) gibt. Da ein solcher Pfleger bestellt wurde, ist die Gretchenfrage also zunächst, ob dessen (amtsgerichtlicher oder oberlandesgerichtlicher) Wirkungskreis der Pflegschaft auch die Ausschlagung der Erbschaft umfasst (was ich nach Sachlage verneinen würde, weil die Pflegschaft - so interpretiere ich die Sachverhaltsdarstellung des BGH - erst im Gefolge der erfolgten Erbausschlagung angeordnet wurde. Dies sieht grundsätzlich auch der BGH so (Rn. 26 der Entscheidung) und das Gleiche dürfte für den Wirkungskreis der vom Amtsgericht angeordneten und immer noch bestehenden Pflegschaft gelten (der BGH hat nur den Beschluss des OLG aufgehoben, so dass auch die etwaige "kassierende" Wirkung der OLG-Entscheidung in Bezug auf die Ausgangsentscheidung des Amtsgerichts entfiel).

    Der nächste Schritt dürfte also sein, den Wirkungskreis der - bestehenden - Pflegschaft entsprechend zu erweitern und den Pfleger insoweit erneut zu verpflichten (Letzteres kann leicht übersehen werden, wenn das OLG die Erweiterung vornehmen sollte!). Sodann muss der Pfleger - so er das für richtig hält - die Erbschaft innerhalb der ab seiner Erweiterungsverpflichtung laufenden Ausschlagungsfrist ausschlagen, wobei diese Ausschlagung natürlich der (erneuten) familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.

    Ist das Ausschlagungsprozedere abgeschlossen, wird der Pfleger mit dem Pflichtteilsschuldner noch (konstitutiv oder lediglich deklaratorisch?) vereinbaren müssen, dass alles, was bislang ggf. bezüglich des Pflichtteilsanspruchs vereinbart wurde, weiterhin fortgilt.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!