§ 927 BGB bei Gesamthandsgemeinschaft

  • Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,

    ich bin Berufsanfängerin und habe hier ein Brett vor dem Kopf und finde nicht so recht eine Lösung. Es wäre toll, wenn mir jemand ein paar wegweisende Gedanken mitteilen könnte. Ich habe schon mehrere Beiträge gelesen, bin aber noch nicht wirklich auf einen grünen Zweig gekommen. Vermutlich, weil ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe.

    Es geht hier um ein Aufgebot nach § 927 BGB.

    Die Eigentümer sind hier in Erbengemeinschaft eingetragen. Die Abteilung 1 im Grundbuch ist ziemlich voll. Aus einer unter Abt. 1 Ziffer 1 a-h erstmals eingetragenen Erbengemeinschaft ist nun eine riese Verzwickung eingetreten. Letztlich sieht es aus wie folgt: Die Erbengemeinschaft besteht aus teils aus Erben und Erbeserben weiter (diese leben noch) und auch aus Personen, die 1878 geboren sind (Abt.1 / 1b), weil dort keine Grundbuchberichtung vollzogen wurde.

    Mithin habe ich also hier eingetragene Eigentümer, die teils tot sind (geb. 1878) und teils noch lebende Mitglieder der Erbengemeinschaft.

    Antragsteller (A) ist hier ein Miteigentümer. Ich habe die Entscheidung vom OLG Frankfurt vom 07.03.2016 (20 W 62/16) gelesen und mir ist klar, dass hier die gesamte Gemeinschaft ausgeschlossen werden kann, aber keine Anteile daran.

    Ist hier ein Aufgebot der gesamten Gemeinschaft Aufgrund Antrag des Antragstellers A?

    Ich habe mir Fragen überlegt:

    I. Sind die Voraussetzungen für § 927 BGB hier gegeben, wenn einige der Personen der Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragenen sind und noch leben? Da trifft die Voraussetzung des Verstorben seins nicht zu oder?

    II. Die 30 jährige Frist des Eigenbesitzes berechnet sich dann aber schon seit Beginn der damals ersten eingetragenen Erbengemeinschaft?

    Ich persönlich habe Bedenken dem Antrag stattzugeben. Kann mir jemand helfen? Besten Dank im Voraus!!

  • Hallo,

    einen solchen Fall habe ich bisher noch nicht gehabt, aber ich versuche mal etwas Input zu geben.

    Aus vorhandenen Fortbildungsunterlagen geht bei mir folgendes hervor:

    Zur Antragsberechtigung

    Üben mehrere den Eigenbesitz aus, dann können nur alle gemeinsam einen Antrag stellen; § 927 BGB ist grundsätzlich nicht auf Gesamthandanteile anwendbar, da kein sachenrechtlich fassbarer Anteil vorhanden ist, der den Miteigentümer bruchteilsmäßig anrechenbar wäre und daher auch nicht herrenlos werden könnte (Thüringer OLG v. 7.12.12; 9 W 579/12).

    Eventuell hilft dir die genannte Entscheidung weiter.

  • Ich habe so eine Problematik mal mit dem Grundbuchamt diskutiert (zum Glück haben die mir geglaubt und es kam kein Antrag, daher musste ich nicht entscheiden).

    Ich würde den Antrag ebenfalls daran scheitern lassen, dass alle eingetragenen Eigentümer tot sein müssen. Da man ja nur die Gemeinschaft als solches, nicht aber einzelne Mitglieder ausschließen kann, wäre den Erben dringend zu raten, von weiteren Grundbuchberichtigungen Abstand zu nehmen, damit irgendwann mal alle tot sind. Mir sind jedenfalls keine Entscheidungen bekannt, dass ich Erbengemeinschaften, deren Mitglieder noch zum Teil lebendig sind, mit ihren Rechten ausschließen kann.

    Im Gegenteil, bei Personenhandelsgesellschaften (OHG usw.) ist anerkannt, dass das Aufgebot erst nach dem Tod des letzten Gesellschafters erlassen werden kann (BeckOGK/J. Weber, 1.1.2022, BGB § 927 Rn. 10). Bei der Erbengemeinschaft kann daher kaum etwas anderes gelten.

    Zudem hat man noch ein Folgeproblem beim Eigenbesitz:

    Wir befinden uns hier in einem engen Grenzbereich. Wenn der Antragsteller vorträgt, dass er sich als einziges (nicht im GB eingetragenes !) Mitglieder der Erbengemeinschaft um das Grundstück gekümmert hat, dürfte der Ausschluss der Gemeinschaft nicht möglich sein, da er ja für die Erbengemeinschaft besessen hat. Ein Antrag kann nur dann erfolgreich sein, wenn der Antragsteller sinngemäß vorträgt, dass er das Grundstück unter bewusster Missachtung der Rechte der Miterben ausschließlich im eigenen Namen bewirtschaftet und verwaltet hat. Das entsprechend glaubhaft zu machen, dürfte durchaus schwierig werden.

  • Das Aufgebot kann nur erlassen werden, wenn alle im Grundbuch eingetragenen Eigentümer tot oder verschollen sind. Das müsste mit dem Antrag glaubhaft gemacht werden.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Vielen lieben Dank euch allen für die schnellen Antworten und den guten Input. Ich habe dem Antragsteller jetzt mitgeteilt, dass der Antrag mangelhaft ist, da noch viele der eingetragenen Eigentümer der Erbengemeinschaft noch leben. Ich werde hier ggfs. Rückmeldung erteilen, wenn ich vom Antragsteller eine Antwort erhalten.

    Besten Dank und einen schönen Tag!

  • Habe gerade eine ähnliche Sache (auch wenn Sie leider in Ihren Einzelteilen weit komplexer wird..).

    Für mich geht der Antrag in Ordnung, wenn die noch lebenden Mitglieder der Gesamthandsgemeinschaft (die in meinem Fall auch Teil des Eigenbesitzes haben) ebenfalls den Antrag stellen, bzw. auf Ihre Rechte verzichten.

    Wenn man diese Leute mit ins Boot holt, sind deren Rechte am Ende doch auch gewahrt und man hat nichts zu befürchten.

    Am Ende sind letztendlich alle Beteiligten froh, wenn statt 90 Leuten nur noch einer im Grundbuch steht.

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