Erbausschlagung und Anfechtung

  • Hallo zusammen,

    ich habe folgenden Fall:

    Erblasser verstirbt, verheiratet, zwei Kinder. Die Eltern des Erblassers sind vorverstorben, neben dem Erblasser haben

    die Eltern drei weitere Abkömmlinge.

    Eine letztwillige Verfügung von Todes wegen gibt es nicht.

    In dem Erbscheinantrag des Notars schlagen die beiden Kinder (keine Abkömmlinge) die Erbschaft

    aus und der Notar stellt den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass die Ehefrau

    Alleinerbin ist.

    Aufgrund meiner Zwischenverfügung fechten die Abkömmlinge des Erblassers ihre Erbausschlagungserklärung an mit der

    Begründung, dass sie irrig angenommen haben, dass durch die Erbausschlagungserklärungen die Mutter Alleinerbin wird.

    Darüber hinaus wird angeführt, dass sie irrig davon ausgegangen sind, dass das teilweise wohl noch belastete Wohn-

    haus den einzigen wesentlichen Nachlassgegenstand darstellt.

    Jetzt habe sich jedoch herausgestellt, dass der Erblasser auch noch ein nicht unerhebliches Bar- bzw. Wertpapiervermögen

    hinterlassen hat, von dem die Abkömmlinge zum Zeitpunkt der Erbausschlagung nichts wussten. An diesem Vermögen

    wollen die Kinder selbstverständlich beteiligt werden.

    Wenn sie von diesem weiteren Vermögen Kenntnis gehabt hätten, hätten sie die Erbschaft nicht ausgeschlagen.

    Ich weiß, dass des sich bei dem ersten Anfechtungsgrund (Mutter Alleinerbin) um einen Rechtsirrtum handelt, der

    keine Berücksichtigung finden kann.

    Bei dem zweiten Anfechtungsgrund handelt es sich - so meine Vermutung - um eine Krücke, damit die Geschwister des

    Erblassers nicht zum Zuge kommen.

    Der gesamte Nachlasswert wird aus Kostengründen mit 150.000,00 Euro angegeben (einschließlich Immobilie).

    Inwieweit muss ich die Anfechtung - Motivirrtum - prüfen? Reichen die angegebenen Erklärungen aus oder prüfe

    ich tatsächlich, welche Nachlasswerte vorhanden sind?

    Vielen Dank für eure Hilfe :)

  • Anfechtungsgrund 1 dürfte ein unbeachtlicher Motivirrtum sein, s.a. BGH v. 22.03.2023.

    Für Anfechtungsgrund 2 könnten die Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 19.12.2018 - 3 Wx 140/18 -, 07.08.2019 - 1-3 Wx 170/18 - und 09.12.2020 - 1-3 Wx 13/20 (letztere mit Anmerkung Tobias Goldkamp) vielleicht die passenden Argumente liefern?

  • Klasse Notar!

    Vielleicht könnte man aufgrund dessen evtl. unrichtiger Belehrung über die Rechtsfolgen der erklärten Ausschlagungen zu einem Anfechtungsgrund gelangen (OLG Brandenburg Rpfleger 2023, 43 = FamRZ 2023, 239 = FGPrax 2022, 225 = ZEV 2022, 716 = BeckRS 2022, 21303). Es ist allerdings fraglich, ob dies nach der aktuellen BGH-Entscheidung immer noch gelten kann (BGH Rpfleger 2023, 351 = FamRZ 2023, 898 m. Anm. Bode = FGPrax 2023, 119 = ZEV 2023, 372 m. Anm. Muscheler = BeckRS 2023, 7397 = FD-ErbR 2023, 456980 m. Anm. Litzenburger).

  • Behaupten genügt nicht. Die materielle Feststellungslast für den Anfechtungsgrund liegt bei den Kindern. Es steht ja bereits die Vermutung im Raum, dass der zweite Anfechtungsgrund nur vorgeschoben ist. Die angegebenen 150.000 € Nachlasswert passen auch nicht.

  • Ich hab mal in einem ähnlich gelagerten Fall argumentiert:

    Ohne vollständige Kenntnis über die tatsächliche Zusammensetzung des Nachlasses wurde die Ausschlagung erklärt. (Weitere) Schulden wurden lediglich „vermutet“.

    Da ein Motivirrtum nach herrschender Meinung nicht zur Anfechtung der Ausschlagungserklärung berechtigt, ist der Erbscheinsantrag, der auf der erfolgreichen Anfechtung gründet, zum Scheitern verurteilt.

    Zur Prüfung des Motivirrtums und der Folgen verweise ich auf folgende Entscheidungen des OLG Düsseldorf:

    Beschluss vom 19.12.2018 ZEV 2019, 263 insbes. Rdnr. 13 und 14

    Beschluss vom 20.11.2020 ZEV 2021, 503 insbes. Rdnr. 16 und 17 (beispielhaft, wie ausreichende Bemühungen auszusehen haben)

    Beschluss vom 09.12.2020 ZEV 2021, 505 insbes. Rdnr. 36 und 37

    Wer seine Entscheidung auszuschlagen auf „spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage“ trifft, unterliegt in Ansehung der Eigenschaft des Nachlasses lediglich einem Motivirrtum, welcher nicht zur Anfechtung der Ausschlagung berechtigt.

    Ich würde im Ausgangsfall noch ergänzen, dass von Kindern durchaus erwartet werden kann, über die finanzielle Situation des Vaters mehr als nur spekulative Kenntnisse zu haben, insbesondere, da die Ehefrau ja noch lebt und auch gefragt werden kann]


    Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre Justizbehörde

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