Freispruch und Selbständiger

  • Freispruch in einer Bußgeldsache. Die Betroffene ist selbständig und hat glaubhaft gemacht, dass ihr durch die Teilnahme an der gegen sie gerichteten Hauptverhandlung ein Auftrag über 10 Stunden Arbeit zu 80 EUR entgangen sei. Der Auftrag wäre an einem 600 km entfernten Ort zu erfüllen gewesen, weshalb sie ihn weder vor noch nach der auf 12 Uhr terminierten Hauptverhandlung habe ausführen können. Die Hauptverhandlung selbst dauerte 6 Minuten, die Abwesenheit von daheim wird mit 1 Stunde beziffert.

    Wie groß ist der zu erstattende Verdienstausfall nach § 22 JVEG? Die entgangenen 10 Stunden zu 80 EUR? Oder die aufgewandte 1 Stunde zum Höchstsatz von 25 EUR?

  • 15.Meridian

    Entschädigung für Selbstständige wegen Umsatzeinbußen war schon mehrfach Thema im Forum, z. B. hier:

    Weglegeakte
    7. Januar 2019 um 11:50
  • Danke, Frog, aber meine schwierigste Frage ist doch, wie viele Stunden kann der Selbständige entschädigt verlangen? Die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung einschließlich Wegezeit, oder den ganzen Tag, weil ihm ein ganztägiger Auftrag entgangen ist? Dazu wird sich (auch in den Kommentaren) nicht ausgelassen, oder jedenfalls nicht in einer Weise, die ich verstehe.

  • Ich würde die Variante 1 Stunde mit 25 € vertreten.

    Zum einen sind die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Höhe nach nach dem JVEG zu vergüten. Der Stundensatz des Verdienstausfalls ist dabei auf 25 € gedeckelt, selbst wenn der nachweisbare Erwerbsverlust höher ist. Auch bei Selbständigen ist eine Überschreitung des Höchstsatzes nicht statthaft (vgl. Toussaint/Weber, 53. Aufl. 2023, JVEG § 22 Rn. 8 und Schneider JVEG, 4. Aufl. 2021, JVEG § 22 Rn. 36, beide beck-online).

    Und zum anderen, bezogen auf die Zeit des Verdienstausfalls, erscheint es mir naheliegend, dass sie als Selbständige nach dem Termin sich durchaus anderen Aufgaben im Rahmen seiner ihrer Selbständigkeit hat widmen können. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sie dann den Rest des Tages gar nicht mehr hat arbeiten können, nur weil sie den Auftrag für diesen Tag nicht wahrnehmen konnte.

    Überdies erscheint es mir denkbar, dass ihr der Auftrag des Tages nicht gänzlich durch die Lappen gegangen ist, sondern dass sie ihn zu einem anderen Zeitpunkt nachholt, ihr also der Verdienst nicht ganz entgangen ist.

    Sollte es sich tatsächlich gänzlich anders verhalten, hätte sie das aus meiner Sicht schlüssig darzulegen. Jedoch nur bezogen auf die Zeit, nicht auf die Höhe des Verdienstausfalls. Mit der Variante 80 € für den ganzen Tag könnte ich jedenfalls nicht mitgehen.

    Was sagt denn eigentlich der/die Bezi dazu? Die müssen doch bei Freisprüchen und Erstattung der notwendigen Auslagen aus der Staatskasse immer Stellung nehmen.

    Der Weg ist das Ziel.

    Da wird auch Zweifel sein

    es wird viel Zaudern sein
    da wird Unglaube sein
    wie alle einsam und allein

    (Das Ich, "Destillat")

    Einmal editiert, zuletzt von Waldweg (5. September 2023 um 09:14)

  • Hier noch ne Entscheidung, genau zur Frage, falls es interessiert, LSG Bayern, L15 SF 170/14. Da wollte ein Spediteur für 3 Tage Verdienstausfall, Fahrt nach Portugal, Nachweis = Auftrag lag vor. Erhalten hat er nur die tatsächl. Abwesenheit, dort 10h, hier also 1h x 25,- EUR.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

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