Befreite Vorerbin erfüllt Vorausvermächtnis an sich selbst

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    mir bereitet folgender Fall Bauchschmerzen:

    Die befreite Vorerbin verkauft ein Grundstück aus dem Nachlass. Die Erbfolge ist nicht im Grundbuch eingetragen (ebenfalls daher kein Nacherbenvermerk). Der Erbnachweis ergibt sich aus dem eingereichten Nachlasszeugnis. Der Kaufpreis soll laut Kaufvertrag in Erfüllung eines Vorausvermächtnisses für sie (= sehr hoher Geldbetrag) in ihr (nicht mit der Nacherbfolge belastetes) Vermögen fließen, da der Nachlass ansonsten nicht über genügend Geldmittel verfügt. Dem Nachlass kommt also kein entsprechender Gegenwert zugute.

    Meine Fragen:

    1. Da das Vermächtnis sich aus dem NLZ nicht ergibt, kann ich das Testament mit dem Vermächtnis als Nachweis anfordern?

    2. Wenn der Nachweis für das Vermächtnis erfolgt, könnte der notwendige Verkauf des Grundstücks zur Erfüllung des Vorausvermächtnisses als entgeltlich angesehen werden? Wenn ich die Entgeltlichkeit feststelle, werden die Nacherben nicht beteiligt. Dabei hab ich kein gutes Gefühl. Das GBA kann auch nicht prüfen, dass wirklich keine anderen Geldmittel vorhanden sind.

    Vielen Dank für eure Hilfe!

    2 Mal editiert, zuletzt von jonas (18. Dezember 2023 um 14:05)

  • Das Grundbuchamt hat doch lediglich die Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Grundbesitzes im Rahmen des § 20 GBO zu prüfen und sofern voll entgeltlich verfügt wird, ist es doch nicht Aufgabe des Grundbuchamtes zu prüfen, was die befreite Vorerbin mit dem Surrogat (Kaufpreis) anstellt, v.a. da doch regelmäßig auf ein Konto des befreiten Vorerben bezahlt wird und eigentlich nicht noch auf ein Konto des Erblassers/der Erbengemeinschaft. Oder täusche ich mich da?

    Zudem wirkt ein Vorausvermächtnis an den Vorerben ja sogar dinglich § 2110 Abs. 2 BGB. Was kann da das Grundbuchamt verhindern bzw. prüfen?

  • Aber die Vollentgeltlichkeit prüfe ich ja, um festzustellen, ob dem Nachlass ein entsprechender Gegenwert zugute kommt. Dies soll hier aber offensichtlich nicht der Fall sein.

    Und von dem Vorausvermächtnis weiß ich nur, weil dies im Kaufvertrag erwähnt wird. Dass dieses überhaupt angeordnet wurde, müsste ich mir doch wenigstens nachweisen lassen?

  • Ich würde bei meinen Überlegungen schon etwas früher ansetzen.

    Ein dem alleinigen Vorerben zugewendetes Vorausvermächtnis i. S. des § 2110 Abs. 2 BGB muss im Erbschein und demzufolge auch im ENZ angegeben werden. Dementsprechend ist das ENZ unrichtig. Es muss eingezogen und mit zutreffendem Inhalt neu erteilt werden (Anregung an NachlG). Das NachlG hat dann auch zu prüfen, wie es sich mit dem Bestand des Vorausvermächtnisses verhält, wenn nicht ausreichend Geldmittel im Nachlass vorhanden sind. Insoweit wäre etwa denkbar, vom Bestand des Vorausvermächtnisses auszugehen, weil der Vorerbe die benötigten Geldmittel durch die Veräußerung von Grundbesitz beschaffen kann (Kaufpreis als zum Nachlass gehörendes Surrogat, wovon dann der Vorausvermächtnisbetrag entnommen werden kann).

    Ich würde mir zunächst einmal die Nachlassakte anfordern. Nach deren Eintreffen kann man dann weitersehen und die Akte ggf. mit der Anregung der Einziehung des ENZ zurückleiten.

    Die Nacherben sind natürlich anzuhören und zwar auch dann, wenn das GBA die Verfügung für voll entgeltlich hält. Nach aktueller Lage ist das ENZ aus den eingangs genannten Gründen allerdings überhaupt nicht zum Nachweis der Erbfolge geeignet.

  • Unabhängig von der konkreten Problematik hier: Prüft das GBA das Empfangskonto? In aller Regel wird auf ein Konto des Vorerben gezahlt, v.a. wenn er der alleinige Erbe ist. Anhand des Empfangskontos kann man doch nicht Un-/Entgeltlichkeit des Grundstückgeschäfts festmachen? Ob der Vorerbe dann unberechtigterweise unentgeltlich über den Kaufpreis verfügt, unterliegt doch nicht der Prüfung des GBAs?

  • Ich komme noch einmal auf den Fall zurück. Die Nachlassakten wurden mir nicht übersandt, stattdessen beglaubigte Abschriften der Testamente.

    1. Aus diesen ergibt sich, dass der befreiten Vorerbin tatsächlich das o.a. Vorausvermächtnis zugewandt wurde. Im Ergebnis ist also das mittlerweile wegen Zeitablaufs ohnehin ungültige Nachlasszeugnis auch unrichtig = Zwischenverfügung.

    2. Entgeltlichkeit: Die Vorerbin hat mittlerweile die für die Berechnung der Erbschaftssteuer erfolgte Grundbesitzbewertung von einem Steuerbüro (kein Gutachten) eingereicht. Danach ist der Kaufpreis für mich nachvollziehbar.

    a) Die Vorerbin verkauft zwar an eine von ihr gehaltene Firma = Näheverhältnis, kein "Dritter".

    b) Die Kaufpreisforderung wird außerdem "bis zur Einlage in einer anderen Firma zu einem späteren Zeitpunkt" zinslos gestundet.

    Ich denke aber, dass ich aufgrund der vorliegenden Grundbesitzbewertung jetzt wohl von der Vollentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts ausgehen und die Nacherben (Abkömmlinge der Söhne des Erblassers) vor einem Vollzug der Auflassung ermitteln und anhören muss. Dies würde ich in der Zwischenverfügung bekanntgeben und die Nachlassakten nochmals erfordern. Ich hoffe, in den Nachlassakten Hinweise auf die Nacherben zu finden. Ansonsten habe ich keinerlei Anhaltspunkte für die Ermittlungen, da die Söhne unbekannten Aufenthalts sind... Ist die geplante Vorgehensweise richtig - oder habe ich etwas übersehen?

  • Ist dem alleinigen (befreiten oder nicht befreiten) Vorerben ein Vorausvermächtnis zugewendet, so wird er im Hinblick auf den vom Vorausvermächtnis erfassten Nachlassgegenstand Vollerbe, weil die Nacherbfolge insoweit gar nicht angeordnet ist (§ 2110 Abs. 2 BGB). Die Erbin kann also dann mangels Nacherbschaft (für diesen Gegenstand) völlig unbeschränkt über diesen Nachlassgegenstand verfügen, ganz gleich, ob sie dies voll entgeltlich, teilentgeltlich oder (teil)unentgeltlich tut. Damit erübrigt sich auch eine Beteiligung der Nacherben.

    Es geht im vorliegenden Fall also ausschließlich darum, dass die Vollerbeneigenschaft der Erbin (für diesen Gegenstand) nach Maßgabe des § 35 GBO nachzuweisen ist, und das geht nur, wenn sich Erbfolge und Vorausvermächtnisanordnung aus einem notariellen Testament ergeben oder wenn das Vorausvermächtnis im erteilten Erbschein bzw. im erteilten ENZ ausgewiesen ist.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!