Neuregelung öffentliche Lasten in Sachsen

  • Es gab hier einst einen Thread: Neuregelung öffentliche Lasten in Schleswig-Holstein - Zwangsversteigerung - Fach-Forum von, für und über Rechtspfleger (rechtspflegerforum.de)

    Nun hat es auch uns Sachsen ereilt. Seit 31.12.2023 sieht das Sächsische Kommunalabgabengesetz in § 9 Abs. 5 vor, dass grundstücksbezogene Benutzungsgebühren öffentliche Lasten des Grundstücks bzw. Erbbaurechts etc. seien. Natürlich ohne Überleitungsrecht.

    Also müssen wir in Sachsen und jetzt vertieft mit der Frage befassen, was mit grundstücksbezogenen Benutzungsgebühren passiert, die vor dem 31.12.2023 entstanden sind. Werden diese zur öffentlichen Last aufgewertet?

    Meine Recherchen haben folgendes Bild ergeben:

    AG Münster, Beschluss vom 05.11.2007 - 9 L 4/06 hat entschieden: Mangels einer Übergangsvorschrift stellen [nur] die Benutzungsgebühren, welche ab dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung entstehen, öffentliche Lasten dar. Für die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Gebühren dürfte es sich grade nicht um öffentliche Lasten (im Sinne von § 156 Abs. 1 ZVG) handeln.

    Dagegen aber :

    VG Aachen (7. Kammer), Urteil vom 28.03.2014 - 7 K 181/12: § 6 Abs. 5 KAG NRW, der am 17. Oktober 2007 in Kraft getreten ist, erfasst auch solche grundstücksbezogenen Benutzungsgebühren, die vor dem Inkrafttreten der Regelung entstanden sind. Der Landesgesetzgeber hat in Bezug auf § 6 Abs. 5 KAG NRW keine Übergangsregelung vorgesehen (vgl. Art. XI GO-Reformgesetz). Nach dem Wortlaut des neu geregelten § 6 Abs. 5 KAG NRW ruhen grundstücksbezogene Benutzungsgebühren unabhängig davon als öffentliche Last auf dem Grundstück, ob es sich um die Gebühren für die Benutzung kommunaler Einrichtungen aus der Zeit vor oder nach Inkrafttreten des neugefassten Kommunalabgabengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen handelt. Auch die weiteren Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die Gesetzesmaterialien (vgl. LT-Drs. 14/4981 vom 11. September 2007) enthalten zu der Frage der zeitlichen Geltung keine Differenzierung. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung werden damit Benutzungsgebühren auch aus der Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung von der Einstufung als öffentliche Last miterfasst.Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Mai 2011 - 13 K 2586/10 -, juris Rn. 23 ff.; VG Minden, Urteil vom 3. Februar 2012 - 5 K 3229/09 - (nicht veröffentlicht); Brüning, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 251a (Stand: 43. Ergänzungslieferung, September 2010)Die Anwendbarkeit der gesetzlichen Neuregelung führt auch nicht zu einer (verfassungsrechtlich) unzulässigen Rückwirkung.

    Differenzierend betrachtet wird die Lage vom

    VG Schleswig Urteil vom 15.11.2023 4 A 1/22. Bei der Neuregelung (in Schleswig-Holstein § 6 VII KAG) handele es sich um einen Fall der unechten Rückwirkung. Der Landesgesetzgeber habe für § 6 VII KAG in Art. 7 des Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungs- und wahlrechtlicher Vorschriften vom 22.3.2012 keine Übergangsvorschrift vorgesehen, Auch seien den Gesetzgebungsmaterialien hierzu keine Ausführungen zu entnehmen (vgl. LT-Drs. 17/1633, 46). Unter Berücksichtigung dessen spreche der Wortlaut des § 6 VII KAG dafür, dass auch Benutzungsgebühren, welche vor Inkrafttreten dieser gesetzlichen Regelung entstanden sind, fortan als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen (vgl. auch BGH NZM 2010, 672 Rn. 21). Der Zulässigkeit der unechten Rückwirkung seien aber durch das zu berücksichtigende Vertrauensschutzprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Diese Grenze soll überschritten sein, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Zwecks des Gesetzes nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Dies sei der Fall, wenn ein Dritter das streitgegenständliche Objekt erworben habe. Der Erwerber habe dann ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend erlangt, dass diese Rechtsposition nicht mehr durch die nachträgliche Begründung einer vorrangigen Belastung beeinträchtigt wird (vgl. hierzu auch BGH NZM 2010, 672 Rn. 22). Anderenfalls könnte ein Käufer noch Jahre nach dem Erwerb des Grundstücks von vorrangigen Belastungen „überrascht“ werden.

    Und nun meine Frage: Welche Erfahrungen gibt es aus den Ländern, in denen grundstücksbezogene Benutzungsgebühren schon vor ein paar Jahren zu öffentlichen Lasten wurden, hinsichtlich der vor der Gesetzesänderung entstandenen Gebühren?

  • Das "Problem" dürfte eher beim Prüfen liegen. Bei uns ist das so geregelt, dass ua in der Gebührensatzung der Städte und Gemeinden in der Präambel auf diese Vorschrift des KAG (bei euch also § 9 Abs. 5) verwiesen werden muss. Sonst war es das mit der dinglichen Haftung.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Nachtrag: Du brauchts also von allen Kommunen die jeweilige Satzung zur verlangten Gebühr in der aktuellen Fassung.

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  • Die Rechtsfrage dürfte doch anhand der Segelanweisung des BGH (BGH, Urt. v. 11.05.2010 - IX ZR 127/09, Rn. 20ff.) unter ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht des oben zitierten AG Münster geklärt sein: Maßgeblich ist allein, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung bereits eine Zwangsversteigerung angeordnet war (dann keine Rückwirkung) oder nicht (dann Rückwirkung).

    Nachtrag: Du brauchts also von allen Kommunen die jeweilige Satzung zur verlangten Gebühr in der aktuellen Fassung.

    So auch der BGH (Urt. v. 11.05.2010 - IX ZR 127/09, Rn. 19 m.w.N.).

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Nachtrag: Du brauchts also von allen Kommunen die jeweilige Satzung zur verlangten Gebühr in der aktuellen Fassung.

    Das ist in Sachsen anders geregelt:

    „§ 39c SächsKAG
    Anpassung von Satzungen an die durch das Gesetz zur Änderung des Verwaltungsvollstreckungsrechts und weiterer verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen vom 13. Dezember 2023 geltende Rechtslage

    Satzungen, die aufgrund von § 8a in der bis zum 30. Dezember 2023 geltenden Fassung erlassen worden sind, gelten weiter und sind erforderlichenfalls bis zum 30. Juni 2024 anzupassen.“

  • Die Rechtsfrage dürfte doch anhand der Segelanweisung des BGH (BGH, Urt. v. 11.05.2010 - IX ZR 127/09, Rn. 20ff.) unter ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht des oben zitierten AG Münster geklärt sein: Maßgeblich ist allein, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung bereits eine Zwangsversteigerung angeordnet war (dann keine Rückwirkung) oder nicht (dann Rückwirkung).

    Nachtrag: Du brauchts also von allen Kommunen die jeweilige Satzung zur verlangten Gebühr in der aktuellen Fassung.

    So auch der BGH (Urt. v. 11.05.2010 - IX ZR 127/09, Rn. 19 m.w.N.).

    Danke für diese recht aufschlussreiche BGH-Entscheidung. Dann also: unechte Rückwirkung, daher regelmäßig zulässig, im Einzelfall aus Vertrauensschutzgründen unzulässig.

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