Kanadisches Erbrecht

  • Hallo Kollegen!

    Ich bin auf der Suche nach Material zu kanadischem Erbrecht. Die Erblasserin war kanadische Staatsangehörige und lebte seit Jahren in Deutschland. Sie war verheiratet mit einem Deutschen und hinterläßt ein volljähriges Kind. Testamente sind nicht vorhanden. Zum Nachlass gehört bewegliches und unbewegliches Vermögen in Deutschland.
    Gruß Smile

  • Ich habe auch einen Fall mit einem kanadischen Erblasser!
    Hier ist es jedoch so, dass der Erblasser ein Testament hinterlassen hat, welches bereits vom Superior Court of Justice in Toronto/Ontario eröffnet wurde.
    Meine erste Frage: Muss ich es dann auch nochmal eröffnen? :confused:
    Der Erbscheinsantrag wurde vom Konsularbeamten beurkundet. Dieser hat darin aufgenommen, dass das Testament formgültig nach kanadischem Recht errichtet wurde. - Dann wird das wohl so sein und ich kümmer mich jetzt nicht weiter um die Formgültigkeit, oder?
    Aber dann stellt sich für mich noch eine weitere Frage: Natürlich wurde das Testament in englischer Sprache gefasst. Muss ich auf eine beglaubigte Übersetzung bestehen? :confused: Eine Übersetzung liegt dem Testament nicht an (welches hier auch nicht im Original eingereicht wurde).
    Der Alleinerbe wurde laut Erbscheinsantrag zum Testamentsvollstrecker nach kanadischem Recht bestimmt (Executor and Trustee). Das scheint jedoch nicht ein Testamentsvollstrecker in Sinne des BGB zu sein und ist somit auch nicht im Erbschein zu erwähnen, oder?
    Fragen über Fragen - kann mir jemand helfen?

  • Zur Frage von Smile:

    Das Erbkollisonsrecht aller kanadischen Provinzen und Bundesterritorien folgt dem Grundsatz der Nachlassspaltung (Ausnahme Quebec, das insoweit eine eingeschränkte Rechtswahl zulässt, die aber testamentarisch bestimmt werden muss und daher bei gesetzlicher Erbfolge nicht zum Zuge kommen kann). Danach wird Grundbesitz nach der lex rei sitae und bewegliches Vermögen nach dem Recht des letzten Erblasserdomizils vererbt. Dies dürfte im vorliegenden Fall bedeuten, dass die Erblasserin kraft Rückverweisung aus dem kanadischen Recht insgesamt nach deutschem Recht beerbt wird (Art. 25 Abs.1, 3 Abs.3, 4 Abs.1 EGBGB).

    Fraglich bleibt somit lediglich die gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten. Diese hängt davon ab, welcher Güterstand in der Ehe gegolten hat und dies hängt wiederum davon ab, wann die Eheschließung erfolgte (Art.14, 15, 220 EGBGB).

    Also bitte noch das Datum der Eheschließung mitteilen.

    Zur Frage von piepsi:

    Letzter Wohnsitz des Erblassers? Bewegliches oder unbewegliches Vermögen oder beides? Wo ist das bewegliche und/oder unbewegliche Vermögen jeweils belegen?

    Von der Beantwortung dieser Fragen hängt das anwendbare Erbstatut und damit auch die Problematik der Testamentsvollstreckung ab.

    Bereits jetzt kann gesagt werden, dass das Testament im Inland in jedem Fall zu eröffnen ist, obwohl es (wie in solchen Fällen üblich) wahrscheinlich nur in beglaubigter Abschrift vorliegt. Wenn man selbst ausreichend der englischen Sprache mächtig ist, würde ich das Testament nicht übersetzen lassen. Ist das nicht der Fall und befinden sich die Beteiligten nicht bereits im Besitz einer Übersetzung, so würde ich die Übersetzung in jedem Fall von Amts wegen erholen (§ 2358 Abs.1 BGB, § 12 FGG). Die hierfür entstehenden Kosten sind dann später als Auslagen von den Beteiligten zu erheben.

  • letzter Wohnsitz war Toronto, also Kanada und es soll ein gegenständlich beschränkter Erbschein erteilt werden, da es ein Konto in Deutschland gibt, Grundbesitz ist nicht vorhanden!

  • piepsi:

    Also kanadisches Erbrecht und gegenständlich beschränkter Fremdrechtserbschein nach § 2369 BGB. Das Testament ist nach Art.26 EGBGB formwirksam errichtet, wenn es der kanadischen Ortsform entspricht. Der Erbschein hat m.E. nur den Alleinerben zu verlautbaren, weil er bereits in dieser Eigenschaft über den Nachlass verfügen kann. Die Frage, ob der executor in den Erbschein aufzunehmen ist, würde sich nach meinem Dafürhalten nur stellen, wenn der Erblasser von mehreren Personen beerbt worden wäre. Im vorliegenden Fall ist der Alleinerbe aber zugleich executor. Dies zieht im Inland keinerlei Verfügungsprobleme nach sich.

  • ja, super, dann schau ich mal, ob ich ruhigen Gewissens behaupten kann, dass ich das Testament verstehen kann und dann ab dafür!
    Vielen lieben Dank für die prompte Antwort!

  • Meine Frage möchte ich hier gleich anschließen:
    Mein Erblasser hatte seinen letzten Wohnsitz in Kanada, BC. Er hat ein handschriftliches Testament hinterlassen und ist noch Grundeigentümer hier in Deutschland. Hier soll ein Flächenerwerb ( wegen Autobahnbau) erfolgen: Begünstigt im Testament ist die Witwe, die aber sehr hinfällig schon ist. Mein Tipp war : gegenständlich beschränkter Erbschein für den Grundbesitz und Erbscheinsantrag über den Konsularbeamten in Kanada. Der antrag kommt dann zur entscheidung zu uns, aber was muss mit dem handschriftlichen testament in Kanada noch gemacht werden ? Eröffnung auch noch mal bei uns ? Geschrieben ist es englich, aber das kann ich, es soll nach Aussage der Witwe ein Vermerk eines RA drauf sein ? Vielen Dank schon mal !!

  • Jetzt hole ich das Ganze mal hervor:

    Zwei Ehegatten versterben nacheinander. Beide sind kanadische Staatsangehörige und hatten ihren letzten Wohnsitz in British Columbia. In Deutschland gibt es Grundbesitz.

    Erbscheine werden gerade beantragt. Die tangieren mich momentan weniger.

    Hauptfrage im Moment ist: Welche Verfügungsbefugnisse hat der Testamentsvollstrecker?

    Und das Testamentsvollstreckerzeugnis dürfte ja auch ein deutsches sein?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Wenn ich die bisherigen Ausführungen richtig verstanden habe, richten sich das Erbrecht und damit auch die Testamentsvollstreckung nach deutschem Recht, so dass es disbezüglich eigentlich keinerlei Besonderheiten wegen der Auslandsberührung gibt.

    Richtig?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Für den Fall der Anwendbarkeit des deutschen Erbstatuts (für den Grundbesitz) ist bereits bei der Erbscheinserteilung zu prüfen, ob der Erbschein eine Testamentsvollstreckung zu verlautbaren hat. Sofern Erbschein und TV-Zeugnis auf den inländischen Nachlass beschränkt werden sollen, haben sie jeweils zu enthalten, dass sie in Anwendung deutschen Rechts aufgrund Rückverweisung aus dem kanadischen Recht ergehen. Damit sind die Befugnisse des Testamensvollstreckers klar.

  • Der Erblasser ist Deutscher und hatte den letzten Wohnsitz in Deutschland. Er hat - bevor er nach Deutschland zurückkam - in Kanada ein Zwei-Zeugen-Testament verfasst, welches die Erbin hier abgeliefert hat. Es wurde eröffnet. Die Erbin möchte nun einen Erbschein beantragen, den sie sowohl für das in Dtl. befindliche als auch das in Kanada befindliche ausschließlich bewegliche Vermögen benötigt.

    Das Testament dürfte wohl formwirksam sein und deutsches Erbrecht anwendbar.

    Kanada verweist wohl auch zurück (Ort des letzten Domizils), sodass auch für das kanadische Vermögen deutsches Erbrecht gelten dürfte!?

    Erteile ich jetzt also einen ganz normalen Erbschein? Kann die Alleinerbin damit dann auch in Kanada was anfangen?

  • nein...denn kanada wird sich hier raushalten,sebst wenn der erblasser sein domicile in kanada gehabt hätte,da es sich ausschliesslich um bewegliches vermögen handelt.somit ist hier nach internationalem erbrecht deutsches erbrecht rechtswirksam.

  • Dieser Aussage vermag ich nur mit Einschränkungen zuzustimmen.

    Sowohl aus Sicht des deutschen als aus Sicht des kanadischen IPR ist im Ergebnis deutsches Erbstatut maßgeblich. Ein Unterschied ergibt sich nur insofern, als keine übereinstimmende Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers erfolgt und die Anwendung deutschen Rechts aus deutscher Sicht deshalb unmittelbar aus Art. 25 Abs. 1 EGBGB folgt, während es zu diesem Ergebnis aus kanadischer Sicht erst durch die Verweisung auf das Recht des letzten domicils des Erblassers kommt.

    Aus deutscher Sicht ist daher ein ganz "normaler" Eigenrechtserbschein" ohne irgendwelche Beschränkungsvermerke zu erteilen ("Welterbschein"). Ob die kanadischen Behörden diesen Erbschein anerkennen, ist eine ganz andere Frage.

    Zur Formgültigkeit des Testaments vgl. das Haager Testamentsübereinkommen sowie Art. 26 EGBGB.

  • @ erbrecht kanada:

    Obwohl unsere Antworten (vgl. #15 ff.) hier nach 1 Jahr sicher nicht mehr benötigt werden:

    Das Testament ist nach Art. 26 EGBGB formwirksam. Es kann wegen gleicher Erbfolge in Deutschland und Kanada durch das deutsche Gericht ein unbeschränkter (normaler) Erbschein erteilt werden. Nach meiner Erfahrung dürften die Stellen in Kanada (Banken etc.) diesen Erbschein akzeptieren....und das kann man dann auch dadurch "fördern", in dem man dort zusammen mit dem deutschen Erbschein eine begl. Kopie des kanadischen Testaments vorlegt....nicht notwendig und richtig, aber effektiv :)

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Als grober Überblick ganz interessant, aber nichts wirklich Neues, sondern eben "das Übliche" bei der Unterscheidung zwischen der lex rei sitae und dem domicil-Prinzip. In den Standardwerken zum IPR in Nachlassangelegenheiten findet man eigentlich stets, was man im Einzelfall braucht.

  • Danke Cromwell,

    es ist von den Autoren als erste Übersicht gedacht. Wo wäre es interessant, mehr ins Detail zu gehen? Wobei ich denke, dass es sinnvoller ist, in eigenen Artikeln mehr in die Tiefe der Materie einzusteigen und diese dann mit der Übersicht zu vernetzen. Wir lernen gerade noch, wie es im Internet am sinnvollsten ist, die komplexe Materie darzustellen. Hinweise und Tipps sind daher sehr willkommen...

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