Erbfolge IV.Ordnung, § 1928 III BGB

  • Danke für die Ergänzung. Halte uns bitte auf dem Laufenden.

    Ich wäre eigentlich noch viel radikaler. Ich würde nach meinen Erfahrungen mit dem Erbrecht der IV. Ordnung dieses ganz abschaffen. In einem Fall hatte ich 45 weltweit vom Nachlasspfleger ermittelte Erben IV. Ordnung, von denen keiner (!) die Erblasserin gekannt hat. Da hätte ich Staatserbrecht für gerechter gehalten.

    Das Staatserbrecht ist ultima ratio. Wer das Verwandtschaftserbrecht beschneidet, redet im Ergebnis einer erbrechtlichen Enteignung zugunsten des Staates das Wort. Hatten wir alles schon, müssen wir aber nicht wieder haben.

  • Noch ein Wort zum Thema "zeitgemäss":

    Neben den vielen guten Argumenten aus der Entscheidung des AG Starnberg und aus einem Beitrag von Cromwell (einseitige Bevorzugung der Abkömmlinge des jüngsten Urgroßelternpaares- Danke dafür) hoffe ich vor allem dass folgender Gesichtspunkt Beachtung findet (den übrigens auch die beschwerdeführenden Anwälte übernommen haben):


    Die Familienstrukturen in unserer Gesellschaft haben sich in Folge der Antibabypille seit den 60ziger Jahren des letzten Jahrhunderts gravierend verändert. Konnte man um 1900 bis in die Nachkriegsjahre ab 1945 noch davon ausgehen, Erbfolgen nach der IV. und die höheren Erbordnungen dank des Kinderreichtums der meisten Familien meist nur in der Theorie vorkamen, so wird sich dies in den nächsten Jahrzehnten entscheidend ändern. Was bei meinem Erblasser angesichts seines Geburtsjahrganges 1926 eher noch die Ausnahme war, nämlich dass sowohl er ein Einzelkind war als auch sein Vater und seine Mutter nur eine Schwester hatte, welche ebenfalls nur einen kinderlos vorverstorbenen Abkömmling hatte, wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten der Regelfall sein angesichts unserer heutigen Familienstrukturen mit Singles und Kleinfamilien mit 1 oder zwei Kindern.

    Die höheren Erbfolgen werden also künftig eine erhebliche größere Bedeutung erreichen als bislang.

    Ich bin auch nicht sehr zuversichtlich dass künftige Erblasser im Bewußtsein dessen häufiger als bisher aus diesem Grund ein Testament verfassen werden, denn das könnten sie heute auch schon und uns damit dieses Problem ersparen.

    Es wird auch künftig wie heute Menschen geben, die - obwohl es vernünftigerweise geboten wäre, ein Testament zu verfassen-, dies halt einfach nicht tun- sei es weil sie Scheu haben sich mit ihrem Tod auseinanderzusetzen, weil sie verdrängen, weil sie es immer wieder verschieben bis es zu spät ist, aus Desinteresse etc. etc

    Nur haben wir heute noch das Glück, dass wir meist noch in der II. oder III. Erbordnung fündig werden. Dies aber liebe Kollegen wird sich künftig deutlich ändern.

    Deshalb habe ich diesen schwierigen Weg gewählt, weil ich glaube dass es sehr wohl Genug Gründe gibt, den § 1928 III usw. zu überdenken.

  • a) ...Neben den vielen guten Argumenten aus der Entscheidung des AG Starnberg und aus einem Beitrag von Cromwell (einseitige Bevorzugung der Abkömmlinge des jüngsten Urgroßelternpaares- Danke dafür)...

    b) ....Die höheren Erbfolgen werden also künftig eine erhebliche größere Bedeutung erreichen als bislang....Nur haben wir heute noch das Glück, dass wir meist noch in der II. oder III. Erbordnung fündig werden. Dies aber liebe Kollegen wird sich künftig deutlich ändern.

    Zu

    a) Das ist nicht richtig. Denn egal wann die Großeltern ihre Kinder geboren haben, können diese Kinder selbst wiederum schon mit z.B. 20 oder erst mit Ende 30 Kinder bekommen haben und damit ergibt sich für alle Urgroßelternstämme eine weite Spanne von möglichen Geburtszeiten der Kinder und Kindeskinder, so dass es (auch aus meiner Erfahrung und die ist nach über 15 Jahren als professioneller Erbenermittler sicher sehr umfassend was die 4. Ordnung anbelangt), keinesfalls so ist, dass Erben immer oder im Wesentlichen nur im "jüngsten Urgroßelternstamm" auftreten. Das ist schlicht weg wegen der Durchmischung der unterschiedlichen Geburtszeitspannen, in denen Kinder geboren werden können, nicht der Fall.

    b) Ich bin demnächst für eine Tagung des Bund deutscher Rechtspfleger (BDR) in Bad Boll als Sachverständiger für den demografischen Wandel und dessen Auswirkungen auf die nachlassgerichtlichen Verfahren eingeladen. Von daher habe ich mich eingehend mit dem Thema beschäftigt. Die sogenannte Baby-Boom-Generation ist derzeit ca. 40-50 Jahre alt. Es wird also wohl noch über 40 Jahre dauern, bis diese Generation "weggestorben" ist und dann geburtenschwächere Jahrgänge kommen. Jedoch selbst dann werden diese dann als Erblasserjahrgänge auftretenden Verstorbenen bei Recherchen in III. Ordnung (eine Generation zurück) eine Vielzahl von Verwandten haben, die gesucht werden müssen. Es wird daher sicher noch weit mehr als 50 Jahre deuern, bis hier sich an den Familienverhältnissen merklich etwas ändert.

    Ein anderer Aspekt sind jedoch die immer loser werdenden Familienbeziehungen und die größere Mobilität der Menschen. Das bedeutet aber viel mehr, dass es eben schwieriger werden wird, Erben zu finden weil mehr Rechercheaufwand betrieben werden muss und die Zahl der Nachlasspflegschaften (und auch des Fiskuserbrechts) zunehmen wird. Dem entgegen stehen aber die technischen Entwicklungen wie z.B. Internet und Datenbanken, elektronische Personenstandsführung etc., die gleichzeitig wieder eine Erleichertung für durchzuführende Ermittlungen darstellen können.

    Man darf gespannt sein, wie sich das alles miteinander entwickelt aber ich kann aus meiner Sicht sagen, dass es wohl in der uns noch zur Verfügung stehenden Lebenszeit nicht zu einer Zunahme von Fällen in 4. Ordnung kommen wird.

    Thomas Lauk aka TL

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Na dann hoffe ich mal dass die Baby Boomer alle ihre statistische Lebenserwartung erfüllen und mindestens 80 Jahre alt werden.


    Im Ernst: Natürlich wird es zunächst erstmal langsam losgehen mit den Fällen in denen die IV. Erbordnung
    in Betracht kommt. Aber die Todesfälle in den Geburtsjahrgängen ab 1960 sind nicht mehr die große Ausnahme.

    Ich glaube nicht dass wir noch 40 Jahre warten müssen, bis dieser Fall häufiger eintritt. Man kann sich ja schon mal vorausschauend damit befassen oder?

  • Natürlich kann man das und für die Frage einer Verfassungsbeschwerde ist es auch völlig unerheblich, ob der dabei vorgebrachte Fall häufig vorkommt oder in Zukunft häufiger vorkommen wird (oder eben nicht)

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  • Ohne das zu Werten, wann was auf uns zukommt in der IV Erbordnung, sehe ich in der Zukunft eher die Herausforderungen in den Patchworkfamilien mit der gefühlten angestiegenen Anzahl an Halbgeschwistern und den sich vermehrfachenden Großelternpaare. Meine Logik, welche nicht richtig sein muss, sagt mir aber auch, dass die zukünftige IV Erberordnung in der Zukunft einer jüngeren Generation angehören wird, wo der urkundliche Nachweis durch das Fehlen von zwei Weltkriegen ja in einem besseren Zustand ist. Das kann aber auch ein Denkfehler sein. :)

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    “Das tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.” Marc-Uwe Kling, Die Känguru Chroniken
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  • Wenn es nur nach mir ginge- ich würde auch ab der IV. Erbordnung diesen ganzen Erbenermittlungswahnsinn abschaffen und für Staatserbrecht plädieren.

    Es gehen viele Nichtjuristen ohnehin davon aus, dass "der Staat alles kriegt" wenn keine nahen Verwandten und kein Testament vorhanden sind. Ich ernte immer nur ungläubiges Kopfschütteln, wenn ich erkläre dass das Nachlassgericht solange weitersucht, bis wir jemanden finden.

    Und mal ehrlich - würde ein Staatserbrecht ab der IV.Ordnung wirklich die Grundfesten unserer Demokratie und Verfassung erschüttern und das sozialistische Gespenst am Horizont hervorrufen?

    Der Erblasser besitzt gem. GG seine Testierfreiheit.

    Wenn er hiervon bewusst und willentlich keinen Gebrauch macht solange er kann und keine nahen Verwandten bis hin zu den Großeltern mehr hat, liegt es wirklich soviel näher, anzunehmen dass es dann sein mutmasslicher Wille ist, seine Erben unter seinen Ur- und UrUr usw Vorfahren zu suchen?

    Ich stelle die Hypothese auf dass es genauso sein mutmasslicher Wille sein könnte, dass dann wirklich "der Staat alles kriegt". Ich stelle weiter die Hypothese auf dass manche Erblasser hiervon sogar ausgehen in falschem Glauben und entsetzt wären wenn sie mitbekommen würden, was nach ihrem Tod so passiert.


    Vielleicht würde das mitunter sogar die Testierfreudigkeit erhöhen, wenn ein Erblasser sich zwar nicht entscheiden kann wem er sein Vermögen zukommen lassen will, aber dem Staat auf alle Fälle nicht

  • Das Lied von den loseren Familienbeziehungen höre ich meistens nur aus Großstädten. Die vielen Millionen Landbewohner mit konservativen Werten werden meist dezent übergangen. Hier müssten mE schon fundierte Studien her, bevor man tatsächlich davon ausgehen kann, dass die Lebensverhältnisse sich grundlegend für alle - und nicht nur für einen bestimmten Kreis - geändert haben.

    Das Erbrecht in den entfernteren Ordnung kann man so oder so regeln. Dabei hat der Gesetzgeber einen weiteren Ermessensspielraum. Nur wenn dieser Ermessensspielraum überschritten ist, kann man vielleicht und unter weiteren Voraussetzungen zu einer Verletzung des Art. 14 GG sprechen. Der Gleichheitssatz dürfte hier auch nicht eingreifen.

  • Entschuldigung - aber der Sichtweise dass die Millionen konservativen Landbewohner nichts von der Antibabypille und der Möglichkeit sich scheiden zulassen/zu trennen und Patchworkfamilien zu bilden, mitbekommen haben sollen muss ich nun doch - da ich mich diesem Bevölkerungsteil zugehörig fühle- energisch widersprechen. Auch uns tumben Landbewohnerinnen waren die Vorzüge der Einflussnahme auf unsere Fruchtbarkeit sehr schnell klar und sie wurden - konservativ hin oder her- sehr schnell ergriffen. Und auch uns hat die Frauenbewegung zumindest insoweit beeinflusst, dass wir nicht mehr bei jedem intolerablen Ehemann bis ans Ende unserer Tage bleiben sondern uns mittlerweile auch trauen, diesen im Falle eines Falles vor die Tür zusetzen und es in einer neuen Beziehung noch einmal zu versuchen - und Patchworkfamilien zu gründen. Also der Kreis der konservativen Landbewohner der heute noch wie vor 50 Jahren oder 100 Jahren in bäuerlichen Großfamilien auf Biegen und Brechen zusammenlebt ist m.E. mittlerweile doch sehr überschaubar. Zumindest kenne ich keine.

  • Papenmeier:

    Das Gegenteil ist der Fall. In ländlichen Regionen ziehen in der Regel die Jungen weg um in den Metropolregionen (= Städte und "Speckgürtel drum herum") "Arbeit und Wohlstand" zu finden.

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  • Papenmeier:

    Das Gegenteil ist der Fall. In ländlichen Regionen ziehen in der Regel die Jungen weg um in den Metropolregionen (= Städte und "Speckgürtel drum herum") "Arbeit und Wohlstand" zu finden.

    Papenmeier
    Du musst Dir doch nur Deinen Eigenen beruflichen Wanderweg anschauen: E = 15.000 Einwohner und C = 250.000 Einwohner
    Bei mir ist es ähnlich: F = 6.000 Einwohner und S 28.000 Einwohner

    Ich bleibe trotzdem dabei und es hat auch noch keiner widersprochen :oops:, die morgige IV. Erbordnung ist die heutige II. Erbordnung und die läßt sich besser finden als die derzeitige IV. Erbordnung. Die Herausforderung bleiben der Patchwork mit seinen Halbgeschwistern und der vermehrten Großeleternanzahl.

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  • Hallo zusammen!

    das Oberlandesgericht Nürnberg hat entschieden und - zurückgewiesen sowie die Vorlage an das BVG abgelehnt.

    Der Beschluss des OLG Nürnberg vom 12.11.2013- Az 15 W 2083/13 führt als Begründung auf:

    "Leipold hat im Münchener Kommentar zum BGB 6 .Auflage § 1928 RN 1 hierzu ausgeführt:
    Das Prinzip der Verwandetenerbfolge (... usw).." - es folgt die Begründung aus dem Kommentar.

    ferner:

    " Dass die Geltung des Gradualsystems in der vierten und den höheren Ordnungen wegen Verstoss gegen den
    Gleichheitsgrundsatz Art 3 GG und die Erbrechtsgarantie Art 14 GG verfassungswidrig sein soll leuchtet nicht ein.
    Es handelt sich um eine Frage der Zweckmässigkeit deren rechtpolitische Beurteilung dem Gesetzgeber zusteht.
    Diese Auffassung teilt der Senat."


    Mein Kommentar: Schade!

  • Und wie geht´s weiter?

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  • Der von mir bestellte Verfahrenspfleger hat mir bereits mitgeteilt, dass er und die Beteiligten, welche nicht anwaltlich
    vertreten waren, nicht vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wollen.


    Ich werde nun vor Erteilung des Erbscheins nochmals alle Beschwerdeführer anhören, ob noch jemand Verfasssungsbeschwerde erheben möchte - tja und dann muss ich wohl den beantragten Erbschein erteilen.

  • Schade, da kann sich meine Prognose nur teilweise bestätigen. Die Verfassungsbeschwerde kostet ja eigentlich nichts - abgesehen von der Arbeit bzw. den damit verbundenen Anwaltskosten, wenn man sie nicht selbst macht. Ich glaube eigentlich auch nicht, dass es eine Missbrauchsgebühr geben würde, wenn man sich auf Auffassungen in der Literatur stützen kann und sich etwas Mühe gibt.

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