Verfahrenspflegerbestellung Pflicht?

  • Heute habe ich mal eine Verständnisfrage.

    Ein Nachlassgericht hat mir einen notariellen Grundstücksverkaufvertrag in einer §1961BGB Nachlasspflegschaft nachlassgerichtlich genehmigt, ohne einen Verfahrenspfleger bestellt zu haben. Zumindest bin ich über eine Bestellung als Beteiligter nicht informiert worden, was bei anderen Gerichten grundsätzlich bei allen Verf.Pfl. Bestellungen erfolgt.

    Kann mir der Vertrag, bei welchem ich froh bin, dass er zustande gekommen ist, noch um die Ohren fliegen, weil kein Verfahrenspfleger bestellt wurde?

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  • Im Verfahren zur Erteilung der nachlassgerichtlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäfts des Nachlasspflegers muss den unbekannten Erben ein Verfahrenspfleger bestellt werden (OLG Hamm Rpfleger 2011, 87 = FamRZ 2011, 396 = FGPrax 2011, 84; Palandt/Weidlich § 1960 Rn. 14; Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 345 Rn. 83; Zimmermann Rpfleger 2009, 437, 439; Heinemann DNotZ 2009, 6, 26; Bolkart MittBayNot 2009, 268, 275; Bestelmeyer Rpfleger 2010, 635, 647 f.). Wurden die unbekannten Erben mangels Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht ordnungsgemäß am gerichtlichen Genehmigungsverfahren beteiligt, so fragt sich, ob der lediglich dem Nachlasspfleger zugestellte Genehmigungsbeschluss überhaupt rechtskräftig werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn man die Ansicht vertritt, dass die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG mangels Bekanntgabe der Genehmigung an die Erben nicht zu laufen beginnt (Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, § 63 Rn. 7; Musielak/Borth, FamFG, 2. Aufl., § 63 Rn. 5; Hügel/Reetz, GBO, 2. Aufl., S. 70 Rn. 214; Heinemann DNotZ 2009, 6, 26; Bolkart MittBayNot 2009, 268, 270, 272; Zorn Rpfleger 2011, 437; Gutachten DNotI-Report 2009, 145, 150). Dies führt nämlich konsequenterweise dazu, dass das genehmigte Rechtsgeschäft, das in Wahrheit mangels Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses nur scheinbar genehmigt ist, wegen der fehlenden Möglichkeit der Mitteilung einer rechtskräftigen Genehmigung nicht i. S. des § 1829 Abs. 1 S. 2 BGB wirksam werden kann.

    Dem steht die "rechtskraftfreundliche" Ansicht gegenüber, wonach die am Genehmigungsverfahren nicht beteiligten Erben nur solange fristgemäß Beschwerde einlegen können, bis die Beschwerdefrist für den den letzten Beteiligten – also den Nachlasspfleger selbst und etwaige angehörte bekannte Miterben – abgelaufen ist, der tatsächlich am Verfahren beteiligt wurde (OLG Hamm a.a.O.; MüKo/Koritz, FamFG, 3. Aufl., § 63 Rn. 7; Keidel/Sternal § 63 Rn. 45; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl., § 63 Rn. 6; Kölmel ZNotP 2011, 59; Büte FuR 2011, 361, 363). Allerdings führt diese „rechtskraftfreundliche“ Lösung zu eben jenem Ergebnis, das vom BVerfG für die nach dem FGG geltende Rechtslage verworfen wurde, weil nun wieder der Fall eintritt, dass ein gerichtlich genehmigtes Rechtsgeschäft wirksam werden kann, obwohl für einen übergangenen Beteiligten, der im Genehmigungsverfahren hätte beteiligt werden müssen, wegen § 48 Abs. 3 FamFG keinerlei Möglichkeit eröffnet ist, gegen die Genehmigungsentscheidung ein Rechtsmittel einzulegen oder im nachhinein gegen die erteilte Genehmigung vorzugehen. In Anbetracht dessen erscheint es nicht als unbegründete Schwarzmalerei, wenn man prognostiziert, dass die genannte rechtskraftfreundliche Auffassung beim BVerfG wiederum keinen Bestand haben wird (ebenso Prütting/Helms/Abramenko § 63 Rn. 7; Heinemann DNotZ 2009, 6, 26; Bolkart MittBayNot 2009, 268, 270, 272; Gutachten DNotI-Report 2009, 145, 150). Es kann den Nachlassgerichten daher nur empfohlen werden, den sicheren Weg zu gehen und die gebotene Beteiligung der unbekannten Erben im Genehmigungsverfahren stets durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers sicherstellen.

    Ob das Grundbuchamt in Deinem konkreten Fall den Vollzug des Vertrags verweigert, weil es von der Nichtbestellung eines Verfahrenspflegers Kenntnis hat, es die „rechtskraftfeindliche“ Ansicht vertritt und daher von der Unrichtigkeit des Rechtskraftvermerks ausgeht, bleibt abzuwarten. In der Regel verlässt sich das Grundbuchamt -was es auch kann- auf den angebrachten Rechtskraftvermerk. Trotzdem kommt es mitunter vor, dass der Rechtspfleger beim Grundbuchamt vom Ablauf der Dinge Kenntnis hat, wenn Grundbuchamt und Nachlassgericht dem gleichen Amtsgericht angehören.

  • Ich häng mich mal gleich mit meinem Problemchen hier an:;)

    Nachlasspflegschaft besteht noch, obwohl alle Erben ermittelt wurden. Der Grund ist, dass derzeit Feststellungsklage einer weiteren Person P anhängig ist. Ein Erbscheinsantrag von P wurde rechtskräftig zurückgewiesen. Allerdings versäumten die Erben, sofort nach der Zurückweisung einen eigenen Erbscheinsantrag zu stellen. Im Moment geht es nicht mehr, da die Klage anhängig ist und ich die Erbscheinserteilung bis zur Entscheidung aussetzen müsste.

    Nachlasspfleger braucht zur Erledigung seiner Aufgaben dringend Geld und verkauft Haus, allerdings etwas unter dem Verkehrswert. Alle ermittelten "Erben" haben zugestimmt. P ist gegen den Verkauf, ist aber auch nicht (mehr) Beteiligter (so vom OLG bestätigt). Benötige ich jetzt für das Genehmigungsverfahren trotzdem noch einen "Verfahrenspfleger für die unbekannten Erben" oder kann ich von der Richtigkeit meiner Erbenermittlungen ausgehen und darauf verzichten?

  • Alle in Betracht kommenden Erbprätendenten sind bekannt. Denn als Erben kommen nur die bereits ermittelte Personengruppe oder der Feststellungskläger P in Betracht. Damit wurden alle denkbaren Erbprätendenten angehört (auch P). Wen sollte ein Verfahrenspfleger im Genehmigungsverfahren demzufolge noch repräsentieren?

    Der anhängige Rechtsstreit führt hier nur dazu, dass die Erben weiterhin objektiv unbekannt sind und die Nachlasspflegschaft deshalb nicht aufgehoben wird.

  • Zur Klarstellung: P habe ich nicht zum Verkauf gehört. Dass er gegen den Verkauf ist, weiß ich, weil er früher schon beantragt hat, "dass das Nachlassgericht dem Nachlasspfleger einen Verkauf des Hauses verbietet" (!). Ich habe den Antrag damals zurückgewiesen, in erster Linie weil P kein Beteiligter (mehr) ist und kein Antragsrecht hat. Feststellungsklage macht P nicht (wieder) zum Beteiligten. Die Beschwerde gegen meinen Beschluss wurde vom OLG abgewiesen. Also im Promillebereich könnte P über die Feststellungsklage (die beim LG in einem anderen Bundesland anhängig ist und bei Rechtsmittel daher auch ein anderes OLG zuständig wäre) doch noch Erbe sein.

  • Ich würde P gleichwohl anhören, weil man im vorliegenden Fall nicht formal auf die Beteiligtenstellung abheben kann, zumal ich daran zweifle, ob man jemandem, der im Weg der vorgreiflichen Feststellungsklage ein Erbrecht geltend macht, die Beteiligtenstellung für alles, was den "wahren" Erben angeht, verweigern kann. Hier schein mir der Beteiligtenbegriff doch allzu formal interpretiert worden zu sein.

    Mag das OLG später über die Beschwerdeberechtigung von P befinden, wenn dieser gegen die erteilte Genehmigung vorgeht.

  • Danke, Cromwell. Ich kämpfe allerdings noch mit mir, weil ich natürlich weiß, was passiert, wenn ich P förmlich beteilige......

  • Was soll schon passieren?
    Es kommt ein schriftsätzliches Donnerwetter als personifizierte Empörung und Du genehmigst trotzdem.

    Das schreckt mich nicht, bin's gewöhnt! :teufel:

    Mein OLG hat in diesem Fall bereits zu anderem Antrag entschieden: "Dennoch ist P durch seine Klage auf Feststellung seines Alleinerbrechts im Nachlasspflegschaftsverfahren nicht wieder zu einem beschwerdeberechtigten Erbprätendenten geworden. Denn die Feststellungsklage ist derzeit ohne Einfluss auf das Verfahren beim Nachlassgericht und nunmehr beim Beschwerdegericht. Solange in dem Rechtstreit beim LG X kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, an das das Notariat sowie auch das an seine Stelle tretende OLG grundsätzlich gebunden wären bei der Beurteilung, ob sie jemanden als Erben ansehen wollen, haben diese nach eigener Überzeugung zu entscheiden. Insoweit stellen sich aber das NG -und ihm folgend der Senat - zu Recht auf den Standpunkt, dass auf Grund des Senatsbeschlusses vom ... weder von einem testamentarischen noch von einem gesetzlichen Erbrecht auszugehen ist. Nachdem aber der Erbrechtsstreit derzeit keine Bindungswirkung entfaltet, wird P nicht wieder zum Erbprätendenten im NP-Verfahren. P war und ist nicht als unmittelbar in seinem Erbrecht Betroffener hinzuzuziehen - weswegen auch keine Gehörverletzung vorliegt - und er hat keine Beschwerdeberechtigung in diesem Verfahren."


    Wenn dem so ist, dann darf ich P doch eigentlich gar nicht als Beteiligten führen und dann steht wieder die Frage im Raum, Verfahrenspfleger einsetzen, weil die Erben doch noch unbekannt sind? Das ist der Kampf, den ich meinte.

  • zu #2:

    Was ist eigentlich aus der Diskussion geworden, dass im nachlassgerichtlichen Genehmigungsverfahren die Bestellung eines Verfahrenspflegers (der im Nachlassverfahren gesetzlich überhaupt nicht vorgesehen ist) nicht genügt - da kein gesetzlicher Vertreter - sondern zusätzlich ein "Ergänzungsnachlasspfleger" für die unbekannten Erben bestellt werden muss, um die Rechte der unbekannten Erben (z.B. Anhörung, Rechtsmitteleinlegung) im Genehmigungsverfahren zu wahren ?

  • Diese von Damrau (ZErb 2011, 176) vertretene Ansicht könnte durch die aktuelle Entscheidung des BGH, wonach der Verfahrenspfleger nicht gesetzlicher Vertreter ist (BGH, Beschl. v. 22.08.2012, Az. XII ZB 474/11), durchaus neue Nahrung erhalten. Die Folgen wären natürlich katastrophal, weil dann in allen bisherigen Genehmigungsverfahren im Rechssinne eine völlige Nichtbeteiligung der unbekannten Erben vorläge.

  • Diese von Damrau (ZErb 2011, 176) vertretene Ansicht könnte durch die aktuelle Entscheidung des BGH, wonach der Verfahrenspfleger nicht gesetzlicher Vertreter ist (BGH, Beschl. v. 22.08.2012, Az. XII ZB 474/11), durchaus neue Nahrung erhalten. Die Folgen wären natürlich katastrophal, weil dann in allen bisherigen Genehmigungsverfahren im Rechssinne eine völlige Nichtbeteiligung der unbekannten Erben vorläge.


    sind denn die meisten Kollegen in der Praxis jetzt dazu übergegangen, ihn "Ergänzungsnachlaßpfleger" zu schimpfen ?
    Das wäre mal ne Umfrage hier im Forum wert.

  • Hilfe! Ich hatte mich jetzt dazu durchgerungen, einen Verfahrenspfleger zu bestellen und P nicht zu beteiligen. Aber es spricht schon einiges dafür, dass das tatsächlich nicht ausreicht und einen Nachlassergänzungspfleger oder wie immer man ihn nennt, zu bestellen. Deshalb wäre ich auch für den Meinungsstand dankbar:
    Weiter wie bisher und Verfahrenpfleger oder Nachlassergänzungspfleger?
    Danke.

  • Dass der Verfahrenspfleger die Rechte des Betroffenen (im entschiedenen Fall: einen Betreuten) in dem Verfahren wahrnehmen kann, für das er bestellt wurde, hat der BGH in seiner zitierten Entscheidung nicht in Frage gestellt. Der Verfahrenspfleger hatte darüber hinaus aber auch noch den materiellrechtlichen Einwand der Verjährung gegenüber dem Anspruchsgläubiger erhoben. Das kann aber natürlich nur ein gesetzlicher Vertreter.

    Ich bin daher nach wie vor der Ansicht, dass für Anhörungszwecke im Genehmigungsverfahren eine Verfahrenspfleger ausreichend ist. Diese Auffassung werde ich auch in meinem in Heft 12/2012 im Rpfleger erscheinenden turnusmäßigen erbrechtlichen Übersichtsaufsatz vertreten. Die BGH-Entscheidung konnte dabei aus terminlichen Gründen zwar nicht mehr berücksichtigt werden. Sie ändert aber aus den genannten Gründen nichts im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung der Problematik.

  • Das sehe ich auch so wie Cromwell. Zumal ein "Nachlassergänzungspfleger" - oder wie auch immer man ihn nennen will - dann ja auch materiellrechtliche Befugnisse hätte, die aber beim eigentlichen Nachlasspfleger bleiben sollen und daher im Verfahren über die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts auch gar nicht benötigt werden. Die Kompetenzen eines Verfahrenspflegers im Genehmigungsverfahren (rechtliches Gehör für die Erben und Zustellungsvertreter gem. § 41 III FamFG) reichen m. E. völlig aus.

  • Leipold (a.a.O.) meint, die unbekannten Erben müssten im Genehmigungsverfahren überhaupt nicht mittels eines eigenen und eigens zu bestellenden Repräsentanten beteiligt werden, weil der Nachlasspfleger deren Rechte wahrnehme. Das widerspricht aber natürlich allem, was das BVerfG zu dieser Frage entschieden hat, da der Nachlasspfleger nicht Richter in eigener Sache sein kann, indem er das von ihm selbst vorgenommene Rechtsgeschäft zugleich für die unbekannten Erben im Genehmigungsverfahren rechtlich beurteilt. Im Ergebnis kehrt Leipold somit zu dem Rechtszustand zurück, den das BVerfG samt der entsprechenden früheren nachlassgerichtlichen Praxis explizit verworfen hat. Es vermag sich mir nicht zu erschließen, was daran "überzeugend" sein soll.

    Ich werde in meinem Erbrechtsübersichtsaufsatz in Heft 12/2012 des Rpfleger auch zur Frage der Vertretung der unbekannten Erben im Genehmigungsverfahren Stellung nehmen.

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