Ausschlagungen, so dass ein Kind erbt?

  • Hallo zusammen,

    ich habe folgende Frage:

    Der Vater hat die alleinige Sorge für mehrere Minderjährige Kinder.
    Er erbt nach seiner Mutter als Alleinerbe und schlägt aus. Ferner schlägt er für alle seiner Kinder - bis auf eins - aus. Das eine Kind soll allein erben.

    Grundsätzlich sind die Ausschlagungen ja nach §1642 II BGB nicht genehmigungsbedürftig, da die Erbschaft nur aufgrund seiner Ausschlagung angefallen ist und er nicht neben den Kindern berufen war.
    Aber das ganze kommt mir doch etwas komisch vor.
    Gibt es eine Vorschrift oder Entscheidung dazu, ob es möglich ist so gezielt auszuschlagen, dass ein Kind erbt und die anderen nicht?

    Vielen Dank und liebe Grüße

  • Wurde hier schon einmal - mit offenem Ergebnis - diskutiert.

    Leider wurden Fundstellen damals nicht geliefert.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • In dem Fall der sog. selektiven Erbausschlagung wird inzwischen eine Genehmigungspflicht angenommen , in dem man den § 1643 II BGB nach Sinn u. Zweck auslegt.

  • Die Entscheidung des KG schien mir zunächst ganz auf "meiner Linie" zu liegen; bis ich die Anmerkungen von Litzenburger und den Aufsatz von Sagmeister (KG, ZEV2012, 332 mit Anm. Litzenburger; Sagmeister, ZEV 2012, 121 ff..) las. Beide haben mich davon überzeugt, dass keine Genehmigung für eine selektive Ausschlagung erforderlich ist, wenn sonst eine Ausnahme nach § 1643 II 2 vorläge, weil die Eltern das gleiche Ziel (nämlich Begünstigung eines Kindes - aber nicht aller Kinder) auch dadurch erreichen könnten, dass sie selbst die Erbschaft annehmen und damit nach Gutdünken verfahren (also z.B. alles nur einem Kind schenken und übereignen). Fazit: Ich folge der Auffassung des KG nicht (mehr).

  • Mich überzeugt nicht, dass Dich das überzeugt.

    Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob ein Elternteil etwas erwirbt und das Erworbene dann einem seiner Kinder rechtsgeschäftlich schenkungsweise zuwendet (mit allen pflichtteilsergänzungsrechtlichen Folgen im Verhältnis zu den anderen Kindern!) oder ob er Erbausschlagungen so steuert, dass das besagte Kind ohne eigenen Zwischenerwerb des Elternteils zum erbrechtlichen -zumindest aber zum pflichtteilsergänzungsrechtlichen- Nachteil der anderen Kinder direkt erwirbt.

    Ich war noch nie ein Freund der (Schein-)Argumentation, dass etwas zulässig sein müsse, weil das gleiche Ergebnis auch auf einem anderen Wege erreicht werden kann, weil die Zulässigkeit des einen Weges nichts über die Zulässigkeit des anderen besagt. Genauso wenig kann man behaupten, dass ein Weg unzulässig sei, weil auch ein anderer unzulässig sei, obwohl er zum gleichen Ergebnis führt.

  • Das kann man wohl so sehen, obwohl ich eine Scheinargumentation angesichts der Frage, um die es hier geht, nicht erkennen kann. Es geht m.E. nämlich im Kern nicht darum, was wir für sinnvoller halten, sondern darum, ob eine Genehmigung verlangt werden kann, obwohl der Wortlaut des § 1643 II 2 diese Ausschlagung gerade eindeutig von der Genehmigungspflicht ausnimmt. Es besteht doch auch sonst Einvernehmen darüber, dass nicht jedes für das Kind bedeutsame und möglicherweise ungünstige Geschäft genehmigungspflichtig ist. Deshalb ist es m. E. durchaus nicht zu weit hergeholt, eine Genehmigungspflicht nicht zuletzt mit Hinweis auf die Möglichkeit, den Nachlass von vornherein durch eigene Annahme zu steuern, abzulehnen.

    Einmal editiert, zuletzt von Holzwürmchen (4. Juni 2013 um 17:16)

  • Die Entscheidung des KG schien mir zunächst ganz auf "meiner Linie" zu liegen; bis ich die Anmerkungen von Litzenburger und den Aufsatz von Sagmeister (KG, ZEV2012, 332 mit Anm. Litzenburger; Sagmeister, ZEV 2012, 121 ff..) las. Beide haben mich davon überzeugt, dass keine Genehmigung für eine selektive Ausschlagung erforderlich ist, wenn sonst eine Ausnahme nach § 1643 II 2 vorläge, weil die Eltern das gleiche Ziel (nämlich Begünstigung eines Kindes - aber nicht aller Kinder) auch dadurch erreichen könnten, dass sie selbst die Erbschaft annehmen und damit nach Gutdünken verfahren (also z.B. alles nur einem Kind schenken und übereignen). Fazit: Ich folge der Auffassung des KG nicht (mehr).

    Ich sehe das genauso wie du. Der Gesetzeswortlaut gibt eine solche Genehmigungspflicht einfach nicht her. Nach dem Sinn und Zweck einer Vorschrift fragt man eigentlich nur, wenn man Zweifel hat und auslegen muss. Keines der Kinder hat einen unmittelbaren Anspruch, diese hängt ausschließlich vom Verhalten des Elternteils ab. Er kann die Erbschaft auch annehmen und dann nur einigen seiner Kinder Zuwendungen machen, was sich vom Ergebnis her zur Fallkonstellation jedenfalls wirtschaftlich nicht viel unterscheidet. Und hier gäbe es auch keine Genehmigungstatbestände.
    Es ist mir manchmal nicht nachvollziehbar, wie einige Obergerichte trotz klarer gesetzlicher Regelung zu solchen Entscheidungen kommen. Da ist es zur Rechtsbeugung nicht mehr weit.

  • Ich war beim Thema Auslegung zwar meist Kreide holen, aber oder besser deswegen, verstehe ich das KG nicht.

    Der Gesetzgeber hat nach § 1643 Abs.2 S.1 BGB die Ausschlagung von Eltern grundsätzlich der Genehmigungspflicht unterworfen. Dies gilt nicht, wenn ... (S.2) greift, wie hier. Der Wortlaut ist eindeutig und klar und auf den Fall anzuwenden.

    Der BGH, z.B. II ZR 209/61; II ZR 144/68 hat in st. Rspr. entschieden, dass der Kreis der genehmigungsbefürftigen RG formal und nicht nach den Umständen des Einzelfall zu bestimmen ist. Eine analoge Anwendung scheidet aus.

    Das KG versucht nun, durch teleolog. Ausleg. nach Sinn und Zweck des Abs. 2 S. 2 ! den Kreis auf den Sachverhalt entsprechend anzuwenden. Aber genau das macht es gar nicht. Zu einer Genehm.pflicht nach Abs. 2 S. 1 kommt man erst, wenn S. 2 entsprechend tele. eingeschränkt ist, d.h. den Ausnahmetatbestand soweit zu verringern, dass dieser nicht mehr greift. Erst dann ! kommt man zu S. 1.

    Sinn und Zweck des S. 2 ! ist, Ausschlagungen in bestimmten Fällen aus Vereinfachungsgründen und Erleichterungsgründen ! von der Gen.pflicht auszunehmen. Das dahinter die Vermutung des Gesetzgebers steht, dass im Regelfall auch ein guter Grund hierfür seitens der Eltern vorhanden ist, hat nichts mit dem Zweck der Vorschrift zu tun, sondern ist lediglich die Darstellung der Motivation des Gesetzgebers, um überhaupt eine derartige Erleichterung zu schaffen. Zweck ist ausschließlich, dass es im Einzelfall nicht darauf ankommt, ob und was "gute Gründe" für die Ausschlagung sind, sondern diese RGe von vornherein von einer Genehm.pflicht auszunehmen.

    Das KG erweitert den Anwendungsbereich des Abs. 2 Satz 1, ohne S. 2 methodisch richtig einzuschränken.

    Es wird der Schutzzweck des S. 1 ! als Begründung angeführt, warum S.2 ! keine Anwendung finden soll. Mich überzeugt das nicht.

    Fängt man jetzt an, doch wieder nach der Motivation und den Rechtsfolgen zu fragen, ist der Zweck der Vereinfachung konterkariert. Dies widerspricht auch der Rechtsklarheit. Rechtsfolgen durch die Ausschlagung für ein Kind ergeben sich immer, d.h. irgendwem fällt die Erbschaft dadurch an. Ist es ein weiteres Kind, dann Genehmigungpflicht, jmd. anders, dann keine. Was passiert, wenn die Eltern sich hierüber nicht bewusst waren oder im Irrtum befanden?

    Nach m.A. muss im Zeitpunkt der Ausschlagung klar sein, ist eine Genehm. erforderlich oder nicht. Es kann doch nicht sein, die Genehm.pflicht rückwirkend ! davon abhängig zu machen, was später passiert oder welche innere ! Einstellung oder Kenntnisse über Rechtsfolgen die Eltern haben.

    Klar ist doch auch, dass es dem Gesetzgeber bewusst war, dass seine Vermutung nicht immer greift und es Einzelfälle gibt, die dem entgegenstehen. Gleichwohl hat er nichts im Gesetzestext normiert.

    Klar ist weiter, dass es vernünftige Motive bei der selekt. Ausschlagung geben kann, z.B. weil das Kind, für das ausgeschlagen wird, ohnehin nichts davon hätte, weil es staatl. Leistungen verliert und das andere nicht.

    U.a. hat das OLG Köln, 26.04.2012, II-12 UF 10/12 entschieden, dass die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft im Fall des S. 2 genehm.frei bleibt.

    Die (willkürliche) Unterscheidung selekt. und werthalt. Ausschlagung findet im Gesetz keine Stütze, nicht einmal einen Anhaltspunkt.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • :daumenrau
    Woanders nennt man das wohl Rechtsfortbildung.
    Schätze mal , dass sich da ein Kammervorsitzender ( oder dessen Berichterstatter ;)) profilirren wollte.

  • Es gibt allerdings auch andere Fälle, bei welchen die Rechtsprechung den Schutzcharakter der Norm in den Vordergrund stellt, ohne dass dies im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck käme, so etwa, wenn ein testamentarisch berufener Elternteil für sich und sein als Ersatzerbe berufenes Kind ausschlägt, um die Erbschaft sodann als gesetzlicher Erbe anzunehmen.

    Wer so argumentiert wie meine Vorredner, muss jede aus dem Schutzzweck der Norm generierte Ausnahme von der Gegenausnahme rundheraus ablehnen.

    Wenn es strikt nach dem Wortlaut von Normen ginge, wäre die Rechtsprechung des BGH zur GbR-Erwerbsfrage -mit den Worten von Andy.K- wohl auch nicht weit von der Rechtsbeugung entfernt. Wobei man allerdings immer berücksichtigen muss, dass rechtliches Unwissen meist den hierfür erforderlichen Vorsatz ausschließt.

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