Erbausschlagung und § 1829 BGB

  • In Heft 12/2013 des Rpfleger wird eine Abhandlung von Dr. Jörg Mayer (Notar, Simbach/Inn) erscheinen, der sich unter dem Titel "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" mit der Hemmung der Ausschlagungsfrist bei gerichtlich genehmigungsbedürftiger Erbausschlagung unter Geltung des FamFG beschäftigt.

    Dabei nimmt Mayer auch zu der wiederholt im Forum kontrovers erörterten Frage Stellung, ob von der gerichtlichen Genehmigung der Erbausschlagung vom gesetzlichen Vertreter i.S. des § 1829 BGB Gebrauch gemacht werden muss. Mayer bejaht dies zutreffend mit dem Hinweis auf das tragende Prinzip des Familien-, Vormundschafts- und Betreuungsrechts, wonach das Wirksamwerden genehmigter Rechtsgeschäfte immer erst noch von dem Gebrauchmachen des (rechtskräftigen) Genehmigungsbeschlusses durch den gesetzlichen Vertreter abhängt und dass dieses Prinzip daher ungeachtet dessen Platz greift, ob es sich bei dem genehmigten Rechtsgeschäft um einen Vertrag oder um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt.

    Die gegenteilige Ansicht des LG Berlin (Beschluss vom 11.07.2006, Az. 83 T 572/05) und von Sonnenfeld/Zorn (Rpfleger 2004. 533, 537) wird von Mayer daher konsequenterweise abgelehnt.

    Dies deckt sich mit meiner Rechtsauffassung.

  • Ich habe gerade einen Erbscheinsantrag mit dieser Problematik auf dem Tisch. Die Betreuerin hat seiner Zeit die Genehmigung des Betreuungsgerichts für die Anfechtung der Fristversäumnis - trotz ausdrücklichen Hinweises des Nachlass - und des Betreuungsgerichtes nicht innerhalb der Frist bei dem Nachlassgericht eingereicht. Nunmehr beantragt ein Erbe der zweiten Ordnung die Erteilung eines Erbscheins und meint, dass die Genehmigung bereits mit der Erteilung wirksam ist. Der Fall war weit vor dem FamFG im Jahr 2000. Es wird dazu auf die Meinung von Sonnenfeld/Zorn verwiesen. Gibt es aktuelle Rechtssprechung dazu ? Ist Jemand etwas bekannt ? Ich habe die Absicht, den Antrag unter Hinweis auf die Rechtssprechung zurückzuweisen. Dann kann Rechtsmittel eingelegt werden. Aber vorher müsste ich was über die aktuelle Rechtssprechung recherchieren. Wäre sehr froh über Hilfe.

  • Das OLG Koblenz hat nunmehr entschieden, dass von der familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung i. S. des § 1829 Abs. 1 S. 2 BGB Gebrauch gemacht werden muss, um die Erbausschlagung wirksam werden zu lassen.

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post930174

    Damit kann die abweichende Ansicht des LG Berlin und einiger Autoren in der gerichtlichen Praxis wohl nicht mehr guten Gewissens vertreten werden.

  • Gut zu wissen;:daumenrau
    Das wird unsereiner demnächst einem der benamsten Autoren an geeigneter Stelle entgegenhalten ( können ) .

  • @Steinkauz:

    Du kommst zum Nachlasspflegschaftstag? :D

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Nö, das nicht gerade......
    Die geeignete Stelle befindet sich aber in einer Kleinstadt mit eigenem Schloss und fängt mit S an.;)


  • Damit kann die abweichende Ansicht des LG Berlin und einiger Autoren in der gerichtlichen Praxis wohl nicht mehr guten Gewissens vertreten werden.


    Warum sollte man eine Ansicht nicht mehr guten Gewissens vertreten können nur weil ein anderes Gericht anders entschieden hat? Wenn du danach gehst, kannst du ja kaum guten Gewissens entscheiden.:gruebel:

    Nicht falsch verstehen, ich bin handhabe das in den Akten auch dergestalt, dass man Gebrauch machen muss von der Genehmigung zumindest dahingehend die Mitteilung. Allerdings kann ich auch die andere Meinung gut nachvollziehen und nur weil es zu einem streitigen Thema mehrere verschiedene Entscheidungen gibt wird eine Ansicht nicht unrichtiger.

  • Bei mir rennst Du mit Deiner Ansicht bekanntlich offene Türen ein.

    Die vorliegende Frage ist im Forum allerdings schon vielfach diskutiert worden und dort ging es stets auch um haftungsrechtliche Fragen. Und wenn man sich vor Augen hält, dass Erbausschlagungen nach der - unterstellt unrichtigen - Mindermeinung wirksam sind, obwohl sie in Wahrheit nach der - unterstellt zutreffenden - herrschenden Ansicht unwirksam bleiben, liegt die haftungsrechtliche Komponente klar zu Tage. Dies meinte ich, als sich schrieb, dass die besagte Mindermeinung nunmehr "wohl nicht mehr guten Gewissens vertreten werden" kann.

    Im Übrigen hat man es in diesem Forum schon gefühlte tausend Mal erlebt, dass Kollegen dem BGH hinterher laufen, auch wenn die betreffende Entscheidung offensichtlich falsch ist und von den Kollegen auch für falsch gehalten wird. Gleichwohl wird gegenteilig verfahren, "nur weil ein anderes Gericht anders entschieden hat".

    Um nicht missverstanden zu werden: Eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH kann befriedende Wirkung im Sinne einer künftig einheitlichen gerichtlichen Verfahrensweise haben, wenn es um Rechtsfragen geht, die man in der Tat so oder anders beantworten kann. Wenn solche höchstrichterlichen Entscheidung aber - wie etwa bei der GbR - ganz offensichtlich nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehen, besteht diese "befriedende" Wirkung nur noch darin, dass die Richter und Rechtspfleger die Sicherheit erlangen, für kollektiv begangene Gesetzesverstöße nicht mehr haftungsrechtlich belangt werden zu können. Auf eine derart verstandene "befriedende" Wirkung könnte man sicher gut verzichten, weil sie in Wahrheit den fortgesetzten Rechtsbruch hoffähig macht, ohne den bei der GbR grundbuchrechtlich nichts mehr funktionieren würde. Das Interesse am (lediglich scheinbaren) Funktionieren eines Systems darf nicht über das geltende Recht gestellt werden.

  • Das OLG Koblenz hat nunmehr entschieden, dass von der familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung i. S. des § 1829 Abs. 1 S. 2 BGB Gebrauch gemacht werden muss, um die Erbausschlagung wirksam werden zu lassen.

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post930174

    Damit kann die abweichende Ansicht des LG Berlin und einiger Autoren in der gerichtlichen Praxis wohl nicht mehr guten Gewissens vertreten werden.

    Die Entscheidung nimmt zu der Frage, ob man Gebrauch machen muss nicht explizit Stellung; das OLG hängt sich halt hier ganz pragmatisch an die vorinstanzliche Entscheidung an. Außerdem ging es hier um das Beschwerderecht in der familiengerichtlichen Angelegenheit und nicht um nachlassrechtliche Fragen. Es wird auch kein Wort dazu verloren, ob man nicht vielleicht auch dergestalt "Gebrauch machen" kann, dass man das Familiengericht bei Beantragung der Genehmigung mit der Übersendung des rechtkräftigen Beschlusses an das Nachlassgericht beauftragt.
    Ach ja, das Gericht ist übrigens der Ansicht, dass man, falls die Ausschlagung schon erklärt und dann die Genehmigung beantragt wurde (was wohl immer so sein dürfte...), man sicherheitshalber noch einmal ausschlagen sollte!
    Wer also diese Entscheidung für furchtbar toll hält, kann den ausschlagenden Elternteil schon mal mit der Genehmigung persönlich zur erneuten Ausschlagung antanzen lassen.
    Am besten gefällt mir der Rat zum Schluss: Nehmen Sie sich einen Anwalt...:D

  • Das ist eine sehr eigenwillige Interpretation der vorliegenden Entscheidung.

    Das Beschwerderecht der Mutter wurde ja gerade deshalb verneint, weil sie von der Genehmigung keinen Gebrauch i. S. des § 1829 BGB machen müsse und deshalb nicht beschwert sei. Diese Argumentation setzt begrifflich voraus, dass die Gebrauchmachung der Genehmigung erforderlich ist, um die Erbausschlagung wirksam zu machen.

    Wie man so tun kann, als sei diese Frage in der Entscheidung nicht erörtert worden, bleibt demzufolge unerfindlich.

    In der Entscheidung heißt es wörtlich (Hervorhebung in Fettdruck durch mich):

    Vielmehr steht es dem Sorgerechtsinhaber nach §§ 1643 Abs. 3, 1829 Abs. 1 Satz 2, 1831 BGB frei, ob er von der Genehmigung gegenüber dem Nachlassgericht Gebrauch macht oder nicht.
    ...
    Der Senat weist die Kindesmutter noch vorsorglich darauf hin, dass - wie bereits ausgeführt - die Erbausschlagung nicht bereits mit Rechtskraft der erteilten familiengerichtlichen Genehmigung wirksam wird. Vielmehr muss die Kindesmutter, sofern sie die Erbschaft für ihr Kind ausschlagen will, die familiengerichtliche Genehmigung - ratsam unter gleichzeitiger Vorlage des rechtkräftigen Beschlusses vom 23.01.2013, §§ 1643 Abs. 3, 1831 Satz 2 BGB - gegenüber dem Nachlassgericht mitteilen und diesem gegenüber auch die Erbausschlagung erklären.

  • Das ist eine sehr eigenwillige Interpretation der vorliegenden Entscheidung.

    Na wenn Du das nur sehr eigenwillig nennst, dann nenne ich das mal abwegige Interpretation.
    Die Entscheidung lässt da m.E. keinen großen Spielraum am Herummäkeln zu.


  • ...
    Na wenn Du das nur sehr eigenwillig nennst, dann nenne ich das mal abwegige Interpretation.
    Die Entscheidung lässt da m.E. keinen großen Spielraum am Herummäkeln zu.

    Damit sind wir wieder beim Thema, Entscheidungen, die die eigene Ansicht stützen, toll zu finden, während man die, die eine andere Ansicht haben, als rechtswidrig abtut...
    Noch einmal: Im vorliegenden Fall lag die familiengerichtliche Genehmigung dem Nachlassgericht nicht vor und wäre von der Mutter vorzulegen gewesen. Der Fall, dass die Mutter z.B. bei Ausschlagung schon beantragt hätte, dass das Familiengericht die rechtskräftige Genehmigung direkt an das Nachlassgericht leitet, wurde hier eben gar nicht behandelt.
    Und nun nochmal die Frage: Wenn die Entscheidung schon so wegweisend ist, lasst Ihr die Eltern dann noch einmal bei Vorlage der Genehmigung ausschlagen oder pickt Ihr euch nur die Rosinen aus der Entscheidung...?

  • Es geht nicht um Rosinenpickereien, sondern darum, dass Du die Entscheidung (a) inhaltlich unrichtig wiedergibst und sie (b) zudem in einen nicht relevanten rechtlichen Kontext stellst.

    Im Einzelnen:

    Die schon wiederholt im Forum diskutierte Streitfrage geht nicht darum, ob das Familiengericht die rechtskräftige Genehmigung aufgrund Weisung der Mutter an das Nachlassgericht - mit der Folge des Wirksamwerdens der Ausschlagung - weiterleiten kann, sondern darum, ob bei Erbausschlagungen überhaupt i. S. des § 1829 BGB von der Genehmigung Gebrauch gemacht werden muss - ganz gleich, auf welchem Weg dies erfolgen könnte.

    In diesem Punkt ist die Entscheidung völlig klar: Der gesetzliche Vertreter muss i. S. des § 1829 BGB von der (rechtskräftigen) Genehmigung im Verhältnis zum Nachlassgericht Gebrauch machen. Tut er dies nicht (innerhalb der Ausschlagungsfrist), kann die Erbausschlagung nicht wirksam werden.

    Im Weiteren spricht das OLG Koblenz dann konsequenterweise - ebenfalls völlig klar - aus, dass die Mutter von der Erteilung der Genehmigung nicht beschwert sein kann, weil sie es aufgrund des Erfordernisses der Gebrauchmachung i. S. des § 1829 BGB ohnehin selbst in der Hand hat, ob sie der Erbausschlagung zur Wirksamkeit verhilft oder nicht.

    Der einzige Punkt, den das OLG offenlässt, ist somit die Frage, ob derjenige, der schon ohne Genehmigung ausgeschlagen hat, nach Erteilung dieser Genehmigung nochmals ausschlagen muss. Diese Frage ist nach einhelliger Rechtsauffassung im Anwendungsbereich des § 1831 BGB zu verneinen und das OLG hat dazu auch die betreffende Reichsgerichtsentscheidung zitiert.

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