Mehrere Nießbräuche und Vormerkungen

  • Liebe Kollegen,
    mich beschäftigt folgender Fall:
    Vater A und Mutter B sind Eigentümer eines Wohnungseigentums zu je 1/2. Sie übertragen ihre jeweiligen Anteile auf ihre Tochter.
    1. Jeder Veräußerer behält sich auf Lebenszeit ein Nießbrauchsrecht am jeweils veräußerten Anteil vor. Beide Rechte sollen im Gleichrang an 1. Rangstelle stehen.

    2. Aufschiebend bedingt durch das Ableben des A wird an seinem hälftigen MEA die Eintragung eines Nießbrauchs für die B bewilligt. Aufschiebend bedingt durch das Ableben der B wird an deren hälftigen MEA ein Nießbrauch für den A bestellt. Beide Rechte sollen Rang nach 1. haben und untereinander gleichrangig sein.

    3. Im Range danach sollen 2 Rückauflassungsvormerkungen zugunsten des jeweiligen Veräußerers eingetragen werden - lastend am gesamten Wohnungseigentum und untereinander im Gleichrang.

    Die Bewilligungen wurden bereits mehrfach geändert, die Sache wird dadurch langsam unübersichtlich. Der oben dargestellte Sachstand ist der jetzt aktuelle. Meine Fragen:


    Werden die Nießbrauchsrechte zu 1. jeweils "nur lastend an 1/2 MEA" eingetragen?
    Geht ein Gleichrang dieser beiden Rechte überhaupt, wenn sie denn nur an verschiedenen MEAen lasten?

    Vielen Dank für ein bißchen Aufklärung.

  • Ich vermute mal, dass in Deinem Fall die Eintragung der Nießbrauchsrechte noch von den Veräußerern (oder von allen Beteiligten) zur Eintragung bewilligt wurde. In diesem Fall trage ich vor Umschreibung des jeweiligen Miteigentums die Nießbrauchsrechte auf die MEA ein. Ein Gleichrangsvermerk kommt nicht in Betracht, da es sich um verschiedene Objekte handelt. Nachfolgend trage ich die Erwerberin mit ihrem Alleineigentum vor und trage sodann (hier kommt wegen des Umstands, dass Anspruchsschuldner und Eigentümer identisch sein müssen, nur die Eintragungsbewilligung der Erwerberin in Betracht) die Rückauflassungsvormerkungen für beide Veräußerer im Gleichrang ein.

    Zu dieser Vorgehensweise habe ich an anderer Stelle ausgeführt:

    „Ich denke mal, es wird wohl so sein, dass der Nießbrauch noch auf Bewilligung der Veräußerin (= also zunächst als Eigentümernießbrauch) einzutragen war, während die Eintragung der Rückerwerbsvormerkung wegen der Identität von Schuldner des gesicherten Anspruchs und Eigentümer des Belastungsobjekts die Umschreibung des Eigentums vorausgesetzt hat. In solchen Fällen besteht die „vermisste“ Rangbestimmung darin, dass die eine Eintragung (Nießbrauch) noch vor Eigentumswechsel, die andere (Vormerkung) jedoch erst nach Eigentumswechsel vorgenommen werden kann. Der Nießbrauch hat dann „automatisch“ Rang vor der Rück-AV (s. OLG Nürnberg, DNotZ 1967, 761, BGH, DNotZ 1971, 411), ohne dass dazu in der Urkunde eine Bestimmung getroffen oder der Notar zur Abgabe einer Rangbestimmung ermächtigt sein müsste.“

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für deine Antwort!

    Der Notar beharrt auf dem Gleichrang der Nießbrauchrechte zu 1. und verweist auf einen Aufsatz von Böttcher (NJW 2013, 2805 ff). Aus diesem ergibt sich zwar, dass mehrere Nießbrauchrechte nebeneinander im Gleichrang bestellt werden können, aber eben an einem Grundstück.

  • Vielen Dank für deine Antwort!

    Der Notar beharrt auf dem Gleichrang der Nießbrauchrechte zu 1. und verweist auf einen Aufsatz von Böttcher (NJW 2013, 2805 ff). Aus diesem ergibt sich zwar, dass mehrere Nießbrauchrechte nebeneinander im Gleichrang bestellt werden können, aber eben an einem Grundstück.

    So ist es.

    Aus: Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2012, Autor: Hans-Dieter Kutter, § 879 RN 6:

    a) In einem Rangverhältnis stehen nur Rechte an demselben Grundstück oder demselben Miteigentumsbruchteil, Rechte an verschiedenen Miteigentumsbruchteilen stehen nicht in einem Rangverhältnis zueinander (KGJ 52, 213; LG München I MittBayNot 2003, 492; BGB-RGRK/Augustin Rn 8).

    Meiner Erinnerung nach habe ich in der Rechtsprechungsübersicht vor ca. 3 Monaten auch eine dementsprechende OLG-Entscheidung eingestellt.

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  • Vermutlich hat der Kollege übersehen, dass zwar nach der Übertragung es nur noch ein Grundstück gibt, der Nießbrauch aber an den MEA der Veräußerer eingetragen wird, bevor die Eigentumsumschreibung erfolgt. Würde er erst danach eingetragen, gingen nur noch zwei Quotennießbräuche (und zwei aufschiebend bedingte Quotennießbräuche), diese dann jeweils unter sich im Gleichrang.
    Vielleicht ist ja letzteres gemeint :strecker

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Es ist zumindest in einem Antrag formuliert,
    1. die Eigentumsumschreibung
    2. die Nießbrauchsrechte im gleichen Rang
    3. danach die aufsch. bed. Nießbrauchsrechte im gleichen Rang
    4. danach die Vormerkungen.

    Wie würde denn so ein Quotennießbrauch formuliert werden?

  • 1. Nießbrauch an einem Anteil zu 1/2 für A
    2. Nießbrauch an einem Anteil zu 1/2 für B
    3. Aufschiebend bedingter Nießbrauch an einem Anteil zu 1/2 für A
    4. Aufschiebend bedingter Nießbrauch an einem Anteil zu 1/2 für B
    5. Rückauflassungsvormerkung bezüglich eines Anteils zu 1/2 für A; Gleichrang mit II/6
    6. Rückauflassungsvormerkung bezüglich eines Anteils zu 1/2 für B; Gleichrang mit II/5

    Nur die Rechte 5. und 6. lasten an der ganzen Wohnung. Insoweit bedarf es daher eines Rangvermerks.

  • Wie würde denn so ein Quotennießbrauch formuliert werden?


    Im Antrag schon :teufel:

    Aber es müßte dann auch ein Quotennießbrauch bewilligt sein. Das ist keine gute Idee, denn gemeint sind (in der Regel aus schenkungssteuerrechtlichen Gründen) Vorbehaltsnießbräuche ("Der Veräußerer behält sich am Vertragsgegenstand ...vor").

    Vorzugsweise wäre zu beantragen
    1. Eintragung der Vorbehaltsnießbräuche (rangbereit :strecker) am MEA des jeweiligen Veräußerers zu dessen Gunsten
    2. Im Rang danach: Eintragung der bedingten Zuwendungsnießbräuche zugunsten des anderen Veräußerers
    3. Eintragung des Eigentumswechsels
    4. Eintragung der Rück-AVen (untereinander im Gleichrang - hätte man sich sparen können mit Anspruch auf Rückübertragung zu je 1/2 MEA, nach Tod eines V an den Längerlebenden allein; Vormerkung als Gesamtberechtigte, für Längerlebenden allein)

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  • 1. Nießbrauch an einem Anteil zu 1/2 für A 2. Nießbrauch an einem Anteil zu 1/2 für B 3. Aufschiebend bedingter Nießbrauch an einem Anteil zu 1/2 für A 4. Aufschiebend bedingter Nießbrauch an einem Anteil zu 1/2 für B 5. Rückauflassungsvormerkung bezüglich eines Anteils zu 1/2 für A; Gleichrang mit II/6 6. Rückauflassungsvormerkung bezüglich eines Anteils zu 1/2 für B; Gleichrang mit II/5 Nur die Rechte 5. und 6. lasten an der ganzen Wohnung. Insoweit bedarf es daher eines Rangvermerks.


    Wenn die Nießbrauchsrechte noch von den bisherigen Eigentümer bestellt werden und diese - eine logische Sekunde vor dem Eigentumswechsel eingetragen werden, müsste der konkrete Miteigentumsanteil Lfd. Nr. der I.Abteilung genannt werden, und nicht einfach zu 1/2 Anteile

  • Wenn sich jeder der beiden je hälftigen Miteigentümer an seinem MEA den Nießbrauch vorbehält, dann ist der jeweils zu belastende Anteil konkret bezeichnet.

    Schon.:gruebel: Aber wenn die Veräußerer sich den Nießbrauch vorbehalten, kann das ja trotzdem bedeuten, dass er erst vom Erwerber bestellt wird. Je nachdem ist Belastungsgegenstand entweder der oder ein halber Anteil.

  • Und hier ist es wie folgt formuliert:

    "Jeder Veräußerer behält sich auf seine Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchrecht am jeweils veräußerten hälftigen Miteigentum vor. Die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch wird bewilligt und beantragt." Also wohl von den Veräußerern (oder allen Beteiligten).

  • Wenn man die Bewilligung den Veräußerern zuschreibt, dann ist Belastungsgegenstand der veräußerte Anteil. Die Auslegung stößt allerdings an Grenzen, wenn es bei der Vormerkung ebenso formuliert ist (s. #3). Für die Eintragung ist es zwar von Bedeutung, was Belastungsgegenstand ist. Wegen der Folgen wird es m.E. dagegen unerheblich sein. Mit der Veräußerung beider Anteile an den Erwerber bestehen diese nicht mehr fort. Da es beim Nießbrauch keinen § 1114 BGB gibt, besteht insoweit auch kein Grund, einen Fortbestand zu fingieren. Belastet ist künftig in jedem Fall jeweils ein halber Anteil. Ich würde mir den Belastungsgegenstand noch feststellen lassen.

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