Erbeinsetzung, wenn einziger Nachlassgegenstand verkauft ist.

  • Erblasserin ist die Letztversterbende . Laut Ehegattentestament von 1996 war sie - wie üblich - nach dem vorverst. Ehemann Alleinerbin.
    Es gibt insgesamt vier eheliche Kinder.
    Für den Schlusserbfall enthält das o.g. Testament die folgenden ( abgekürzt wiedergegebenen ) Bestimmungen :

    1.) Wir bestimmen , dass unsere Tochter X das Haus bekommen soll.
    2.) Sie übernimmt , sofern noch vorhanden, die Schulden
    3.) Sie muss an ihre Geschwister jeweils 7.000,00 DM auszahlen.

    Nach diesen Bestimmungen werden im Testament die einzelnen Geschwister mit Personendaten aufgeführt und abschließend folgendes bestimmt :

    4.)Sollte eines unserer Kinder nicht damit einverstanden sein, so soll es von seinem Erbteil ausgeschlossen werden.

    DieTochter strengt nun in einem mitgeteilten "Terminwunsch" einen Alleinerbschein für sich an.
    Gleichzeitig legt sie schriftliche Bestätigungen von einem Teil der Geschwister vor, dass es sich bei dem Wohnhaus zu dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung um den einzigen Nachlassgegenstand handelte.
    Außerdem wird mitgeteilt, dass sich das Wohnhaus nicht mehr im Nachlass befindet , weil die Erblasserin das Haus für anstehende Heimunterbringungskosten verkaufen musste.
    In dem Nachlass befinde sich nur noch der nicht verbrauchte Kaufpreis ( als Surrogat ).

    Aus dem Sachverhalt ergeben sich zwei Probleme :

    1.) Surrogat

    Wenn man im Rahmen der Auslegung über § 2087 BGB zu dem Ergebnis kommt , dass die Tochter X durch Zuwendung des einzigen Nachlassgegenstandes Alleinerbin geworden ist, gilt dies auch für den Ersatz des untergegangenen Nachlassgegenstandes ( hier restl. Kaufpreiserlös ) ?
    M.E. spricht einiges für die Annahme einer Alleinerbschaft , falls das Haus noch vorhanden wäre, weil die Tochter ggf. Schulden übernehmen und die Geschwister abfinden muss.
    Damit könnte m.E. im Testament der Eltern ausreichend zum Ausdruck gebracht geworden sein, dass die Tochter als Zuwendungsempfänger zur Gesamtnachfolge berufen werden sollte und damit die wirtschaftliche Stellung beider Erblasser fortsetzt ( Staudinger , BGB Anm. II zu § 2087 BGB ).

    2.) Enterbungsklausel s.o. 4

    Dem wiederum steht die oben genannte Klausel entgegen , dass die Geschwister bei "Nichteinverständnis" von der Erbfolge ausgeschlossen werden.
    Wenn die Eltern gewollt hätten , dass die Tochter X mit der Zuwendung des Wohnhauses im Schlusserbfall Alleinerbin wird, dann hätte es doch einer gesonderten Enterbung der Geschwister nicht bedurft ?

    Handelt es sich bei der Zuwendung des Wohnhauses also doch ( nur ) um ein Vorausvermächtnis für X bei - ansonsten - gesetzlicher Erbfolge ?
    Schließlich ist die Auslegung als Vermächtnis auch möglich , wenn es sich bei dem Nachlassgegenstand um das gesamte Nachlassvermögen handelt ( BayObLG FamRZ1995,835 ff. )

    Allerdings besteht auch hier das Folgeproblem , dass das Haus auch als Vermächtnis nicht mehr vorhanden ist, wegen dessen Verkauf.
    Die X wäre also nur Vermächtnisnehmerin, wenn das Haus auch für den Fall zugewendet sein soll, dass es nicht mehr zur Erbschaft gehört ( Verschaffungsvermächtnis §§ 2169 I , 2170 BGB ).
    Da die ( dann gesetzlichen ) Erben wegen des Verkaufs zur Beschaffung nicht mehr in der Lage sind ; wäre der noch vorhandene Kaufpreiserlös dann der Wertersatz § 2170 II BGB ?

    Bin mir unsicher , wie hier zwischen Alleinerbschaft und Vorausvermächtnis abzugrenzen wäre und hoffe auf Hilfe.

  • Es spricht m.E. viel für gesetzliche Erbfolge.

    Zu einem Verschaffungsvermächtnis kommt man sicher nicht. auch ein Vorausvermächtnis schließe ich nach dem bisherigen Sachverhalt aus.


    Wie waren denn die Wert bei Testamentserrichtung? Hausgrundstück, abzüglich Schulden im Vergleich zu den 3 x 7000DM für die übrigen Kinder.

  • Wenn man zu einem Vermächtnisanordnung nicht kommen mag , dann kann ich derzeit die gesetzliche Erbfolge nur aus der "Enterbungsklausel" s. o. Ziff. 4 ableiten.
    Wobei ich allerdings nur bedingte Erbeinsetzungen kenne, aber keine bedingten Enterbungen ( hier Nichteinverständnis mit der Zuwendung des Hauses an X ) .:gruebel:
    Möglicherweise war die Klausel nur als Appell der Eltern an die Geschwister der X gedacht , dass sie die Schlusserbeneinsetzung
    so akzeptieren.
    Aus der sonstigen Formulierung des Testamentes käme ich m.E. auf eine Alleinerbenstellung der Tochter X. Diese sollte eindeutig gegenüber den Geschwistern hervorgehoben werden.
    Nach den bisherigen Angaben war das Haus zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung der einzige Vermögenswert der Eltern . Genaue Angaben zum damaligen Wert habe ich nicht.

    Im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung könnte man durchaus zu dem Ergebnis kommen , dass die anderen Geschwister der X auch bei "untergegangenem" Haus nicht von dessen Ersatzwert profitieren sollen und sich mit der Ausgleichszahlung - nun aus dem Kaufpreiserlös - begnügen müssen.
    In diesem Kontext könnte die Klausel Ziff. 4 als eine entsprechende Andeutung der Erblasser verstanden werden.

    Klarstellend : Die Geschwister wurden noch nicht angehört, da die Terminierung für die Antragsaufnahme noch aussteht.
    Ich ziehe es jedoch vor, möglichst Anträge mit Erfolgsaussicht zu protokolieren und wäre mir gerne vor der Terminsbestimmung darüber im Klaren.

  • Du beachtest aber

    "4.)Sollte eines unserer Kinder nicht damit einverstanden sein, so soll es von seinem Erbteil ausgeschlossen werden."

    in deinen Überlegungen nicht. Die Eltern gingen davon aus, dass alle Kinder erben. Daher tendiere ich zu gesetzlicher Erbfolge. Die "Strafklausel" habe ich so öfter in privatschriftlichen Testamenten gesehen. Ich denke, sie hat hier keine Auswirkungen mehr, da das Haus nicht mehr im Nachlass ist und daher auch kein "Schutz" mehr erforderlich ist. Wie mit dem Restkaufpreis und sonstigen Nachlass umzugehen ist, entscheidet dann nicht das Nachlassgericht.

    Im Übrigen: Ohne Werte zum Zeitpunkt Testamentserrichtung und Restnachlass heute kann man m.E. keinen Erbscheinsantrag aufnehmen, weil wesentliche Punkte fehlen, die zur Entscheidung erforderlich sind. Also erst ermitteln und dann Termin vergeben.

  • Wenn ich zur gesetzlichen Erbfolge komme , interessiert mich der noch vorhandene Kaufpreiserlös in der Tat nicht.
    Wenn das Testament aber so "gemeint" war ( ergänzende Testamentsauslegung ) , dass die Tochter X anstelle des Hauses den Kaufpreis als Surrogat erhalten sollte , dann interessiert mich der schon.

    Warum soll eigentlich der jetzige Nachlassbestand zum Todestag der Erblasserin eine Rolle spielen ?
    Für die Motivationslage der beiden Testatoren ist m.E. das Nachlassvermögen bei Testamentserichtung maßgebend.
    Nach dem SV war das Haus damals nur der einzige Vermögensgegenstand .

  • Nach meiner Ansicht liegt es näher, die Tochter aufgrund des Surrogationsgedankens als Alleinerbin anzusehen.

    Ich hatte einmal einen ähnlichen Fall, als ein Vermächtnis bezüglich eines Sparkassenbriefs angeordet worden war, der Erblasser aber erst nach der Fälligkeit des Sparbriefs verstarb und er den Erlös nach erfolgter Fälligkeit in gleicher Höhe in einen zweiten Sparbrief investiert hatte, der dann beim Erbfall noch vorhanden war.

    War zwar nicht erbscheinsrelevant, aber hier wurde das Testament im Einverständnis mit den Erben so ausgelegt, dass die Vermächtnisanordnung auch das Surrogat erfasste.

  • Nach meiner Ansicht liegt es näher, die Tochter aufgrund des Surrogationsgedankens als Alleinerbin anzusehen.

    Und wie ordnest Du dann in dem Zusammenhang die "Enterbungsklausel" ( s. #1 Ziff. 4 ) ein ?



    Genau diese Klausel lässt für mich auch eher den Schluss zu, dass alle Kinder grundsätzlich zu gleichen Teilen Erben werden sollen. Ich sehe die „Tochter mit Haus“ nicht als Alleinerbin.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Nach meiner Ansicht liegt es näher, die Tochter aufgrund des Surrogationsgedankens als Alleinerbin anzusehen.

    Ich hatte einmal einen ähnlichen Fall, als ein Vermächtnis bezüglich eines Sparkassenbriefs angeordet worden war, der Erblasser aber erst nach der Fälligkeit des Sparbriefs verstarb und er den Erlös nach erfolgter Fälligkeit in gleicher Höhe in einen zweiten Sparbrief investiert hatte, der dann beim Erbfall noch vorhanden war.

    War zwar nicht erbscheinsrelevant, aber hier wurde das Testament im Einverständnis mit den Erben so ausgelegt, dass die Vermächtnisanordnung auch das Surrogat erfasste.


    Bei deinem Beispiel kann man zu diesem Ergebnis kommen. Hier handelt es sich aber um ein Haus. Man glaubt nicht, wie wichtig es vielen Erblassern ist, dass es in der Familie bleibt. Ich hatte schon viele Immobilienbesitzer, superreich wegen der Immobilie, aber wenig Geldmittel. Da kamen auch solche Vorstellungen, wie im Beispielsfall. Es ging nicht um die Begünstigung des Einen, nur um den Erhalt der Immobilie in der Familie und das auch noch im Jahr 2019. Die Ausgleichungsbeträge wurde so festgelegt, dass es der Übernehmer noch finanzieren kann. Bei der Beratung stellte sich stets heraus, dass der Begünstigte nicht der Liebling war, nur derjenige, der am ehesten die Abstandszahlungen leisten konnte.

    Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, dass keine Alleinerbschaft gewollt war. Das Hausgrundstück ist Vermächtnis, an allem anderen (es sind auch persönliche Gegenstände für Angehörige wertvoll) sollten alle beteiligt sein. Und die Erblasser wissen nicht, dass Alleinerbeinsetzung bei Immobilien günstiger und einfacher ist, daher konnte dies auch kein Motiv für eine Alleinerbschaft sein. Daher gesetzliche Erbfolge, ob das (Rest-)Surrogat der Tochter zusteht - ich tendiere zu "nein" - ist nicht Sache des Nachlassgerichts.

  • Ich bin auch der Meinung, dass hier von vorneherein nur ein Übernahmerecht vermacht war (Tochter bekommt - "im Voraus und außer Erbteil" - Immobilie, muß festgelegten Betrag bezahlen). Erben sind alle 4 Kinder zu unter sich gleichen Teilen.

    Ob das Surrogat ebenfalls vermacht ist, ist Auslegungsfrage. Und das ist für das Erbscheinsverfahren genauso egal wie die Frage, ob die Geschwister, wäre das Haus nicht verkauft worden, durch das vermachte Übernahmerecht unter den Pflichtteil gedrückt worden wären. Letzteres liegt bei einem Anteil von 7.500 Euro pro Kind - also einem zugrundegelegten Wert der Immobilie insgesamt von nur 7.500 x 8 = 60.000 Euro - nicht gerade fern (Folge: § 2318 BGB).

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!