§ 1836 Abs.2 BGB

  • Hallo,

    ein ehrenamtlicher Betreuer seiner Tochter möchte nach § 1836 Abs. 2 BGB eine Vergütung festgesetzt haben, um diesen Betrag dann bei der gegnerischen Versicherung geltend zu machen.
    Seine Tochter hatte vor fünf Jahren einen Unfall und ist nun ein Schwerstpflegefall; es liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, wonach die Versicherung für sämtliche Kosten aufkommen muss.

    Welche Stundensätze sind angemessen?
    Der Betreuer hat wohl 8 Stunden pro Woche seit fünf Jahren aufgewendet.
    Verjährung nach § 195 BGB aber von drei Jahren beachten.

    Würdet ihr die Stundensätze nach § 3 VBVG als angemessen erachten ?

    Vielen Dank für eure Rückäußerungen.

    Gruß

    Europa

  • Da es sich um keine Berufsbetreuung handelt, scheidet eine Anwendung des VBVG (also auch des § 3 VBVG) von vorneherein aus. Insbesondere gibt es für ehrenamtliche Betreuung keine vergütungsrechtliche Ausschlussfrist (für Berufsbetreuer vgl. § 3 VBVG).

    Über die Höhe der Vergütung von ehrenamtlichen Nachlasspflegern enthält § 1836 Abs. 2 HS. 1 BGB keine gesetzlichen Vorgaben. Es handelt sich somit um eine reine Ermessensvergütung,[1] die an den konkreten Umständen des Einzelfalls auszurichten ist und demzufolge einmalig oder periodisch, in Pauschalbeträgen[2] oder nach Zeitaufwand[3] unter Zugrundelegung eines Stundensatzes erfolgen kann,[4] so dass sich insoweit keine festen Regeln aufstellen lassen. Insbesondere gibt es keine vom Gesetz vorgegebenen Mindest- oder Höchstbeträge, sodass die Vergütung eines ehrenamtlichen Nachlasspflegers diejenige eines Berufsnachlasspflegers im Gegensatz zu der vor dem 01.07.2005 bestehenden Rechtslage auch übersteigen kann.[5] Eine auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer ist zusätzlich zu ersetzen.[6]

     Nach der ergangenen Rechtsprechung ist der Stundensatz von 23 € wohl eindeutig zu niedrig.


    [1] BayObLG FamRZ 1999, 681; LG Kassel NJWE-FER 2001, 208.
    [2] OLG München FamRZ 2009, 78 (monatliche Nettopauschale von 930,00 €; bei 16 % USt. brutto 1.078,80 €).
    [3] Nach BayObLG FamRZ 1998, 1052 aber keine Vergütung nach Zeitaufwand für die Zeit vor dem 01.01.1999.
    [4] OLG Hamm Rpfleger 2002, 518 = FamRZ 2003, 116 (Nettostundensatz von 50,00 €); OLG Köln FamRZ 2009, 76 = FGPrax 2008, 246 (Nettostundensatz von 43,50 €); OLG Düsseldorf Rpfleger 2014, 518 = FamRZ 2014, 1656 = FGPrax 2014, 258 m. Anm. Bestelmeyer (Nettostundensatz von 100,00 €); LG Mainz Rpfleger 2013, 395 (Nettostundensatz von 38,50 € für ehrenamtlichen Betreuer bei einem monatlichen Zeitaufwand von 2 Stunden).
    [5] OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 1270 = NJW-RR 2007, 1084; OLG Köln FGPrax 2008, 246 = FamRZ 2009, 76; OLG Frankfurt FamRZ 2008, 2153 (LS) = openJur 2012, 30191 (unter Heranziehung der Sätze des § 3 VBVG als Vergleichswert); OLG München FamRZ 2009, 78; LG München II FamRZ 2008, 1118; Palandt/Götz, BGB, 78. Aufl., § 1836 Rn. 10; Bienwald FamRZ 2006, 1302; a. A. LG Kassel FamRZ 2006, 1302; LG Kleve BtPrax 2008, 138. Zur früheren abweichenden Rechtslage vgl. etwa OLG Hamm Rpfleger 2002, 518 = FamRZ 2003, 116.
    [6] BayObLG FamRZ 1995, 692; OLG Köln FamRZ 2009, 76 = FGPrax 2008, 246.

  • Da es sich um keine Berufsbetreuung handelt, scheidet eine Anwendung des VBVG (also auch des § 3 VBVG) von vorneherein aus. Insbesondere gibt es für ehrenamtliche Betreuung keine vergütungsrechtliche Ausschlussfrist (für Berufsbetreuer vgl. § 3 VBVG).

    ...

     Nach der ergangenen Rechtsprechung ist der Stundensatz von 23 € wohl eindeutig zu niedrig.


    ...

    Die Erlöschensfrist von 15 Monaten gilt nicht, richtig.

    [FONT=&quot]Jedoch schuldet den Anspruch auf Ermessenvergütung die vermögende Betroffene gegenüber ihrem Betreuer. Sie sollte daher zumindest die Einrede der Verjährung geltend machen können, wobei die Frist des § 195 BGB maßgebend sein dürfte.

    Ob der Stundensatz von 23,00 EUR zu niedrig ist, scheint mir nicht so eindeutig wie beim als Ehrenamtler bestellten Nachlasspfleger.
    Bei diesem liegt regelmäßig ein entsprechender beruflicher Erfahrungsschatz vor, der auch im Rahmen des § 3 VBVG normalerweise eine höhere Einstufung rechtfertigen würde.

    Im Gegensatz dazu wurde der hier die Vergütung beantragende Betreuer wohl "nur" bestellt, weil er der Vater der Betroffenen ist. Zumindest gibt der Sachverhalt zu für die Führung der Betreuung ggf. nutzbaren Kenntnissen nichts her. Ob man dem Vater als Betreuer dann einen höheren Stundensatz als einem berufsmäßig bestellten Betreuer zubilligen kann? :gruebel: (Letzterer dürfte aufgrund der Pauschalvergütung viel weniger Stunden für die gleiche Betreuung geltend machen.)
    [/FONT]

  • Es liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, wonach die Versicherung für sämtliche Kosten aufkommen muss.

    Jedoch schuldet den Anspruch auf Ermessenvergütung die vermögende Betroffene gegenüber ihrem Betreuer.

    Und wer hat für wen das Urteil erstritten?

    Ich würde mich als Betreuungsgericht da ungern mit reinziehen lassen; denn wenn schon nicht die spez. Ausschlussfrist des Betreuungsrechts Anwendung findet, bin ich - wie Frog - beim allg. Verjährungsrecht.
    Wer würde das in dem Fall prüfen? Verfahrenspfleger?

    Warum stellt der gute Betreuer nicht, unter Vorlage ggf. vom Betreuungsgericht genannter Fundstellen, direkt bei der Versicherung einen Anspruch?

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Die Frage war Europa gerichtet - trübe Glaskugeln helfen da nicht.

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  • Auf die nutzbaren Kenntnisse kommt es bei der Vergütung nach § 1836 Abs. 2 BGB nicht an, sondern es sich ausschließlich der Umfang und die Schwierigkeit der Pflegergeschäfte maßgeblich. Nutzbare Fachkenntnisse spielen nur beim Berufsbetreuer eine Rolle.

    Das ist mir bewusst.

    Dennoch würde es mir eher schwer fallen, dem rechtlich hinsichtlich der Führung einer Betreuung ggf. überhaupt nicht bewanderten Vater z. B. 80,- €/h zuzubilligen. Der Berufsbetreuer müsste die gleichen Tätigkeiten mit einem niedrigeren Stundensatz und wesentlich weniger Stunden je Monat bewältigen. Und der Umfang der Betreuung spiegelt sich bereits in der Anzahl der vom Vater/Betreuer angegebenen Stunden je Woche wieder.

    Insgesamt halte ich das für eine andere Sachlage als beim (Nachlass-)pfleger, der die Tätigkeit genau auflisten muss und keine monatliche Pauschale wie der Berufsbetreuer beanspruchen kann.

  • ...
    Gezahltes Schmerzensgeld zählt m. E. nicht zum Vermögen.

    D.h. dann: der Betroffene ist mittellos und der ehrenamtliche Betreuer erhält keine Vergütung.

    Das kann man dem Sachverhalt so nicht entnehmen.

    Es ist durchaus möglich, dass die Betroffene von der Versicherung einen entsprechend hohen Erstbetrag als Schadensersatz erhalten hat. Insoweit liegt kein Schonvermögen vor.

  • M.E. gehört auch der Ersatzanspruch für künftige Schäden gegen die Versicherung zum Vermögen.

    Wenn dieser Anspruch auch die Vergütung des Betreuers umfassen sollte, wäre m.E. ausreichendes Vermögen vorhanden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob dies tatsächlich der Fall ist. Dasselbe müsste dann aber ggf. auch für die Gerichtskosten gelten.

  • Es ist durchaus möglich, dass die Betroffene von der Versicherung einen entsprechend hohen Erstbetrag als Schadensersatz erhalten hat. Insoweit liegt kein Schonvermögen vor.

    Wenn er mehr als EUR 5.000,00 an Vermögen hat, kommt es aber auch auf das Schmerzensgeld/den Schadenersatz bzw. die Verpflichtung der Versicherung, alle Kosten zu übernehmen, nicht mehr an.

    Bei mehr als EUR 5.000,00 kann letztendlich jeder ehrenamtliche Betreuer eine angemessene Vergütung beanspruchen, sofern Umfang/Schwierigkeit der durch den Betreuer getätigten Geschäfte dies rechtfertigen.

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