Ehegattentestament - Einzeltestament

  • Hallo zusammen,

    ich habe bezüglich eines Grundbuchberichtigungsantrags Unbehagen, kann es aber nicht wirklich packen.

    Notarieller Erbvertrag zwischen den Ehegatten. Gegenseitige Erbeinsetzung. Nach dem Überlebenden soll Erbe die Tochter des Ehemanns sein (= kein gemeinsames Kind).
    Bei der Pflichteilsstrafklausel scheint der Notar einfach seinen Standardbaustein genommen zu haben: "Sofern einer unserer Abkömmlinge nach dem Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, soll er auch nach dem Ableben des Letztversterbenden als Erbe ausscheiden."
    Zur Bindungswirkung bestimmen die Ehegatten, dass alles, bis auf die gegenseitige Erbeinsetzung, einseitig testamentarisch und jederzeit widerruflich sei.

    Der Ehemann verstirbt zuerst. Die Ehefrau verfügt notariell neu und bestimmt ihre rechtliche Betreuerin als Alleinerbin.

    Ich denke mein Unbehagen rührt aus der Gesamtkombination. Für mein Empfinden ist der Erbvertrag sehr unglücklich formuliert. Diese Pflichtteilsstrafklausel passt doch hinten und vorne nicht, wenn es nur einen Erblasser gibt, nach dem überhaupt der Pflichtteil geltend gemacht werden könnte. Im Ergebnis führt das doch dazu, dass die Tochter, so sie sich an den letzten Willen des Vaters gehalten hat, brav abgewartet hat, nun nach der Stiefmutter keinen Pflichtteil geltend machen kann und zum Dank zugunsten einer "Fremden" enterbt wird.

    Aber letztlich das, was ihr Vater durch den Erbvertrag festgelegt bzw. ermöglicht hat, oder?

    Nachtrag: die Überschrift ist natürlich falsch, sorry. Aber ihr wisst, was ich meine...

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Die Tochter musste wegen der fehlenden Vertragsmäßigkeit der Schlusserbeneinsetzung aber ohnehin mit einer Enterbung rechnen. Die Pflichtteilsklausel war also nicht der einzige Grund, aus welchem sie ihr Erbrecht verlieren konnte.

    Ob die Erbeinsetzung der Betreuerin wirksam ist, ist wieder eine andere Frage. Schon mal in die Betreuungsakte reingeschaut?

    Zur Erbeinsetzung des Betreuers gibt es auch eine aktuelle Entscheidung des OLG Celle (Rpfleger 2021, 356 = FamRZ 2021, 1153 = openJur 2021, 5764 = NLPrax 2021, 76 m. Anm. Knittel = NJW 2021, 1681 m. Anm. Graf Wolffskeel von Reichenberg = ZEV 2021, 386 m. Anm. Centner = FD-ErbR 2021, 437206 m. Anm. Litzenburger). Hierzu vgl. auch Leipold ZEV 2021, 485.

  • Ob die Erbeinsetzung der Betreuerin wirksam ist, ist wieder eine andere Frage. Schon mal in die Betreuungsakte reingeschaut?

    Zur Erbeinsetzung des Betreuers gibt es auch eine aktuelle Entscheidung des OLG Celle (Rpfleger 2021, 356 = FamRZ 2021, 1153 = openJur 2021, 5764 = NLPrax 2021, 76 m. Anm. Knittel = NJW 2021, 1681 m. Anm. Graf Wolffskeel von Reichenberg = ZEV 2021, 386 m. Anm. Centner = FD-ErbR 2021, 437206 m. Anm. Litzenburger). Hierzu vgl. auch Leipold ZEV 2021, 485.

    Ja, das mit Erbeinsetzung der Betreuerin ist die nächste "Baustelle". Danke für die Fundstellen, aktuell ist immer gut.
    Die Betreuungsakte habe ich noch nicht. Ich will erstmal gucken, was die Rechtsprechung zu dem Thema überhaupt hergibt.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -


  • Doof gelaufen für die Tochter. Aber nicht zu ändern und für Deine Prüfung doch gar nicht relevant, oder?

    Zum anderen Thema: Ist die eingesetzte Betreuerin ehrenamtlich und/oder mit der Verstorbenen verwandt oder ist es eine Berufsbetreuerin?

  • Für mein Empfinden ist der Erbvertrag sehr unglücklich formuliert. Diese Pflichtteilsstrafklausel passt doch hinten und vorne nicht, wenn es nur einen Erblasser gibt, nach dem überhaupt der Pflichtteil geltend gemacht werden könnte. Im Ergebnis führt das doch dazu, dass die Tochter, so sie sich an den letzten Willen des Vaters gehalten hat, brav abgewartet hat, nun nach der Stiefmutter keinen Pflichtteil geltend machen kann und zum Dank zugunsten einer "Fremden" enterbt wird.


    Trotzdem vollkommen üblich und typischerweise auch genau so gewollt - wer frech ist fliegt automatisch raus, und wer nicht frech ist, ist vom guten Willen des Längerlebenden abhängig.
    Wer so etwas als Kind des Erstversterbenden und Stiefkind des Längerlebenden bekommt, macht entweder seinen Pflichtteil geltend, oder schließt mit dem Längerlebenden einen Erbvertrag mit bindenden Verfügungen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Doof gelaufen für die Tochter. Aber nicht zu ändern und für Deine Prüfung doch gar nicht relevant, oder?

    Das war letztlich meine Frage. Ob ein schulterzuckendes "dumm gelaufen" hier tatsächlich alles ist.

    Zum anderen Thema: Ist die eingesetzte Betreuerin ehrenamtlich und/oder mit der Verstorbenen verwandt oder ist es eine Berufsbetreuerin?

    Weiß ich alles noch nicht. Ich habe die Betreuungsakte jetzt angefordert. Im ersten Schritt werde ich zunächst mal prüfen, ob der Inhalt der Akte mich dazu veranlassen sollte, einen Erbschein zu verlangen - Stichwort: Zweifel an der Testierfähigkeit. Alles weitere sähe ich dann im zweiten Schritt, falls erforderlich.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

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