Anfechtung der Willenserklärung (Gebotsabgabe) nach dem Termin

  • Hallo und Hiiiiiilfe,

    im Anschluss an den Zwangsversteigerungstermin erschien die Meistbietende (Entscheidung über Zuschlag erfolgt in einem besonderen Verkündungstermin) aufgeregt und weinend in meinem Büro und gab zu Protokoll, dass sie ihre Willenserklärung auf Grund Irrtum anfechte. Ihr war nicht bewusst, dass sie die bestehenbleibenden Rechte übernehmen und ggf. ablösen muss, um ein tatsächlich lastenfreies Grundstück zu erwerben. Sie hat die Erklärungen diesbezüglich im Termin nicht verstanden. Auf Grund dieses Irrtums will sie also nun die We anfechten .... Hatte diesen Fall schon mal jemand oder kennt jemand eine Entscheidung diesbezüglich?? Ist ohnehin ein echtes Problemverfahren ...

    :confused:

  • Wenn mich etwas wütend macht, dann Leute, die mich mit Tränen erpressen wollen.

    Ja, es gibt eine BGH - Entscheidung hierzu, V ZB 150/07.
    Deine Bieterin hat Pech gehabt.

    Es sei denn, ihre Tränen erweichen den Gläubiger, und er bewilligt die Einstellung.

  • Nicht umsonst hab ich während des Termins - wenn dies der Fall war - mehrfach auf bestehenbleibende Rechte hingewiesen und den Bietern das wirtschaftliche Gesamtgebot erläutert.

    Grundsätzlich bin ich natürlich schon ein guter Mensch und glaube zunächst an das Gute im Menschen.

    Machen kann man in dem Fall aber leider trotzdem nix.
    Deshalb im Ergebnis wie 15.Meridian: Sie muss zum betr. Gläubiger und den erweichen.
    Wenn keine Einstellung kommt, wird zugeschlagen.

    Und wenn die Wiederversteigerung gut läuft, bleibt sogar ein Gewinn hängen :teufel:.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Nicht umsonst hab ich während des Termins - wenn dies der Fall war - mehrfach auf bestehenbleibende Rechte hingewiesen und den Bietern das wirtschaftliche Gesamtgebot erläutert.


    Ich beanspruche, auch ein guter Mensch zu sein ;), und erkläre die Übernahmepflicht hinsichtlich bestehen bleibender Rechte auch ausführlich und mehrmals. Ich dränge auch darauf, dass gefragt wird, wenn irgend etwas unklar geblieben ist. Leider folgen hierauf meistens Fragen zur Beschaffenheit des Grundstücks, statt zum Bietvorgang.

  • Es bewahrheitet sich immer wieder: man erkläre den Leuten in deutlichen Worten und möglichst verständlich ohne juristisches Gesalbe, was Sache ist.
    Die beschriebene Konstellation ist der Klassiker.
    So keine Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Bieterin bestehen, wie die Vorschreiber.

    Entscheidungen hab ich jetzt leider nicht parat.

  • Es gibt eine Entscheidung des BGH und damit ist die Sache -man möchte fast sagen: natürlich) erledigt. Dass die Entscheidung des BGH auch falsch sein könnte (ist sie auch), wird gar nicht mehr in Betracht gezogen. Der V. Senat -welcher auch sonst?- ist einer vereinsamten Meinung in der Literatur gefolgt und hat die absolut herrschende gegenteilige (u.a. von fünf OLG's und nahezu gesamten Schrifttum vertretene) Ansicht verworfen.

    Man fragt sich unwillkürlich: Hat der irrende Bieter jetzt Pech gehabt, weil das Gesetz keine Anfechtung zulässt oder hat er nur Pech gehabt, weil der BGH nicht erkannt hat, dass das Gesetz die Anfechtung gestattet?

    Fazit: Tränen berechtigt!

  • Das hatte ich auch nicht in Frage gestellt.

    Was mir "nicht schmeckt", ist, dass der BGH so tut, als könne es in dieser Hinsicht von vorneherein und in keinem denkbaren Fall einen rechtserheblichen Irrtum geben. Denn dies würde selbst dann gelten, wenn keine Belehrung in der Weise erfolgt, wie sie hier völlig zu Recht anklingt.

  • Das hatte ich auch nicht in Frage gestellt.

    Was mir "nicht schmeckt", ist, dass der BGH so tut, als könne es in dieser Hinsicht von vorneherein und in keinem denkbaren Fall einen rechtserheblichen Irrtum geben. Denn dies würde selbst dann gelten, wenn keine Belehrung in der Weise erfolgt, wie sie hier völlig zu Recht anklingt.


    Also bitte? Ich berufe mich auf den BGH, weil dessen Entscheidung richtig ist. Wozu geben wir denn im Termin (zwingend!, vgl. § 66 Abs. 1 ZVG) das Geringste Gebot und die Versteigerungsbedingungen bekannt? Damit jeder weiß, zu welchen Konditionen er ersteigern kann.

    In welcher Gründlichkeit erörtert wird, dass die bestehen bleibende Rechte wirklich bestehen bleiben, liegt in der Verhandlungsführung jedes einzelnen Rechtspflegers und unterfällt also seiner sachlichen Unabhängigkeit. Dass dies ausgesprochen wird, ist dagegen in jedem einzelnen Versteigerungstermin gewährleistet.

    Ich warte auf die Frage, was mit den Bietern ist, die erst nach Beginn der Bietzeit hinzukommen. Denen kann man getrost das berühmte Gorbatschow-Zitat entgegenschmiettern. Weil ich aber keinen Menschen wissentlich ins Messer laufen lasse, findet bei mir für die Spätaufsteher noch ein- zweimal eine Extravorstellung mit den für Bieter maßgeblichen Eckdaten statt.

  • Wie schon gesagt, hatte ich die Ausführlichkeit Deiner Belehrung nicht in Frage gestellt. Die Frage ist nur: Was gilt, wenn nicht oder nicht ausführlich genug belehrt wurde? Wie bekannt sein dürfte, hat das BVerfG einen Versteigerungsrechtspfleger diesbezüglich schon einmal ganz schön in die Pfanne gehauen.

    Du folgst der BGH-Entscheidung, weil sie nach Deiner Ansicht richtig ist. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es ist aber auch nichts gegen die gegenteilige Ansicht einzuwenden, die es nicht akzeptiert, dass der BGH die Richter von fünf Oberlandesgerichten als Trottel hinstellt und mit zwei lapidaren und selbst einem Anwärter unwürdigen Absätzen abtut, was bisher absolut herrschende Meinung war.

    Ich habe extra noch einmal in § 9 RpflG nachgesehen: Dort steht, dass der Rechtspfleger nur an Recht und Gesetz gebunden ist. Vom BGH steht dort nichts.

  • Da gibt es nicht viel zu erschüttern.

    Wenn jemand in dem Glauben bietet, dass er das Grundstück entsprechend seinem Gebot in Höhe von X € lastenfrei erwirbt, obwohl Rechte bestehen bleiben, dann ist das ein Inhaltsirrtum, weil er meint, dass er nur einen Betrag X bezahlen muss, obwohl er eine Gesamtbelastung von X + bestehen bleibende Rechte am Halse hat. Wenn der BGH dies mit der Erwägung ausschließen will, man hätte sich in diesem Irrtum aber nicht befinden dürfen, dann ist das bestenfalls eine Frage der Kausalität, aber nicht eine Frage des Irrtums an sich.

  • Da gibt es nicht viel zu erschüttern.

    Wenn jemand in dem Glauben bietet, dass er das Grundstück entsprechend seinem Gebot in Höhe von X € lastenfrei erwirbt, obwohl Rechte bestehen bleiben, dann ist das ein Inhaltsirrtum, weil er meint, dass er nur einen Betrag X bezahlen muss, obwohl er eine Gesamtbelastung von X + bestehen bleibende Rechte am Halse hat. Wenn der BGH dies mit der Erwägung ausschließen will, man hätte sich in diesem Irrtum aber nicht befinden dürfen, dann ist das bestenfalls eine Frage der Kausalität, aber nicht eine Frage des Irrtums an sich.


    DAS kann die Argumentation des BGH wahrlich nicht erschüttern. Denn es handelt sich eben nicht um einen Inhaltsirrtum, sondern um einen Rechtsfolgenirrtum. Und der fällt halt unter persönliches Pech und gibt kein Anfechtungsrecht (falls es dies im Hinblick auf ein Gebot überhaupt gäbe, was der BGH erneut offen ließ).

  • Es liegt mir fern, Deine BGH-Hörigkeit zu erschüttern.

    Im Prinzip ist es ganz einfach:

    Mehr als ein Jahrhundert lang vertreten die Oberlandesgerichte die Ansicht, das 2 + 2 im Ergebnis 4 ergibt. Dann kommt der V. Senat des BGH daher und behauptet, dass bei der gleichen Rechnung „5“ herauskommt. Somit vertreten die „sachlich unabhängigen“ Gerichte fortan die Ansicht, dass „5“ das zutreffende Ergebnis sei.

    Trotzdem ergibt die Rechnung 4 und nicht 5.

  • Ich brauche in der Sache nichts Neues vorzutragen, weil sich das, was zutreffend ist, bereits aus den Gründen der Entscheidung des BGH ergibt, auch wenn der BGH die dort dargestellte Rechtsauffassung nicht teilt.

    Das eigentliche Problem ist, dass der V. Senat die Chuzpe besitzt, von der gesamten Republik einzufordern, dass sie sich gefälligst nach dem von ihm in die Welt gesetzten rechtlichen Unsinn zu richten habe.

    Aber so ist das eben mit der sachlichen Unabhängigkeit. Man übt sie aus oder man gibt sie auf.

  • Ich hatte letztes Jahr auch so eine Sache. Der Bieter bot geringstes Gebot d. h. 40 T€, obwohl das Bargebot er hätte nur das Bargebot in Höhe v.15 T€ bieten müssen. Ich habe ihn im Termin umfangreich darüber aufgeklärt und gefragt, ob er noch Fragen dazu hat. Wenn der mir sagt, er hat alles verstanden und dann hinterher feststellt, da er nicht so viel bieten wollte -
    Pech gehabt. Der wollte mich verklagen und anzeigen, ich habe ihn über den Tisch gezogen, es kam nichts. Den nachher eingeschalteten RA von ihm habe ich die Sachlage erklärt und er hat verstanden - Pech.

    Dann soll Deine Ersteherin doch versuchen, so schnell wie möglich das Grundstück wieder zu verkaufen . :teufel:

  • Um nicht missverstanden zu werden:

    Wenn so belehrt wird, wie hier dargestellt wurde, fehlt es auch nach meiner Ansicht an einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum. Mir geht es um die grundsätzliche Frage, ob generell und in jedem denkbaren Fall eine Irrtumsanfechtung ausgeschlossen ist, selbst wenn nicht ausreichend oder im Extremfall überhaupt nicht belehrt wird. Der BGH verneint die Anfechtung in jedem Fall und das halte ich für absolut unzutreffend. Und wenn ich feststelle, dass der V. Senat nicht das erste und einzige Mal fragwürdige Entscheidungen trifft bzw. getroffen hat, dann muss das auch gestattet sein, auch wenn die Diskussion gestern abend diesbezüglich etwas hitzig war. Mit "BGH-Hörigkeit" meinte ich in diesem Kontext auch nur, dass man nicht einfach alles ungeprüft übernehmen soll, nur weil es der BGH einmal so entschieden hat. Wer sich die betreffende Entscheidung einmal durchliest, wird verstehen, was ich meine, auch wenn die Entscheidung im konkreten Fall aufgrund der Besonderheiten des Sachverhalts im Ergebnis sicher richtig war.

  • Ich finde die Entscheidung des BGH im Ergebnis in Ordnung.
    Ich gehe mal davon aus, dass ein Bieter, der nach Eröffnung der Bietungsstunde erscheint, ein Gebot abgibt und dann wieder aus irgendwelchen Gründen den Saal verlässt, als "Profi" des ZVG-Rechtes anzusehen ist. Diese zum Ausdruck gebrachte "Lässigkeit" spricht dafür. Ein solcher Bieter weiß, dass zu Beginn des Termines die Bedingungen verlesen werden. Versäumt er die Präliminiarien, ist er quasi schuldhaft in die nun für ihn missliche Lage gekommen.

    Gleiches gilt für ZVG-Laien. Wer keine Ahnung hat, ist auf die Ausführungen vor Eröffnung der Bietungsstunde angewiesen und wird diese kaum versäumen. Geschieht dies nicht, besteht die Möglichkeit, durch Fragen vor Abgabe von Geboten sich Klarheit zu verschaffen. Fragen nicht zu stellen, ist ebenfalls vorzuwerfen.

    Im Ergebnis sind beide Bietertypen also selber schuld.

    Der BGH hat schon 1968 entschieden, dass derjenige, der ein Urkunde ungelesen unterschreibt, in der Regel kein Anfechtungsrecht hat (BGH NJW 68, 2102).
    Diesen Grundsatz kann man ohne weiteres auf mündlich geäußerte Willenserklärungen in der Bietungsstunde übersetzen. Alles andere finde ich persönlich sehr an den Haaren herbeigezogen und dient nur nicht schutzwürdigen Interessen.

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