Rechtzeitige Ausschlagung

  • Guten Morgen,

    irgendwie stehe ich wohl auf dem Schlauch...

    ich bereite gerade einen Erbscheinstermin vor. Antragsteller ist der Ehegatte. Ausschlagungserklärungen sämtlicher weiterer Erben der ersten und zweiten Ordnung sind in der Akte vorhanden, die Großeltern sind samt vorverstorben. Ich habe die Akte gestern zum ersten Mal zu Gesicht bekommen.

    Ich habe nunmehr habe eine Frage zur Ausschlagungsfrist der Erben erster Ordnung. Die Erblasserin ist verstorben am 24.12.2010 (Freitag). Die Ausschlagung wurde am 07.02.2011 erklärt. Fristbeginn wäre somit der Samstag 25.12.2010, 00.00 Uhr, Fristende der Freitag, 04.02.2011, 24.00 Uhr. Die Ausschlagenden haben sich angeblich anwaltlich beraten lassen das die Frist jedoch bis zum 07.02.2011 verlängert wird. Die Verlängerung tritt doch gem. § 222 ZPO nur dann ein wenn das Fristende auf einen Sa, So, oder Feiertag fällt? In diesem Fall ist das Fristende jedoch ein gewöhnlicher Freitag.

    In der Ausschlagungserklärung wurde auch hilfsweise die Anfechtung wegen Fristversäumung erklärt, sodass der vorstehende Mangel geheilt würde.

    Danke für eure Meinungen.

  • Wenn ich mich jetzt nicht verrechnet habe, dann komme ich auf den gleichen Tag wie du. Und Freitag ist egal.

    Im übrigen würde ich die Anfechtung hier als nicht möglich erachten. Wenn sie sich zum Fristablauf schon haben anwaltlich beraten lassen, dann können sie schlecht damit argumentieren, dass sie von der Frist nichts wussten, oder? Und die Anfechtung wegen Fristversäumnis zieht nur dann, wenn über die Frist als solches keine Kenntnis bestand.

  • Hat denn die Ausschlagungsfrist (= Kenntnis von Anfall und Berufungsgrund) bereits am 24.12.begonnen? Hatten die Beteiligten überhaupt gleich an dem Tag Kenntnis vom Tod? Und dass kein Testament vorhanden war? (Die diesbezügliche Palandt Kommentierung zum Thema Beginn der Ausschlagungsfrist bei Kindern halte ich schlichtweg für weltfremd, wer macht sich an Heilig Abend Gedanken über irgendeine Erbfolge wenn gerade Mama oder Papa verstorben ist).

  • Da habe ich jetzt kurz mal gestutzt, aber die Berechnung ist nicht richtig, denn die Frist endet im Fall einer nach Wochen bemessenen Frist mit Ablauf des Tages, der seiner Benennung nach dem Tag entspricht, in welchen das Ereignis fällt, § 188 BGB. Vom Ersteller wird unterstellt dass dieses an einem Freitag war, also endet die Frist auch an einem Freitag und nicht am Samstag, so dass auch keine wochenendbedingte Verschiebung eintritt.

  • Ich auch. In der Berechnung in #4 hätte der 24.12.2010 (unterstellt, dass die Erben seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Berufung hatten s. #3) als Fristbeginn eingegeben werden müssen (§ 188 Abs. 2 BGB), nicht der 25.12.2010. Dann kommt auch der 04.02.2011 raus.

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  • Ein schönes Beispiel dafür, dass man Berechnungsprogrammen nur vertrauen sollte, wenn man ihre Grundlagen geprüft hat, bevor man sie verwendet.

    Im vorliegenden Fall stellt "juris" nicht auf den Fristbeginn im Rechtssinne ab, sondern es wird als "Fristbeginn" der Tag der Kenntniserlangung von Erbanfall und Berufungsgrund angegeben. Wer das überliest und den Fristbeginn im Rechtssinne eingibt (hier: den 25.12.), der bekommt vom Programm den 07.01. als Fristablauf präsentiert. Wer -zutreffend- den 24.12. eingibt, dem wird zutreffend auch der 04.01. als Fristende ausgespuckt.

    Für "juris" natürlich ein Armutszeugnis, zumal -eindeutig falsch- bemerkt wird, dass die Ausschlagungsfrist mit besagter Kenntniserlangung beginnt, obwohl dieser Tag für die Bestimmung des Fristbeginns gerade nicht mitgerechnet wird (§ 187 Abs.1 BGB).

  • Zitat von papabaer

    Wenn sie sich zum Fristablauf schon haben anwaltlich beraten lassen, dann können sie schlecht damit argumentieren, dass sie von der Frist nichts wussten, oder? Und die Anfechtung wegen Fristversäumnis zieht nur dann, wenn über die Frist als solches keine Kenntnis bestand.

    Der Irrtum besteht angeblich über die Dauer der Frist. Nach ihren Angaben gingen die Erben auf Grund einer (falschen) anwaltlichen Beratung vom einem Fristende am 7.2. aus. Die Behauptung kann vom Gericht natürlich bezweifelt und es könnten Nachweise gefordert werden, aber was käme dabei heraus? Z.B. die Behauptung, man habe den Anwalt falsch verstanden. Selbst wenn das Gericht dennoch zu einem Erbanfall der Erben 1. Ordnung käme und dann nicht auf eine eventuelle Beschwerde im Erbscheinsverfahren das OLG merkwürdige Vergleiche akzeptieren oder die Beschwerde zurückweisen würde, würden die Beteiligten einen Erbteilsübertragungsvertrag schließen und kämen dann auf Umwegen zum gewollten Ergebnis. Das Nachlassgericht sollte sich somit fragen, ob es hier wirklich besondere Energie investieren will.

  • Der Fall betraf allerdings fehlerhaftes Handeln und Kenntnis eines Vertreters. Der über die Ausschlagungsfrist falsch beratende Anwalt war jedoch kein Vertreter.

    Zitat von Sersch

    bzgl. der letzten Meinung: Wäre es denn mein Problem, was die Beteiligten womöglich für Probleme nunmehr haben. Würde dafür ganz bestimmt nicht geltendes Recht "verbiegen" wollen.

    Es geht nicht darum, ob die Beteiligten mehr Probleme haben, sondern dass unter Betrachtung eines Ergebnisses die Abwägung sinnvoll ist, welcher Aufwand sich für die "Durchsetzung" der vermeintlich richtigen eigenen Ansicht zu mehreren Möglichkeiten lohnt. Der Sachverhalt enthält nichts Zwingendes zur Unwirksamkeit der Ausschlagungen und Anfechtungen und alle Beteiligten sind sich anscheinend über ihre Erklärungen und deren Folgen klar und einig. Warum sollte das Gericht jetzt also versuchen, eine Unwirksamkeit zu konstruieren oder zu ermitteln? Wenn der Sachvortrag einfach geglaubt wird, wird kein Recht verbogen oder das Rechtsempfinden auch nur angekratzt, aber wenn man gern mit viel Aufwand für sich selbst und nachteiligen Folgen für die Beteiligten ein bestimmtes Ergebnis erreichen will, muss eben anders vorgegangen werden.

  • M.E. ist es wenig sinnvoll, einen Teilbaustein aus meinem Beitrag herauszuziehen und den zu kommentieren.

    Was ist die "objektive" Rechtslage? Gerade im Erbrecht mit seinen Auslegungen und vielfach nicht vorhandenen Möglichkeiten der Klärung von Erklärungen der Beteiligten oft genug nur eine Wunschvorstellung. Im beschriebenen Fall erklärten die Beteiligten die Anfechtung und begründeten ihren Irrtum mit falschen Informationen nach einer Beratung. Ein Anfechtungsgrund ist vorhanden und die Anfechtung offensichtlich fristgerecht erklärt. Warum sollte das Gericht diesen Sachstand und die daraus folgende Rechtslage also anzweifeln? Um subjektiv gesehene Richtigkeitsvorstellungen zu befriedigen?

  • Nein, darum geht es nicht.

    In jedem Ziviprozess würde die Begründetheit der Anfechtung durch Beweisaufnahme geklärt werden müssen - der bloße "Glaube" an die Richtigkeit des Vorbringens des Klägers wäre dabei irrelevant.

    Also kann es sich im Erbscheinsverfahren, dessen Ergebnis von der Begründetheit oder Unbegründetheit der Anfechtung abhängt, nicht anders verhalten. Es kann nicht angehen, dass man im FamFG-Verfahren den "Glauben" an das Vorbringen der Beteiligten an die Stelle dessen seit, was im Zivilprozess zu beweisen wäre.

  • ZPO- und FamFG-Verfahren sind bekanntlich grundverschieden. Vereinfacht geschrieben, muss im ZPO-Verfahren jede Aussage zu einer schon entstandenen Rechtslage bewiesen werden, während im FamFG-Verfahren verschiedentlich nur eine Erklärung abzugeben ist, die dann eine Rechtslage schafft, aber nicht noch besonders bewiesen werden muss. Das ist hier geschehen. Es liegt eine Anfechtungserklärung vor. Die muss das Nachlassgericht akzeptieren, wenn es nicht Anhaltspunkte für eine unwirksame Anfechtung hat, was nach den Informationen nicht der Fall ist. Eine Pflicht zur Herumermittlung nach einer eventuell vorstellbaren Unwirksamkeit gibt es nicht.

    Um zum Kern zurückzukehren. Wir sind uns sicher einig, dass die Ausschlagungsfrist versäumt wurde, und das Vorliegen einer Anfechtungserklärung ist bekannt. Jetzt gibt es zwei Wege. 1. Das Nachlassgericht akzeptiert ohne Weiteres, dass sich die Erben erster Ordnung wegen (falscher) anwaltlicher Beratung über den Fristablauf im Irrtum befanden und die Anfechtung wirksam ist. Das (für das Gericht nicht entscheidende) I-Tüpfelchen wäre, dass die Beteiligten sich darüber und über die Folgen im Klaren und einig sind. 2. Das Nachlassgericht hat (wie sachlich begründete?) Zweifel an der Wirksamkeit der Anfechtung und geht diesen nach. Angesichts der zu erwartenden Auskünfte der Erben erster Ordnung wird das höchstwahrscheinlich im Sande verlaufen. Sollte sich tatsächlich irgendwie eine Unwirksamkeit feststellen lassen, könnte sich das Gericht als Retter des Rechts auf die Schultern klopfen, aber am Ende käme es nach dem Ermittlungssaufwand des Gerichts und nach Mehraufwand und Kosten für die Beteiligten, was für das Gericht natürlich auch nicht entscheidend ist, zu dem anscheinend allseits gewollten Ergebnis.

    Somit stehen für mich zwei Fragen im Raum. 1. Gibt es objektive Anhaltspunkte für eine unwirksame Anfechtung. 2. Wäre es ggf. sinnvoll und effizient, einem eventuellen "Anfangsverdacht" unbedingt nachzugehen. Meine Antworten sind in beiden Fällen "Nein". Wer sich andere Antworten gibt, muss eben entsprechend vorgehen.

    Um es noch einmal klar zu schreiben: ich bin weit davon entfernt, eine Rechtslage in bestimmter Weise einzuschätzen, weil sich Beteiligte einig sind, aber wenn eine Einschätzung vertretbar ist und sich alle Beteiligten insoweit einig sind, werde ich regelmäßig nicht auf einer anderen Auffassung beharren, nur weil ich die persönlich für etwas zutreffender halte. Ich sehe Rechtspfleger nicht in der Rolle wissenschaftlicher Theoretiker sondern in der von Praktikern oder rechtlichen Handwerkern. Wenn ein Deckel auf einen Topf passt, ist es mir egal, ob der Griff in die eine oder andere Richtung zeigt.

  • @draco

    Wenn ich Deiner Meinung folgen müsste, hätte ich Zweifel an meiner Berufsbezeichnung und würde ernsthaft darüber nachdenken, ob ich nicht demnächst 'nen Beesen als Raumpfleger schwingen sollte, ist ja schließlich auch ein netter Handwerksberuf. (nicht ernst gemeint :D)

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