gesetzlicher Rechtspfleger?

  • Mahlzeit, ich habe eine Verwaltungs- bzw. eine Zuständigkeitsfrage die in Verwaltungsbereich spielt.

    Vor kurzem kollidierten hier zwei "Ereignisse". Das eine war Weihnachten, gepaart mit dem Phänomen dass alle gleichzeitig Urlaub wollten. Dementsprechend hat sich für die ganz heissen Tage (also zB. Montag 23. und Freitag 27.) einer gefunden der dann den anderen die Urlaube gegengezeichnet hat und als Notbesetzung dieser Tage im Dienst war.
    Zum anderen haben wir einen Fall aktuell anhängig, in dem der Antragsteller alles mögliche anzweifelt, insbesondere die Zuständigkeit dessen der zB. eine Zwischenverfügung erlassen hat.

    Vor diesen Hintergrund ist hier eine kleine Disskussion entstanden um die Frage ob analog zur richterlichen Geschäftsverteilung (Stichwort "gesetzlicher Richter") insbes. im Grundbuch dieses Konstrukt auch auf den Rechtspfleger anzuwenden ist,
    will sagen, wenn ich aktuell weniger belastet wäre als die Kollegin nebenan und hole mir ein paar Akten und erließe bei vorgenanntem Herrn eine Zwischenverfügung, hätte dieser Herr dann schon aufgrund der Tatsache dass ich lt. Geschäftsverteilung nicht zuständig gewesen wäre Möglichkeiten (nicht nur im Hinblick auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung, solche Herren winken ja auch gern mal eben mit dem StGB)?

    Hier kursiert das Gerücht, dass es eine Entscheidung (in Versteigerungssachen) gäbe welche die Un-Zuständigkeit laut Geschäftsverteilung als unmaßgeblich erachtet, somit also den Anspruch auf den "gesetzlichen Rechtspfleger" verneint.

    Wer weiß was?

  • Ich meine, dass ich mal irgendwo (allerdings kann ich nicht mehr sagen, wo genau :gruebel:) gelesen habe, dass die Grenze beim Rechtspfleger dort liegt bzw. überschritten ist, wenn manipulativ die Zuweisung eines bestimmten Verfahrens zu einem bestimmten Rechtspfleger erfolgt.

  • Hallo,

    der Personalreferent des hiesigen LG geht, in Kenntnis der BGH-Entscheidung, davon aus, dass es einen gesetzlichen Rechtspfleger gibt. Aber der Kollege ist auch so sehr speziell.
    Nur im Vertretungsfall durfte ich die Akten der Kollegin bearbeiten. Selbst als diese nach mehrwöchiger Erkrankung wiederkam und ich ihr für den Anfang noch etwas unter die Arme greifen wollte, war dies nicht erlaubt. Leider sieht man bei dem hiesigen Fachprogramm, wer wann eine Akte bearbeitet hat.
    Das Ende vom Lied war, dass die Kollegin 1 Woche da war und dann wieder ausgefallen ist :cool:. Ich hätte lieber noch eine Weile etwas mit angefasst und so entlastet, als die Dauervertretung wieder zu übernehmen.

    LG Grottenolm

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • Das ist aber wirklich sehr "speziell". Um nicht jedes Mal den GVP ändern zu müssen, habe ich in solchen Fällen der Verw. Hilfe angeboten und man war dankbar, eine Baustelle weniger zu haben.

  • So speziell ist das gar nicht . Habscheid geht z.B. davon aus, dass der Rpfl schon heute Richter iSd Art. 92 GG ist. Und Habscheid ist ein anerkanter Jura-Professor, kein kleiner Wunschträumer. Das Thema ist, zumindest in der Literatur heftig umstritten.

    Ich will hier jetzt keine Abhandlung zum Art. 92 schreiben, aber ganz so einfach ist das Thema nicht.

  • Grottenolm
    Das Problem hätte man - vom gesetzl. Rpfl ausgehend - mit einer Änderung des GVP lösen können. Wollte er die Kollegin vielleicht in die Krankheit treiben? So mit Blick auf eine gesundheitlich bedingte Frühpensionierung? Ich spekuliere hier zwar nur, aber der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen.

  • Zitat

    So speziell ist das gar nicht . Habscheid geht z.B. davon aus, dass der Rpfl schon heute Richter iSd Art. 92 GG ist. Und Habscheid ist ein anerkanter Jura-Professor, kein kleiner Wunschträumer. Das Thema ist, zumindest in der Literatur heftig umstritten.

    Das mag schon stimmen, dass es in der Literatur umstritten ist.
    Trotzdem geht immerhin selbst das BVerfG davon aus, dass der Rechtspfleger nicht Art. 92 GG unterfällt (BVerfGE 101, 397).

    Zitat

    der Personalreferent des hiesigen LG geht, in Kenntnis der BGH-Entscheidung, davon aus, dass es einen gesetzlichen Rechtspfleger gibt. Aber der Kollege ist auch so sehr speziell. Nur im Vertretungsfall durfte ich die Akten der Kollegin bearbeiten. Selbst als diese nach mehrwöchiger Erkrankung wiederkam und ich ihr für den Anfang noch etwas unter die Arme greifen wollte, war dies nicht erlaubt. Leider sieht man bei dem hiesigen Fachprogramm, wer wann eine Akte bearbeitet hat.

    Was für Möglichkeiten hat die Verwaltung, wenn ich die Akten meines Kollegen bearbeite? Wohl eher keine. Unterfällt das dann nicht auch der "richterlichen Unabhängigkeit" :wechlach:

    Gruß
    Peter

  • Grottenolm
    Das Problem hätte man - vom gesetzl. Rpfl ausgehend - mit einer Änderung des GVP lösen können. Wollte er die Kollegin vielleicht in die Krankheit treiben? So mit Blick auf eine gesundheitlich bedingte Frühpensionierung? Ich spekuliere hier zwar nur, aber der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen.

    Nein, denke ich nicht. Die Kollegin war und ist auch sonst ein fachlich sehr kompetentes und fleißiges Arbeitstier. Nachdem man auch die Ursache der Erkrankung gefunden hatte und die Medikamente anschlugen, war auch alles wieder gut.

    Eine Änderung des GVPl wäre eine Idee gewesen, aber war dort einfach nicht umsetzbar.

    Mittlerweile haben wir beide den Absprung von dort geschafft und sind an unseren neuen Gerichten ganz glücklich.

    LG Grottenolm

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • Das mag schon stimmen, dass es in der Literatur umstritten ist.
    Trotzdem geht immerhin selbst das BVerfG davon aus, dass der Rechtspfleger nicht Art. 92 GG unterfällt (BVerfGE 101, 397).


    Die Entscheidung ist mir bekannt. Dabei handelt es sicht "nur" um eine Kammerentscheidung, und die wurde auch heftigst angegriffen. In einer älteren Entscheidung hat das BVerfG das rechtliche Gehör nach dem GG bejaht. Da es in den Entscheidungen nicht um das rechtliche Gehör an sich ging, sehe ich das auch nur als bloße Meinungsäußerung im Rahmen eines obiter dictums.

  • Zitat

    In einer älteren Entscheidung hat das BVerfG das rechtliche Gehör nach dem GG bejaht.

    Hast du eine Fundstelle dieser Entscheidung zufällig zur Hand? Würde mich interessieren.

    Zitat

    Da es in den Entscheidungen nicht um das rechtliche Gehör an sich ging, sehe ich das auch nur als bloße Meinungsäußerung im Rahmen eines obiter dictums.

    Das sehe ich anders. Die Beschwereführerin hat i.R. der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 103 GG gerügt. Das BVerfG hat eine Grundrechtsverletzung aus Art. 103 GG mit der Begründung verneint, der Rechtspfleger sei kein Richter i.S.v. Art. 92 GG. Insoweit war die Aussage zu Art. 92 GG schon ein tragendes Argument, kein bloßes obiter dictum.

    Gruß
    Peter

  • BVerfGE 42, 64-88
    Beschluss vom 24.03.76

    vgl. Rn. 41 und (abweichende Meinung, aber nicht in Sachen rechtliches Gehör) Rn. 47 am Ende nach juris

    Danke!

    Der Satz "Da die angegriffenen Entscheidungen schon wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot verfassungswidrig sind, kann offen bleiben, ob die Unterlassung des Rechtspflegers, die Beschwerdeführerin über die Tragweite eines sofortigen Zuschlags aufzuklären, zugleich ihren Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzen kann." sagt doch aber aus, dass das BVerfG sich mit Art. 103 GG nicht mehr beschäftigt hat, da der Verstoß des Rechtspflegers gegen die Hinweispflicht bereits gegen das Willkürverbot verstoßen hat?

    Gruß
    Peter

  • Zitat

    Da es in den Entscheidungen nicht um das rechtliche Gehör an sich ging, sehe ich das auch nur als bloße Meinungsäußerung im Rahmen eines obiter dictums.

    Das sehe ich anders. Die Beschwereführerin hat i.R. der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 103 GG gerügt. Das BVerfG hat eine Grundrechtsverletzung aus Art. 103 GG mit der Begründung verneint, der Rechtspfleger sei kein Richter i.S.v. Art. 92 GG. Insoweit war die Aussage zu Art. 92 GG schon ein tragendes Argument, kein bloßes obiter dictum.

    Gruß
    Peter

    Im Tenor wurden die §§ 55, 62 FGG mit dem GG für unvereinbar erklärt, soweit ...

    Das Thema rechtliches Gehör / faires Verfahren taucht erst in den Gründen auf und hat im Ergebnis auf die Entscheidung keinen Einfluss. Erst mit dem Leitsatz wurde das so richtig breitgetreten.

  • Stimmt, es kam auf das rechtliche Gehör entscheidungserheblich für die Mehrheit der Richter nicht an. In der Begründung gehen sie aber wie selbstverständlich davon aus, das der RPfl rechtliches Gehör gewährt. Auch die abweichende Meinung macht da kein Thema draus. In 1976 war die Welt noch in Ordnung, und das, obwohl es den 6 EMRK schon gab.

  • Zitat

    Im Tenor wurden die §§ 55, 62 FGG mit dem GG für unvereinbar erklärt, soweit ...

    Das Thema rechtliches Gehör / faires Verfahren taucht erst in den Gründen auf und hat im Ergebnis auf die Entscheidung keinen Einfluss. Erst mit dem Leitsatz wurde das so richtig breitgetreten.

    Art. 103 GG ist lex specialis zu Art. 20 GG. Deshalb musste das BVerfG erst 103 GG verneinen, um 20 GG prüfen und bejahen ("Der Beschluss des Amtsgerichts Lübeck vom 3. April 1995 - 5 VI 1247/93 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.") zu dürfen. Insoweit stehen die Ausführungen des BVerfG zu Art. 103 GG schon in einer Argumentationskette.

    Gruß
    Peter

  • Kann man halt alles so oder so sehen. :D

    Beim Insolvenzrechtstag 2012 in Leipzig vertrat Prof. Dr. Smid (Universität Kiel) die Ansicht, dass die Vollübertragung in Insolvenzverfahren verfassungsrechtlich unbedenklich ist, weil insoweit mangels streitiger Entscheidung zwischen mehreren Beteiligten keine Rechtsprechung i.S.d. Art. 92 GG vorliegt.

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