Liebe Mitforisten,
angeregt durch einen anderen Beitrag von Gegs möchte ich, da ich selbst mit der Abwicklung von Insolvenzverfahren nichts zu tun habe, einmal folgende Frage aufwerfen:
Wie intensiv berichten Insolvenzverwalter über die von ihnen geführten Rechtsstreitigkeiten und deren Ergebnisse, wie intensiv hakt das Insolvenzgericht von sich aus nach?
Zum Hintergrund der Frage:
Mir als Sachrichter für Anfechtungsklagen und Insolvenzverwalterhaftung drängt sich immer mal wieder der Eindruck auf, dass manche Insolvenzverwalter weder Tod noch Teufel (und insbesondere keine Rechtsgrundlage) fürchten, solange für die mit ihnen kooperierende Anwaltskanzlei ein paar Honorare herausschauen. Ich möchte dies an einigen Beispielen erläutern:
-) Ein Insolvenzverwalter in einem Verfahren mit Null-Masse hat zutreffend erkannt, dass es Anfechtungs- und Haftungsansprüche gegen den letzten Geschäftsführer und dessen Ehefrau, die Alleingesellschafterin der gefallenen GmbH war, gibt. Beide sitzen im nahegelegenen Ausland.
Wegen Null-Masse beantragt er PkH, die er für das erste Verfahren gegen den Geschäftsführer zutreffend auch erhält, denn alleine dieser Haftungsanspruch würde ausreichen, um die vorhandene Massekostenarmut (und auch die Massearmut) zu beseitigen. Er erzielt auch recht bald ein rechtskräftiges Urteil in auskömmlicher Höhe. Irgendwelche Vollstreckungsbemühungen unternimmt der Insolvenzverwalter nicht. Es geht ein wenig Zeit ins Land, die Masse ist immer noch Null. Nunmehr macht er den Anfechtungsanspruch gegen die Gesellschafterin anhängig und beantragt PkH. Wie das Leben so spielt (Rechtszug rauf und runter), steht die PkH-Entscheidung ca. 2 Jahre später an. Der Insolvenzverwalter wird angefragt und erklärt, er habe bis zu diesem Zeitpunkt (rd. 3 Jahre nach Rechtskraft des ersten Titels) immer noch keine Vollstreckungsbemühungen entfaltet. Seine verfügbare Masse beträgt immer noch Null. Er erwägt, den ersten Titel und den (mittlerweile ohne PkH erstrittenen) zweiten Titel für ca. 3% des Nominal-Titelbetrags an einen Verwerter zu verkaufen. 3% aus den beiden Titeln gemeinsam machen nicht einmal die Gerichtskosten der beiden Streitigkeiten aus.
-) Ein Insolvenzverwalter sieht sich für die Masse und persönlich einer doppelten Klage ausgesetzt. Es soll festgestellt werden, dass durch Verhalten des Insolvenzverwalters ein Masseanspruch entstanden ist und - weil flugs Masseunzulänglichkeit angezeigt wurde - der Insolvenzverwalter persönlich für die Sache haftet. Die Prozesse werden getrennt, die vorrangige Feststellung einer Masseverbindlichkeit wird zuerst verhandelt und endet mit einer Verurteilung des Insolvenzverwalters. Der Streitwert beträgt weit unter 20.000,- Euro, gleichwohl legt der Insolvenzverwalter Nichtzulassungsbeschwerde ein.
-) Ein Insolvenzverwalter verwertet einen Sicherungsgegenstand. Er kehrt den Erlös aber nicht an den Gläubiger aus. Jahre später erfährt der Gläubiger, dass sein Sicherungsgegenstand verwertet wurde und verlangt vom Insolvenzverwalter nun die Auskehr - was dieser mit der Berufung auf angebliche Verjährung zu kontern versucht. Er verliert in mehreren Instanzen, die Masse wird zur Auskehr verurteilt. Für die Dauer dieses Ausgangsverfahrens verlangt der Gläubiger nunmehr noch Zinsen, was der Insolvenzverwalter auch bestreiten lässt, es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass noch eine Pflicht zur Auskehr besteht.
-) Ein Insolvenzverwalter klagt einen hohen Anfechtungsanspruch ein, der die Masse gewaltig aufwertet. Er und der Anfechtungsschuldner einigen sich vergleichsweise mit einem geringen Abschlag auf Rückzahlung zur Masse. Der Anfechtungsschuldner lässt ein Stück Zeit vergehen und meldet dann seine wieder aufgelebte Insolvenzforderung zur Tabelle an (die alleine nun mehr als 30% der Tabellensumme ausmachen würde). Die vom Anfechtungsgläubiger ungenutzte Zeit hat der Insolvenzverwalter allerdings genutzt, um - noch vor Anmeldung der Forderung - einen Schlusstermin durchzuführen und einen Vorschlag zur Schlussverteilung einzureichen. Noch vor Ablauf der Anhörungsfristen, aber nach Anmeldung der Forderung - schüttet er aus, ohne den Anfechtungsschuldner zu berücksichtigen, dieser sei wegen des durchgeführten Schlusstermins nicht mehr zu berücksichtigen. Es kommt zum Folgeprozess.
-) Ein GmbH-Geschäftsführer verfällt auf die Idee, er könne Steuern sparen, wenn er sich für seine Dienste nicht direkt von der GmbH entlohnen lässt. Vielmehr gründet er eine eigene Verwaltungs-GmbH, die mit der ersten GmbH vereinbart, dass die Verwaltungs-GmbH für die erste GmbH einen Geschäftsführer stellt, Bezahlung erfolgt von der ersten GmbH an die Verwaltungs-GmbH. Im neuen GF-Anstellungsvertrag mit der ersten GmbH wird dementsprechend geregelt, dass eine Bezahlung an den GF nicht erfolgt. Der Insolvenzverwalter der dann gefallenen ersten GmbH erhebt Klage gegen die Verwaltungs-GmbH mit dem Argument, es liege eine rechtswidrige Arbeitnehmer-Überlassung vor (und einigen weiteren Argumenten, die sich eher hören lassen könnten), er fordert daher wegen behaupteter Nichtigkeit des behaupteten Arbeitnehmerüberlassungsvertrags (es ging um den Geschäftsführer!) alle erbrachten Zahlungen zurück.
Ich könnte die Beispiele ein Stück weit fortsetzen. Allen ist mehr oder weniger gemeinsam gewesen, dass ich mir - überspitzt - die Frage gestellt habe: Was soll das? In allen Verfahren hat der Senat mehr oder weniger deutlich darauf hingewiesen, dass er für das Verhalten der Insolvenzverwalter keine hinreichende rechtliche Grundlage zu erkennen vermag, gelegentlich fallen die zugehörigen Ausführungen so deutlich aus, dass sich die unmittelbare Haftungsfrage des Insolvenzverwalters für die Masse schon deswegen stellt, weil er diesen Prozess überhaupt geführt hat und nicht gleich eingelenkt hat. Neulich hat der Senat mal ausdrücklich in ein Urteil reingeschrieben, dass wegen des von vorne herein aussichtslosen Prozesses die Masse hier Regressansprüche gegen den Prozessbevollmächtigten (aus der gleichen Kanzlei wie der Insolvenzverwalter) hat.
Zur Ausgangsfrage zurück:
Berichten Insolvenzverwalter unter Vorlage der ergangenen Entscheidungen über die von ihnen geführten Rechtsstreitigkeiten, so dass sich das Insolvenzgericht eine eigene Auffassung darüber bilden kann, ob es sinnvoll war, diesen Rechtsstreit zu führen? Oder wird das in einem Bericht eher versteckt nach dem Motto "aus hier nicht vollständig nachvollziehbaren Gründen ging der Prozess bedauerlicherweise verloren, ein Ergebnis für die Masse konnte daher leider nicht erzielt werden"? Fragt das Insolvenzgericht bei vom Insolvenzverwalter als besonders bedeutsam geschilderten Verfahren mal von sich aus nach und lässt sich begründete Entscheidungen vorlegen?
Ich habe nur verhältnismäßig wenige (wohl so 20 - 30) Insolvenzakten bisher gesehen, eine Anforderung von Amts wegen kommt im Zivilprozess ja nicht in Betracht. In keiner der Akten habe ich bisher einen detaillierten Bericht über laufende Verfahren gesehen, aber auch keine entsprechenden Anforderungen durch das Insolvenzgericht. Ist die Führung von Rechtsstreitigkeiten für den Insolvenzverwalter damit ein faktisch kontrollfreier Raum? Für das inhaltliche Ergebnis tragen natürlich die Sachgerichte die Verantwortung. Mir geht es um die Frage, ob in irgendeiner relevanten Form (jenseits des Formalbeschlusses nach § 160 InsO, der ja vor der Klageerhebung liegen müsste) geprüft wird, ob durch die tatsächlich geführten Prozesse in Wirklichkeit nur Geld verschwendet wurde und ob dies bei systematischem Auftreten Rückwirkungen für den Insolvenzverwalter hat.
Mit freundlichen Grüßen
AndreasH