Belehrung vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung im nachhinein unwirksam?

  • Auf die Schnelle fiel mir kein besserer Titel ein :oops:.

    Ich habe folgenden Fall. IN-Verfahren. Vor einem halben Jahr habe ich Forderungen geprüft. Dort waren mehrere Forderungen als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen angemeldet. Die Belehrung über die Möglichkeit des Widerspruchs wurde dem Schuldner zugestellt. laut Urkunde durch Niederlegung in der Wohnung. Das habe ich brav ins Protokoll so aufgenommen.
    Jetzt bekomme ich bei einer Anfrage beim Einwohnermeldeamt mitgeteilt, dass der Schuldner bereits ein halbes Jahr vorher in die Türkei ausgewandert ist. davon mal abgesehen, wo wohl der Zustellungsbeamte die Schreiben reingelegt hat, wie muss ich damit denn jetzt umgehen? Muss ich die Tabellenblätter wieder ändern ? Muss ich einen neuen Prüfungstermin anberaumen und die erneut prüfen (ganz abgesehen davon, dass ich den Schuldner ja wahrscheinlich in der Türkei garnix zustellen kann; Wohnung dort unbekannt) ? Muss ich die Gläubiger davon in Kenntnis setzen? Hatte sowas schon mal jemand von Euch und wie seid Ihr damit umgegangen?

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Tja, ich meine, das sind zwei unterschiedliche paar Schuhe. Ich kann ihm zwar die Stundung entziehen etc.. Eben per Beschluss. Aber wenn ich den gesetzlich belehren muss und das nicht geht, habe ich doch meine Bedenken, das als ordnungsgemäß anzusehen. Zumal, wenn überhaupt, hätte ich ja eine öffentliche Bekanntmachung hinterherschieben müssen.

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  • Der deliktische Hinweis ist per Gesetz nicht einmal zuzustellen, wird aber aus regressvermeidenden Nachweisgründen seitens des IG zu Recht praktiziert.

    Amtswegig wüsste ich allerdings hier jetzt nichts zu veranlassen, sogar die ZU hast du.

    Für den Schuldner, falls er aus der Türkei noch ein Interesse an der Verfahrensteilnahme und an einem verspäteten Widerspruch gegen das Delikt hat:

    § 186 InsO (auf Antrag !)

  • hm, also ich denke schon, dass die Belehrung zuzustellen ist (besondere Fristsetzung, daher 329 ZPO - lässt sich aber drüber streiten).
    Die zitierte BGH-Entscheidung passt nicht hierher. Aber: es gibt eine Urkunde, die die Zustellung nachweist. Auch wenn der Zustellungsempfänger ausgewandert ist, hat er eine für Zustellungen zum Empfang bereite Einrichtung aufrecht erhalten, von daher.....

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    :daumenrau

  • Die Ersatzzustellung ist unwirksam, da sie offensichtlich nicht in der Wohnung des Schuldners erfolgt ist. Selbst wenn er seinen Namensschild am Briefkasten belassen hat, führt das nicht zu einer ordnungsgemäßen Zustellung (vgl. BGH v. 16.06.2011, III ZR 342/09).

    Ich würde daher hier auch auf die von Cuber zitierte BGH-Entscheidung abstellen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Schöner Fall. ;)

    Ist der Schuldner eigentlich vor Insolvenzeröffnung ausgewandert?

    Ok, zum Fall. Du hast einerseits die Zustellungsurkunde, k. g. zur Akte. Nichts weiter veranlasst. Da Dir aber positiv bekannt ist, dass der Schuldner schon vorher verzogen ist, könntest Du das Attribut noch nachträglich prüfen. Aber auch hier wirst Du wieder das Problem haben, dem Schuldner die Belehrung zukommen zu lassen.

    Pragmatische Anwendung:

    Da der Schuldner unbekannt verzogen ist, würde ich ihm sofort die Stundung aufheben --> § 207 InsO, Problem erledigt.

  • Die Ersatzzustellung ist unwirksam, da sie offensichtlich nicht in der Wohnung des Schuldners erfolgt ist. Selbst wenn er seinen Namensschild am Briefkasten belassen hat, führt das nicht zu einer ordnungsgemäßen Zustellung (vgl. BGH v. 16.06.2011, III ZR 342/09).

    Ich würde daher hier auch auf die von Cuber zitierte BGH-Entscheidung abstellen.

    Tja, das hatte ich im Zöller auch so gelesen. Für mich wäre natürlich interessant, wie die Konstellation im vergleichbaren Fall eines zugestellten Urteils gelaufen wäre? Also man stellt bei einem VU ein halbes jahr später fest, dass der Schuldner bereits amtlich verzogen war?

    Wie gesagt, ich meine, der Beschluss von Cuber passt hier nicht.


    Schöner Fall. ;)

    Ist der Schuldner eigentlich vor Insolvenzeröffnung ausgewandert?

    Ok, zum Fall. Du hast einerseits die Zustellungsurkunde, k. g. zur Akte. Nichts weiter veranlasst. Da Dir aber positiv bekannt ist, dass der Schuldner schon vorher verzogen ist, könntest Du das Attribut noch nachträglich prüfen. Aber auch hier wirst Du wieder das Problem haben, dem Schuldner die Belehrung zukommen zu lassen.

    Pragmatische Anwendung:

    Da der Schuldner unbekannt verzogen ist, würde ich ihm sofort die Stundung aufheben --> § 207 InsO, Problem erledigt.

    Aber dann hast Du ja immer noch das Problem, dass die Gläubiger Tabellenblätter mit dem Eintrag vbuH und ohne Widerspruch erhalten. Wenn die Prüfung des Rechtsgrundes aber unwirksam war/ist, dürfte das wiederum nicht richtig sein (wobei vielleicht auch egal, da eh keine richterliche Schlüssigkeitsprüfung und somit eh keine verschärfte Pfändung im falle des Falles möglich...?!).

    Ach so, es ist genug Masse da, so dass § 207 InsO eh nicht in Betracht kommt.

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    Einmal editiert, zuletzt von Mosser (31. Juli 2014 um 07:52) aus folgendem Grund: ergänzt

  • Mal provokant gefragt: Woher weiß ich, dass die EMA-Auskunft den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht? M. a. W: Warum will ich diese "höher" bewerten als einen urkundlichen Zustellnachweis?

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Mal provokant gefragt: Woher weiß ich, dass die EMA-Auskunft den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht? M. a. W: Warum will ich diese "höher" bewerten als einen urkundlichen Zustellnachweis?

    Tja, das EMA hat mitgeteilt, dass der Schuldner bereits ein halbes Jahr vor Belehrung "von Amts wegen in die Türkei" abgemeldet wurde. Im Zöller steht dazu, eine fehlerhafte Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Niederlegung machen die Zustellung unwirksam. So ist das dann natürlich hier.

    Aber vielleicht können wir ja mal das Pferd von hinten aufzäumen: was macht Ihr denn, wenn Ihr belehren wollt und bekommt die Sachen zurück mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" und weiter die EMA-Anfrage lautet dann entsprechend? Führt Ihr dann tatsächlich die Belehrung über eine öffentliche Bekanntmachung durch?

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  • Wenn nicht belehrt wird, dann ist Wiedereinsetzung möglich (AG Duisburg, Beschluss vom 26. 7. 2008 - 62 IN 36/02).

    Nur, wie soll man hier richtig belehren? Ob man hier § 10 InsO entsprechend anwenden kann, wage ich zu bezweifeln. Öffentliche Bekanntmachung kann ich mir auch nicht vorstellen, dass das hier helfen soll.

    Aktenvermerk machen, dass eine Belehrung nicht möglich ist und fertig.

  • Wenn nicht belehrt wird, dann ist Wiedereinsetzung möglich (AG Duisburg, Beschluss vom 26. 7. 2008 - 62 IN 36/02).

    Nur, wie soll man hier richtig belehren? Ob man hier § 10 InsO entsprechend anwenden kann, wage ich zu bezweifeln. Öffentliche Bekanntmachung kann ich mir auch nicht vorstellen, dass das hier helfen soll.

    Aktenvermerk machen, dass eine Belehrung nicht möglich ist und fertig.

    Ich meine auch, § 10 InsO hier nicht anwendbar. ich werde hier wohl wirklich einfach einen Vermerk aufnehmen, dass die Belhrung im nachhinein nicht wirksam ist und jetzt durch den Verzug auch keine mehr erfolgen kann. Praktisch kann es ja eigentlich nur nochmal relevant werden, wenn der Schuldner aus der Türkei zurückkommt. Und dann wird der Schuldner wohl klagen müssen.

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  • [QUOTE=Mosser;967838
    Tja, das hatte ich im Zöller auch so gelesen. Für mich wäre natürlich interessant, wie die Konstellation im vergleichbaren Fall eines zugestellten Urteils gelaufen wäre? Also man stellt bei einem VU ein halbes jahr später fest, dass der Schuldner bereits amtlich verzogen war?
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    Ich meine mich von M-Zeiten zu erinnern, dass den Nachweis der Schuldner zu führen hat, dass er (in meinem Fall damals ein VB) nicht bekommen hat.
    Sind wir mal ehrlich, wenn es einen Briefkasten gab, dann hat doch da zumindest noch ein Familienmitglied gewohnt, oder?

  • Mal provokant gefragt: Woher weiß ich, dass die EMA-Auskunft den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht? M. a. W: Warum will ich diese "höher" bewerten als einen urkundlichen Zustellnachweis?

    Tja, das EMA hat mitgeteilt, dass der Schuldner bereits ein halbes Jahr vor Belehrung "von Amts wegen in die Türkei" abgemeldet wurde.

    Und woher will man wissen, dass die Angaben des EMA korrekt sind?

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Mal provokant gefragt: Woher weiß ich, dass die EMA-Auskunft den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht? M. a. W: Warum will ich diese "höher" bewerten als einen urkundlichen Zustellnachweis?

    Tja, das EMA hat mitgeteilt, dass der Schuldner bereits ein halbes Jahr vor Belehrung "von Amts wegen in die Türkei" abgemeldet wurde.

    Und woher will man wissen, dass die Angaben des EMA korrekt sind?

    Nun, ich denke mal, das ist/war ein amtliches Verfahren, was sicherlich auch nach irgendwelchen Vorschriften durchgeführt wird. Wenn man so will, dann kann man ja keinen Informationen anderer Behörden trauen.

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  • Mal provokant gefragt: Woher weiß ich, dass die EMA-Auskunft den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht? M. a. W: Warum will ich diese "höher" bewerten als einen urkundlichen Zustellnachweis?

    Tja, das EMA hat mitgeteilt, dass der Schuldner bereits ein halbes Jahr vor Belehrung "von Amts wegen in die Türkei" abgemeldet wurde.

    Und woher will man wissen, dass die Angaben des EMA korrekt sind?

    Nun, ich denke mal, das ist/war ein amtliches Verfahren, was sicherlich auch nach irgendwelchen Vorschriften durchgeführt wird. Wenn man so will, dann kann man ja keinen Informationen anderer Behörden trauen.

    Und die Zustellung wird auch nach den Vorschriften der ZPO durchgeführt. Und normalerweise traust Du der ZU ja auch ;). Was ich sagen will, ist: Eines der Verfahren ist "vergurkt" und ich würde mich nicht veranlasst sehen, von Amts wegen zu entscheiden, welches.

    Ich würde hier nix machen. Sollte der Schuldner sich irgendwann wieder für sein Verfahren interessieren, mag er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und entsprechend vortragen. Wenn das Insolvenzverfahren dann bereits beendet ist, bleibt den Beteiligten wohl nur noch eine prozessgerichtliche Klärung (?).

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