Benachrichtigung über den Anfall der Erbschaft anscheinend nicht erhalten

  • Im Falle eines offensichtlich überschuldeten Nachlasses haben die nächsten Erben ausgeschlagen. Übrig geblieben ist ein Bruder des Erblassers, der bis heute nicht ausgeschlagen hat und nun Alleinerbe ist.

    Die Gläubiger des Erblassers treten nun mit Forderungen an ihn heran. Hierauf hat sich der Erbe empört telefonisch und schriftlich an das Nachlassgericht gewandt und erklärt, dass er nie etwas über den Anfall der Erbschaft erfahren habe. Ausweislich der Akte ist die Bnachrichtigung über den Anfall der Erbschaft aber an ihn verschickt worden. Die Frist des § 1944 Abs. 1 BGB (gerechnet ab diesem Schreiben) ist längst abgelaufen.

    M.E, kann der Erbe aber auch jetzt noch die Ausschlagung erklären und das Versäumen der Frist anfechten. Fraglich ist nur, welchen Grund er für das Versäumen der Frist angeben kann.

    Die Wirksamkeit der Ausschlagung wird nur im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens geprüft; den Antrag hierfür wird einer der Gläubiger sicher stellen. Über den Antrag müsste ich dann selbst entscheiden und die Argumente für die Fristversäumung werten.

    Auf das Schreiben des Erben muss ich noch reagieren.

    Wie seht Ihr das und was würdet Ihr tun.

  • Es gibt eine OLG Frankfurt (?) Entscheidung (habe ich gerade nicht zur Hand), bei der die Richter sogar davon ausgegangen sind, dass man ein Schreiben nicht nur erhalten, sondern auch lesen und verstehen muss. Erst dann wird die Frist in Gang gesetzt. Es ging bei dem Fall um eine Benachrichtigung nach Ausschlagung, die kurz vor einer Urlaubreise einging, überflogen und dann beiseite gelegt wurde. Die Richter sahen die Frist daher noch nicht als verstrichen an, als erst Wochen später ausgeschlagen wurde.

  • Auch ich würde dem Erben den Floh mit der Anfechtung gar nicht erst ins Ohr setzen. Im Zweifel hat er keinen Anfechtungsgrund. Soll er sich auf den Standpunkt stellen, er habe das Schreiben nicht erhalten/nicht gelesen oder was auch immer, und dann die Erbschaft fristgerecht ausschlagen.

  • Es gibt eine OLG Frankfurt (?) Entscheidung (habe ich gerade nicht zur Hand), bei der die Richter sogar davon ausgegangen sind, dass man ein Schreiben nicht nur erhalten, sondern auch lesen und verstehen muss. Erst dann wird die Frist in Gang gesetzt. Es ging bei dem Fall um eine Benachrichtigung nach Ausschlagung, die kurz vor einer Urlaubreise einging, überflogen und dann beiseite gelegt wurde. Die Richter sahen die Frist daher noch nicht als verstrichen an, als erst Wochen später ausgeschlagen wurde.

    Die Entscheidung würde mich interessieren. Momentan herrscht hier auch die Anfechteritis. Unsere Hinweisblätter scheinen momentan etwas schwer verständlich. Wobei wir uns dann die Anschreiberei wirklich sparen können, wenn letztendlich jeder mit der "Boah Ausschlagung - Form und Frist oder wa? Hab ich echt nich kapiert..."-Begründung anfechten kann.

    Zum Ausgangsfall: Ich nehme mal an, das ist gem. § 15 FamFG erfolgt. Wenn der "Erbe" glaubhaft macht, dass er das Schriftstück nicht erhalten hat, reicht das aus. Keidel (Anm. 70 zu § 15 FamFG) lässt dafür auch eine eV gelten.
    Dann würde die Frist erst später zu laufen beginnen.

  • Der Erbe mag die Ausschlagung erklären und sich dann eine gerichtsbeglaubigte Kopie der Ausschlagung aus der Nachlassakte beantragen (§ 13 III FamFG).
    Hilfsweise kann er noch dazu die Versäumung der Ausschlagungsfrist wg. Irrtum anfechten. Was genau sein Irrtum war/ist, muss er ja in die Anfechtung nicht reinschreiben.

    Diese nachlassgerichtlich beglaubigte Kopie seiner Erklärung aus den Gerichtsakten sollte er dann den Gläubigern zusenden. Ich möchte den Gläubiger sehen, der dann dennoch einen Zivilprozess anstrengt oder (bei bereits titulierter Forderung) sogar nach 792 ZPO iVm. § 375 II FamFG ein Erbscheinsverfahren zur Klauselumschreibung (§ 727 ZPO) in Lauf bringt.

    Der Erbe kann doch die Gläubiger am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Er bezahlt einfach nicht und Zwangsvollstreckungen gegen ihn gehen ohne Titel und Rechtsnachfolgeklausel ohnehin nicht. Basta.

    Einziges Problem: Manche Gläubiger setzen den Erben dann auf eine "schwarze Liste" oder geben eine Schufa-Meldung ab....das ist dann zwar unrichtig, aber eben die normative Kraft des Faktischen.

    Also muss zusammen mit dem Schreiben des Erben an die Gläubiger eine Aufforderung an diese verbunden sein, sich ausdrücklich gegenüber dem "Erben" zu erklären, dass sie keine weiteren Forderungen gegen ihn (wegen der Ausschlagung) erheben werden. Anderenfalls müßte der Erbe den Gläubigern eine negative Feststellungsklage androhen. Das zieht in der Regel ganz gut.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Der Erbe mag die Ausschlagung erklären und sich dann eine gerichtsbeglaubigte Kopie der Ausschlagung aus der Nachlassakte beantragen (§ 13 III FamFG).
    Hilfsweise kann er noch dazu die Versäumung der Ausschlagungsfrist wg. Irrtum anfechten. Was genau sein Irrtum war/ist, muss er ja in die Anfechtung nicht reinschreiben.

    Keine Ahnung wie das bei den anderen Gerichten in der Republik gehandhabt wird, aber sooo einfach läuft das bei mir nicht.
    Wenn aus der Akte ersichtlich ist, dass der gesetzliche Erbe benachrichtigt und über Form und Frist der Ausschlagung belehrt wurde, dann nehme ich nach Fristablauf gerne die Anfechtungserklärung auf. Allerdings schreibe ich schon ein paar mehr Sätze und erwarte eine Begründung.

    Freilich muss keine geliefert werden, aber wir wollen auch nicht vergessen, dass derjenige, der sich auf die Wirksamkeit der Anfechtung beruft, dies darzulegen hat. Und ich bin was das angeht den Gläubigern gegenüber sehr ehrlich.

    Da wird die Anfechtungserklärung mitgeteilt und überdies, ob ein Grund angegeben wurde und welcher. Schließlich muss es auch dem Gläubiger möglich sein zu prüfen, ob die im Erbscheinsverfahren erfolgende Feststellung der (Un)Wirksamkeit Aussicht auf Erfolg hat.

    Wer aus reiner Bequemlichkeit Fristen versäumt, muss die Konsequenzen tragen und darf insoweit nicht unnötig stark vom Gericht geschützt werden (Thema Rechtsbeugung). Im Übrigen baue ich auch MEINER rechtlichen Prüfung vor, da in Niedersachsen der Rechtspfleger für alle Erbscheinsverfahren - solange nicht streitig - zuständig ist. Zu den nichtstreitigen Erbscheinsverfahren gehört auch die Prüfung, ob eine Ausschlagung/Anfechtung der Annahme wirksam ist oder nicht. Und ohne Begründung würde ich immer die Unwirksamkeit feststellen (nach vorheriger Anhörung des Betroffenen).

  • Sorry, ich wurde ggf missverstanden. Natürlich gehe ich davon aus, dass der Erbe nicht lügt.

    Doch selbst wenn, dann kann sich das NLG nicht dagegen wehren, dass eine solche wie von mir erwähnte Erklärung mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung zu den Nachlassakten gereicht wird. Was sich das Gericht evtl vermerkt ist dabei zunächst egal und dem Antrag nach § 13 III FamFG muss man auch stattgeben. Alles andere ist eine Frage, die erst in einem Erbscheinsverfahren oder einem Zivilprozess geprüft wird.

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  • Meine Erfahrung privat und Notariat mit der Post lässt keine Zweifel, dass viele Sendungen nicht ankommen und leider auch nicht an den Absender zurück gehen. Ich habe daher kein Problem, eine Ausschlagungserklärung in so einem Fall aufzunehmen.

  • Zugegeben, es ist gar nicht so einfach für jeden Einzelfall die richtige Lösung zu finden.

    Aber es wäre schon spannend zu erfahren wie die Obergerichte entscheiden, wenn

    1. das Nachlassgericht den Nächstberufenen schriftlich informiert hat und
    2. die Frist versäumt wird und
    3. die spätere Ausschlagung oder auch Anfechtung wegen angeblicher Fehlzusendung erklärt wird und
    4. der/die Gläubiger einen Erbschein beantragt, der die betreffende Person als (Mit-)Erbe ausweist und
    5. das Gericht den Erbschein erteilt/ nicht erteilt und entweder der Gläubiger oder der Erbe sich beschweren.

    Ich bin mir nicht sicher ob ich es schon an anderer Stelle im Forum mal habe anklingen lassen, aber wenn die Schutzbehauptung des Erben (egal ob sie auf Wahrheit beruht oder nicht) genügen würde um den Antrag des Gläubigers zurückzuweisen, dann müsste die Benachrichtigung i.S.d. § 1953 Abs. 3 BGB immer per ZU erfolgen, andernfalls wäre die Ausschlagungsfrist ohne Weiteres umgehbar.

  • Schutzbehauptung des Erben (egal ob sie auf Wahrheit beruht oder nicht)

    Eine "Schutzbehauptung", die auf der Wahrheit beruht. Interessante Weltsicht :daemlich.
    (Duden: Schutzbehauptung ist eine "unzutreffende Behauptung, mit deren Hilfe jemand eine Schuld zu verbergen sucht, einer Bestrafung zu entgehen versucht")

    dann müsste die Benachrichtigung i.S.d. § 1953 Abs. 3 BGB immer per ZU erfolgen, andernfalls wäre die Ausschlagungsfrist ohne Weiteres umgehbar.

    Meine Meinung hierzu ist, dass alles, worauf man sich hinterher verlassen können muss, gegen Nachweis zu geschehen hat. Für mich heißt das: mindestens per Einschreiben, und zwar mit der Deutschen Post, nicht mit einem "Zustellservice" - ich warte seit über 10 Jahren und bis heute auf die Aufforderung, mich zur Vereidigung beim Präsidenten des Landgerichts zu melden, denn der private Zustelldienst hatte diese verschlampt (ich wurde dann vereidigt, nachdem das Sekretariat des Präsidenten mich anrief und fragte, wann ich denn mal vorbeikommen wolle - in 8 Tagen sei Amtsbeginn und ohne Ernennung gäbe es kein Siegel).

    Und bei ganz harten Fällen lasse ich durch den GV zustellen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • In meinem Fall bin ich "nur" das Nachlassgericht am letzten Wohnort des Erblassers. Der ausschlagungswillige Erbe wohnt in einem anderen Bezirk. Wahrscheinlich wird der Erbe dort ausschlagen wollen.

    Auf sein Schreiben muss ich ihm etwas mitteilen, ohne ihn rechtlich zu beraten.

    Ich frage mich, wie ich das tun kann und hierbei die Rechte aller Beteiligten wahre.

    Was meint Ihr?

  • Das macht man, indem man den Gesetzestext neutral darlegt.

    Also erklärt man ihm, wie und unter welchen Bedingungen man grundsätzlich eine Erbschaft annehmen und ausschlagen oder eine Anfechtung der Annahme erklären kann. Sachlich und ohne konkret eine Wertung in Bezug auf den genannten Sachverhalt vorzunehmen.

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  • Schutzbehauptung des Erben (egal ob sie auf Wahrheit beruht oder nicht)

    Eine "Schutzbehauptung", die auf der Wahrheit beruht. Interessante Weltsicht :daemlich. (Duden: Schutzbehauptung ist eine "unzutreffende Behauptung, mit deren Hilfe jemand eine Schuld zu verbergen sucht, einer Bestrafung zu entgehen versucht")

    dann müsste die Benachrichtigung i.S.d. § 1953 Abs. 3 BGB immer per ZU erfolgen, andernfalls wäre die Ausschlagungsfrist ohne Weiteres umgehbar.

    Meine Meinung hierzu ist, dass alles, worauf man sich hinterher verlassen können muss, gegen Nachweis zu geschehen hat. Für mich heißt das: mindestens per Einschreiben, und zwar mit der Deutschen Post, nicht mit einem "Zustellservice" - ich warte seit über 10 Jahren und bis heute auf die Aufforderung, mich zur Vereidigung beim Präsidenten des Landgerichts zu melden, denn der private Zustelldienst hatte diese verschlampt (ich wurde dann vereidigt, nachdem das Sekretariat des Präsidenten mich anrief und fragte, wann ich denn mal vorbeikommen wolle - in 8 Tagen sei Amtsbeginn und ohne Ernennung gäbe es kein Siegel). Und bei ganz harten Fällen lasse ich durch den GV zustellen.


    Vielen Dank für die Aufklärung. Ich denke jeder außer dir wusste was gemeint war. Wenn Notare genauso akribisch bei Beurkundungen und rechtlichen Ausführungen wären, hätte ich mehr Zeit für den Duden. ;)

  • In meinem Fall bin ich "nur" das Nachlassgericht am letzten Wohnort des Erblassers. Der ausschlagungswillige Erbe wohnt in einem anderen Bezirk. Wahrscheinlich wird der Erbe dort ausschlagen wollen.

    Auf sein Schreiben muss ich ihm etwas mitteilen, ohne ihn rechtlich zu beraten.

    Ich frage mich, wie ich das tun kann und hierbei die Rechte aller Beteiligten wahre.

    Was meint Ihr?


    Halte uns mal bitte auf dem Laufenden, was du gemacht hast und wie das Verfahren endete.

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