Hallo,
in einer Beratung einer Kollegin eines insolventen Arztes bin ich gerade mit folgendem Problem konfrontiert:
Der Arzt befand sich bis zur Verfahrenseröffnung in einer Praxisgemeinschaft. Er erzielte in den letzten drei Jahren im monatlichen Durchschnitt Einnahmen in Höhe von rund 18.000 Euro durch die Behandlung von Privatpatienten und rund 5.000 Euro durch die Behandlung von Kassenpatienten. Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens (6 Monate) und im eröffneten Insolvenzverfahren arbeitet der Schuldner weiter, obwohl er hierfür vom Verwalter keine Zahlung erhielt. Auch nach Festsetzung eines unpfändbaren Betrages durch das Insolvenzgericht wird im vorläufigen Verfahren der unpfändbare Betrag nur einmalig vom vIV bezahlt. Der Schuldner stellt daraufhin die Behandlung von Privatpatienten vollständig ein, behandelt aber weiterhin seine Kassenpatienten. Die unpfändbaren Beträge aus dem vorläufigen Verfahren bekommt der Schuldner nach entsprechendem Urteil vom IV nach fast 9 Monaten "nachgezahlt" . Im eröffneten Verfahren behandelt der Schuldner weiterhin nur seine Kassenpatienten und der IV zieht weiterhin die Vergütung vollständig ein, die pfändungsfreien Beträge erhält der Schuldner erst nach entsprechendem Antrag und Festsetzung durch das Gericht .
Der IV bezahlt allerdings im eröffneten Verfahren weder die anteiligen Kosten der Praxis (denn die Praxisgemeinschaft ist als Gesellschaft durch die Verfahrenseröffnung beendet und er ist in das Mietverhältnis und die Arbeitsverhältnisse nicht eingetreten), die berufsständische Altersversorgung des Schuldners noch andere betriebliche Kosten. Die mehrfache Aufforderung zur Freigabe wurde abgelehnt, mit der Begründung, es liefen ja schließlich keine Masseverbindlichkeiten auf, so dass eine Freigabe nicht in Frage käme. Vielmehr wird dem Schuldner vorgeworfen, dass er die Behandlung der Privatpatienten eingestellt habe und damit dem Insolvenzverfahren die wirtschaftliche Grundlage entzogen habe.
Der Antrag des Schuldners, ihm auch die Kosten für die Berufsausübung (Praxismiete, Personalkosten und Labor-/Materialkosten) und die Beiträge zur Altersversorgung unpfändbar zu belassen, wurde vom Gericht abgelehnt. Das Gericht vertritt zum Einen die Auffassung, die Beiträge zur Altersversorgung seien dem Schuldner nicht pfändungsfrei zu belassen, da er sie vor Verfahrenseröffnung zuletzt auch nicht mehr bezahlt hat und zum Anderen, dass ihm die betrieblichen Kosten nicht pfändungsfrei zu belassen wären, weil der Insolvenzverwalter mitgeteilt habe, dass die erzielten Einnahmen zur Deckung der betrieblichen Kosten nicht ausreiche, somit also nichts zur Verfügung stünde, was freigegeben werden könnte, denn schließlich habe der IV nur rund 30.000 Euro auf dem Konto und die aufgelaufenen Praxiskosten und Altersversorgungsbeiträge beliefen sich auf mehr als 100.000 euro.
Meine Mandantin, die Kollegin aus der Praxisgemeinschaft, die bislang die Kosten der Praxis aus persönlichen Gründen allein getragen/vorgestreckt hat, hat sich an mich wegen einer zweiten Meinung gewandt, weil sie im Prozess gegen den Verwalter (wegen der anteiligen Praxiskosten) vom Landgericht gefragt wurde, ob sie nicht lieber die Klage zurücknehmen wolle, da es einen Anspruch gegen den Insolvenzverwalter nicht gäbe.
Gab es denn nicht einmal eine Entscheidung, wonach der IV die anfallenden betrieblichen Kosten als Masseverbindlichkeiten zu tragen hat, weil er die selbständige Tätigkeit des Schuldners geduldet und nicht freigegeben hat? Für kurze Anregungen eurerseits wäre ich sehr dankbar! Sehe wahrscheinlich gerade den Wald vor lauter Bäumen nicht.