Titel ohne vollstreckungsfähigen Inhalt

  • :gruebel:...mittlerweile ist es ein einziges Kuddelmuddel, daher benötige ich mal einen kollegialen Rat:

    Gl. möchte PfÜB erwirken. Als Titel soll eine notarielle Urkunde dienen und genau in dieser Urkunde ist das Problem zu erblicken. Sie enthält folgende Formulierung:

    "Herr X verpflichtet sich, für die Dauer des Getrenntlebens an seine Ehefrau ... EUR zu zahlen."

    Aus dem Titel ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte in puncto Dauer des Getrenntlebens.

    Hierauf habe ich den Gl.-Vertr. hingewiesen. Dieser reicht nun diverse weitere Urkunden (auch Urteile) ein, um die Dauer des Getrenntlebens nachzuweisen. Mir haben zwischenzeitlich wohl schon 3 oder 4 Urteile, Beschlüsse u. Urkunden vorgelegen, die aus Sicht des Gl.-Vertr. dazu dienen sollten, den Zeitraum des Getrenntlebens zu bestimmen.

    :gruebel:... Ich erinnere mich dunkel, dass es Rspr. zu dieser Fragestellung, d.h. zu der Frage gibt, ob auch Umstände außerhalb des Vollstreckungstitels (hier also außerhalb der urspr. notar. Urkunde) zur Feststellung des Vollstreckungsanspruchs herangezogen werden können. Wenn ich mich recht entsinne, wurde dies im Rahmen der Entscheidung verneint.

    Kann mir jemand mit Rspr. o.Ä. weiterhelfen? Wie würdet ihr einen solchen Fall handhaben? :confused:

  • Hab jetzt keine Rspr parat, handhabe das aber auch so. Umfang des Anspruchs muß sich allein aus dem Titel ergeben (Bestimmtheitsgrundsatz). Rücknahme anregen und dann ggf. zurückweisen.

    Zitat aus AG Wiesbaden, 536 F 147/04:

    Der Bestimmtheitsgrundsatz gilt als wesentlicher Grundsatz des deutschen Rechts auch für gerichtliche Entscheidungen und ist Ausfluss des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsgebots. Im Rahmen des Vollstreckungsrechts besagt er, dass der Gegenstand der Vollstreckung in einem vollstreckbaren gerichtlichen Titel hinreichend bestimmt zu bezeichnen ist. Der Titel muss so klar gefasst sein, dass den Vollstreckungsorgane ohne weitere Prüfung der Sache vollstrecken können.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Der titulierte Anspruch dürfte von einer Bedingung, nämlich der Tatsache des Getrenntlebens abhängen.
    Man könnte also auf die Idee kommen, dass hier eine Klausel nach § 726 ZPO erforderlich ist. Da aber der Bedingungseintritt nicht urkundlich nachgewiesen werden kann, ist der Gläubiger m.E. auf die Klauselklage gem. § 731 ZPO zu verweisen.

  • Der Vollstreckungstitel kann bei nicht zweifelsfreiem Inhalt ausgelegt werden, die zur Auslegung herangezogenen Umstände müssen sich allerdings aus dem Titel selbst ergeben.

    Auf andere tatsächliche und rechtliche Umstände als gesetzliche Vorschriften kann dabei nicht zurückgegriffen werden.
    Den Vollstreckungsorganen ist es grundsätzlich verwehrt, auf außerhalb des Titels liegende Umstände zurückzugreifen wie z. Bsp. Urkunden, die Prozessakten, die Klage- bzw. Rechtsmittelschrift oder die im Rechtsstreit gestellten Anträge; Urkunden können nur beachtet werden, wenn sie zum Bestandteil des Urteils gemacht worden sind, bloße Bezugnahme reicht nicht aus. 

    Zöller, ZPO, RdNr. 5 zu § 704 und RdNr. 14a zu § 794 (allerdings in der 27. Auflage:oops:)
    Musielak, ZPO, RdNr. 6 zu § 704 (8. Auflage 2011)

    and the night is full of hunters
    (The Beauty of Gemina - Hunters)

  • Nur mal so brainstormtechnisch: Wenn da jemand ein rechtskräftiges Scheidungsurteil auf den Tisch legte, dann wäre doch mit dem Datum der Rechtskraft das Ende des Getrenntlebens nachgewiesen, oder?

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • Ende ist dann klar, aber wann fings los???

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview



  • Vielen Dank für die Hinweise. Insbesondere die obigen Ausführungen bieten einen klaren Orientierungspunkt. :daumenrau

  • Ende ist dann klar, aber wann fings los???

    Das müsste sich eigentlich auch aus dem Scheidungsverfahren entnehmen lassen. Bin grad daheim weil wegen Urlaub :D und daher am Nachsehen gehindert, bin mir aber sicher, dass das Ende der Ehezeit zu den Sachen gehört, die zu Beginn des Scheidungsverfahrens ausdrücklich seitens des Gerichts mitgeteilt werden (vor Augen hab ich das grad besonders im VA-Verfahren). Ob das jetzt auch nochmal ausdrücklich im Scheidungsbeschluss steht... m. E. ja.

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • Der Beginn des Getrenntlebens wird sich auch aus dem Scheidungsurteil ergeben. Davon hängt ja die Zulässigkeit des Scheidungsantrages selbst ab.

    Für welchen Zeitraum wird die Forderung denn geltend gemacht? Irgendeine Aussage wird doch auch die notarielle Urkunde enthalten??

    Ansonsten wäre ich auch für eine 726er Klausel.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Ende ist dann klar, aber wann fings los???



    Das müsste sich eigentlich auch aus dem Scheidungsverfahren entnehmen lassen.


    Aber auch dann gibt immer noch das Problem, dass man das Scheidungsurteil nicht heranziehen darf.

    Der Vollstreckungstitel kann bei nicht zweifelsfreiem Inhalt ausgelegt werden, die zur Auslegung herangezogenen Umstände müssen sich allerdings aus dem Titel selbst ergeben.

    Auf andere tatsächliche und rechtliche Umstände als gesetzliche Vorschriften kann dabei nicht zurückgegriffen werden.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Aber auch dann gibt immer noch das Problem, dass man das Scheidungsurteil nicht heranziehen darf.

    Der Vollstreckungstitel kann bei nicht zweifelsfreiem Inhalt ausgelegt werden, die zur Auslegung herangezogenen Umstände müssen sich allerdings aus dem Titel selbst ergeben.

    Auf andere tatsächliche und rechtliche Umstände als gesetzliche Vorschriften kann dabei nicht zurückgegriffen werden.



    Mh. Die Umstände ergeben sich aber dann doch gerade aus gesetzlichen Vorschriften - aus den gleichen nämlich, die Grundlage für das Scheidungsverfahren waren -> Zulässigkeit des Scheidungsverfahrens, siehe Tommy, # 10. Lediglich der Zeitraum ergibt sich ja aus dem Scheidungsbeschluss.

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  • Der Beginn des Getrenntlebens wird sich auch aus dem Scheidungsurteil ergeben. Davon hängt ja die Zulässigkeit des Scheidungsantrages selbst ab.

    Für welchen Zeitraum wird die Forderung denn geltend gemacht? Irgendeine Aussage wird doch auch die notarielle Urkunde enthalten??

    Ansonsten wäre ich auch für eine 726er Klausel.



    Kommt mir merkwürdig vor. Ich gehe mal davon aus, dass ein solcher Titel nicht vorsichtshalber geschaffen wurde, für den Fall, dass sich die Parteien jemals trennen würden. Wahrscheinlicher ist doch, dass erst das Getrenntleben angefangen hat und dann der Titel geschaffen wurde.

    Hier ist doch eigentlich genau das Umgekehrte zu beweisen: Die Schuldnerseite müsste beweisen, dass die Parteien nicht mehr getrennt leben, wenn sie der Ansicht ist, keinen Unterhalt zu schulden.

    Das Getrenntleben hat irgendwann mal begonnen. Würde man sagen, die Vollstreckbarkeit steht unter der Bedingung, dass die Parteien getrennt leben, und deshalb müsse eine Klausel nach § 726 ZPO erteilt werden, dann steht man doch auch vor dem Problem, für welchen Zeitraum die Klausel erteilt werden soll. Kann doch sein, dass der Rechtspfleger heute die Klausel erteilt, weil das Getrenntleben von der Schuldnerseite zugestanden und somit offenkundig ist - dann kann sich das doch morgen wieder ändern, durch eine Versöhnung. Man kann doch aber nicht tagtäglich eine neue Vollstreckungsklausel erteilen.

    Das fällt mir jetzt zu dem Thema ein, jetzt mal bar jeder Kommentarlektüre (sorry).


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Ich denke auch, dass ohne die Tatsache des Getrenntlebens ein entsprechender Titel überhaupt nicht hätte ergehen dürfen und die Tatsache = Beginn des Getrenntlebens daher schlicht durch Titelexistenz belegt ist, §§ 1361 BGB, 119, 116, 231 FamFG. Das Ende der Zahlungspflicht müsste der Schuldner ggf. einwenden.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Für die Dauer des Getrenntlebens kann man auch als Definition des Anspruchs und nicht als Zeitbestimmung sehen - im Gegensatz zu nachehelichem Unterhalt (nach Scheidung), der eben nicht bestimmt werden sollte. So lange sie nicht getrennt leben, wird wohl auch kein Unterhalt tituliert.
    Beginn des Anspruchs ist somit mit Errichtung der Urkunde, sofern kein anderes Datum darin festgelegt ist. Ende die Scheidung, und das müsste im Klagewege eingewandt werden. Die Gl. kann schließlich nicht belegen, dass sie (noch) nicht geschieden ist.

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