Interesse an Rechtspfleger-Studium...bitte um ein paar Tipps

  • Wichtig ist, dass man zu dem, was man arbeitet stehen kann und ob man zufrieden ist. Unzufrieden kann man auch als Prof. Dr. Vorstandsvorsitzender der Gelddruck AG sein. Es gibt in jedem Beruf positive und negative Beispiele, Leute, die arbeitslos sind und Leute, die im genau gleichen Beruf erfolgreich sind. Es bleibt nur - wenn man die Möglichkeit hat - sich den Beruf für den man sich interessiert in der Praxis anzusehen und sich dan selbstkritisch zu fragen (schwierig genug), passt das zu mir oder nicht.

    Wir haben hier nur das Problem, dass wir in einem Beruf arbeiten, wo sich die eine Gruppe als Jurist bezeichnet. In allen anderen Studiengängen, die man sowohl an Fachhochschulen als auch an Universtäten studieren kann (Ingenieurwissenschaften, Sozial-/Wirtschaftswissenschaften, Naturwissenschaften, Informatik etc.) käme keiner auf die Idee, einen FH-Absolventen nicht als Ingenieur oder Informatiker oder Architekten zu bezeichnen. Nur hier gibt es eine Absolventengruppe, die meint, sie könne bestimmen, die einen Absolventen seien keine Juristen sondern nur sie selbst. Man stelle sich vor: Gestatten, ich bin Vollarchitekt :wechlach:

  • Kann es sein, dass viele von uns unter Minderwertigkeitskomplexen leiden?

    Diejenigen unter uns, die auch an einer Uni studiert haben, wissen, wie anspruchsvoll unser Studium ist und dass der Arbeitsaufwand im Vergleich zu anderen Studiengängen wesentlich höher ist.

    Aber vielleicht hängen die Minderwertigkeitskomplexe ja auch mit dem Verdienst zusammen?

    Für mich ist Geld nicht so wichtig und ich bin glücklich damit, selbständig arbeiten zu können und mir nicht immer alles sagen lassen zu müssen. Ich denke, wenn man mal was anderes gemacht hat, lernt man die Rechtspflegertätigkeiten wirklich zu schätzen.

    Aber ich möchte nicht, dass sich zukünftige Studenten von dem Anwärtergehalt blenden lassen und nachher enttäuscht sind. Und mit den Beförderungsstellen sieht es ja auch nicht gerade rosig aus. Oberamtsrat wird nicht jeder und auf jeden Fall nicht, wenn man wegen Kindererziehung eine Zeitlang ausgesetzt hat.

  • dear all,
    ich bin mal so frei mich da mal einzuklinken.
    ich mach grad noch ne ausbildung (verwaltungsfachang. bundesebene), überleg aber schon ne ganze weile, was ich danach machen soll. zum einen weil ich wahnsinnig unterfordert bin und zum anderen werden wir max. 2 jahre übernommen.

    was meine chance angeht bin ich relativ zuversichtlich und auch über den "formalen" arbeitsalltag hab ich mittlerweile n überblick.
    was mich aber doch ziemlich interessiert sind die ganzen inhalte.
    im internet findet man meistens iwelche schwammigen formulierungen zu den beschäftigungsfeldern, die einem als laie eher wenig helfen, weil man sich wegen fehlender facherfahrung wenig drunter vorstellen kann.

    an was für entscheidungen bin ich beteiligt/welche treffe ich?
    wie können fälle zb. im familienrecht aussehen?
    welche beteiligung habe ich bei zwangsversteigerungssachen?
    sprich, was steht konkret in den akten, die ich jeden tag bearbeite?

    lieben dank im voraus
    /m

  • In Familien- und Zivilsachen sind wir für die Berechnung der Vergütung der Rechtsanwaltskosten zuständig, die dieser aus der Landeskasse erhält, wenn Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird.

    In Nachlasssachen erteilen wir die Erbscheine aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Außerdem eröffnen wir Testamente und Erbverträge.

    Die Zwangsversteigerungssachen bearbeiten wir vollständig alleine, d. h. von der Anordnung des Verfahrens bis zur Erteilung des Zuschlags.

    In Betreuungssachen überwachen wir die Betreuer und entscheiden über die Eteilung von betreuungsgerichtlichen Genehmigungen.
    In den Vormundschaftssachen ist das das Gleiche.

    Alle Akten, die wir bearbeiten, entscheiden wir auch.
    Bei den Angestellten ist es ja so, dass die Verfügungen ausführen, also Schreiben heraussenden, die ein Richter oder Rechtspfleger verfügt hat und die gesamte Organisation der Aktenführung macht.

    Wir Rechtspfleger arbeiten in unseren Gebieten genauso unabhängig wie die Richter in ihren Aufgabengebieten.
    Ich entscheide z. B. das A und B zu je 1/2-Anteil Erben geworden sind oder ich entscheide, dass C die Genehmigung erhält für den Betreuten ein Rechtsgeschäft abzuschließen.

    Die Zwangsversteigerungstermine sind öffentlich. Du kannst dir ja mal einen Termin anschauen. Oder mal zu einem Rechtspfleger gehen und das persönliche Gespräch suchen und sehen, was der so macht.

    Viele Grüße

  • In Familien- und Zivilsachen sind wir für die Berechnung der Vergütung der Rechtsanwaltskosten zuständig, die dieser aus der Landeskasse erhält, wenn Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird.


    Beachtlich sind dabei auch noch unterschiedliche Regelungen in den einzelnen BL. Bei uns erledigt die oben genannten Aufgaben mittlerweile schon länger durch die Bank der mD. Wir sind dagegen zuständig für sämtliche Fälle der Kostenfestsetzung. Auch dort wird selbständig entschieden, wer aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens welchen Kostenanspruch durchsetzen kann, was als nicht notwendig abzusetzen ist oder auch, was der Anwalt von seiner eigenen Mandantschaft fordern kann, wenn diese ihn nicht freiwillig bezahlt. Wir verhelfen also der obsiegenden Partei oder dem RA zu einem Kostentitel, mittels dessen dan die berechtigten Kosten im Wege der Zwangsvollstreckung eingefordert werden können. Wie heißt es so schön: Man ist in seinen Entscheidungen lediglich dem Gesetz unterworfen, ansonsten hat keiner reinzureden. Das macht im Falle eines Rechtsmittels dann das Rechtsmittelgericht... :D Dies gilt für alle Rechtsgebiete.

  • Birgitvanessa hat einen Überblick gegeben. Um den Eindruck der Schwammigkeit mal zu zerstören, hier ein konkretes (freilich fiktives) Beispiel für eine Zwangsversteigerung. Ich werde mich gelegentlich untechnisch ausdrücken, dies bitte ich, mir nachzusehen.

    Es beginnt damit, dass ein Gläubiger, zum Beispiel eine Kreditbank, einen Antrag auf Zwangsversteigerung stellt. Dann musst Du, Rechtspfleger, entscheiden, ob die Zwangsversteigerung angeordnet werden darf. Dies ist an diverse formale Voraussetzungen gebunden, wie einen Vollstreckungstitel (beispielsweise eine Grundschuldbestellungsurkunde, in der sich der Grundstückseigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Grundstück unterworfen hat, nebst einer - hier vom Notar - bescheinigten Vollstreckbarkeit gegen den Zwangsversteigerungsschuldner und dem Nachweis, dass die Vollstreckungsurkunde (der Titel) und die Vollstreckbarerklärung (die Klausel) dem Schuldner förmlich zugestellt wurden.

    Wenn diese und die weiteren (§§ 15, 16 ZVG zum Beispiel) gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, erlässt Du, der Rechtspfleger, den Beschluss, mit dem die Zwangsversteigerung angeordnet wird. Den musst Du dem Schuldner zustellen und zudem eine Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks ins Grundbuch veranlassen. Der Schuldner hat nun die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen (§ 30a ZVG) die einstweilige Einstellung des Verfahrens zu beantragen. Über diesen Antrag entscheidest gleichfalls Du, der Rechtspfleger.

    Im Gesetz nur am Rande erwähnt, in der Praxis einer der wichtigsten Schritte ist die bei Fortgang des Verfahrens erfolgende Verkehrswertermittlung und -festsetzung nach § 74a ZVG.
    Du, der Rechtspfleger, wirst also einen Sachverständigen für die Wertermittlung bestellen und diesem den Auftrag erteilen, den sogenannten Verkehrswert des Grundstücks zu ermitteln.

    Legt dieser dann das Gutachten vor, bekommen die Beteiligten des Verfahrens (das sind neben Gläubiger und Schuldner noch all jene, für die ein Recht am Grundstück eingetragen ist - also zum Beispiel eine weitere Grundschuld oder ein Wegerecht) Gelegenheit, sich zum Gutachten und dem darin ermittelten Wert zu äußern.
    Danach setzt Du, der Rechtspfleger, mit Beschluss den Verkehrswert fest.
    Nach Rechtskraft des Verkehrswertbeschlusses bestimmst Du den ersten Versteigerungstermin . Dieser Termin muss sowohl allen Beteiligten rechtzeitig zugestellt werden (denn diesen soll genug Zeit gegeben werden, z.B. Maßnahmen zur Abwendung der Versteigerung zu ergreifen, wie die Ablösung, d.h. Auszahlung des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers)
    als auch Wochen vor dem Termin veröffentlicht werden (um Interessenten anzusprechen, denen genug Zeit bleiben soll, sich auf einen möglichen Grundstückserwerb vorzubereiten).

    Im Versteigerungstermin gibst Du, der Rechtspfleger, diverse "Eckdaten" bekannt, die für die Beteiligten und/oder die Bietinteressenten wichtig sind. Dann stellst Du das sogenannte Geringste Gebot und die Versteigerungsbedingungen fest.

    Zu diesen Bedingungen eröffnest Du dann eine mindestens 30-minütige Bietzeit, an deren Ende Du entweder kein Gebot hast (dann wird das Verfahren einstweilen eingestellt, beim zweiten ergebnislosen Termin aufgehoben, § 71 ZVG). Oder aber es werden in diesen 30 Minuten Gebote abgegeben, dann entscheidest Du, der Rechtspfleger, ob die diese Gebote zulässt, und ob der Bieter auf Verlangen eines Beteiligten eine Bietsicherheit zu zahlen hat.

    Gesetzt den Fall, Du hast ein Meistgebot, dann musst Du, der Rechtspfleger, nach Ende der Bietzeit darüber entscheiden, ob auf dieses Gebot der Zuschlag erteilt werden kann.

    Mit Zuschlagserteilung wird der Meistbietende Eigentümer des Grundstücks (von hier an nennt man ihn auch Ersteher).
    Nach dem Zuschlag bestimmst Du einen sogenannten Verteilungstermin. In diesem wird ein Teilungsplan aufgestellt, d.h. Du, der Rechtspfleger, legst fest, wer von dem vom Ersteher zu zahlenden Betrag wieviel zu bekommen hat.
    Ganz am Ende veranlasst Du, der Rechtspfleger, dann die Eintragung des Erstehers ins Grundbuch und die dortige Löschung der Belastungen (Rechte in Abteilung II und III des Grundbuchs), die der Ersteher nicht zu übernehmen hatte.

    Das war ein grober Überblick über ein Zwangsversteigerungsverfahren. War das jetzt konkret genug? :)

    Nachtrag: wenn sich das jetzt langweilig anhört, dann liegt das wohl daran, dass Du nicht ahnst, wie viele Stolperfallen in das Verfahren eingebaut sind und wie groß die Herausforderung sein kann, dann das Richtige zu entscheiden.

  • Auch wenn Du nicht explizit gefragt hast, gebe ich auch noch meine Antwort ab.

    Wenn Du im Insolvenzrecht tätig wirst, bist Du in enger Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter für das gesamte eröffnete Insolvenzverfahren zuständig. Du hälst die Gläubigerversammlung ab, was bei einer großen Gläubigerzahl und/oder querulatorischen Beteiligten schon recht spannend und anspruchsvoll sein kann. Du entscheidest zum Beispiel über die Fragen, welche Gegenstände Bestandteil der Insolvenzmasse sind, welches unpfändbares Einkommen dem Insolvenzschuldner zusteht, ob Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Bestand haben. Am Ende des Verfahrens prüfst Du die Abrechnung des Insolvenzverwalters und legst dessen Vergütung fest.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • super, vielen dank. damit kann ich definitiv mehr anfangen, als mit der sonstigen allgemeinen schwammigkeit. :daumenrau;)

  • Wiso denken eigentlich alle, dass man als "Studierter" mehr verdient?

    Süddeutsche Zeitung http://www.sueddeutsche.de/app/jobkarrier…rchAction=abisz: Laut Bundesagentur für Arbeit beschäftigten kleinere und mittlere Kanzleien Berufsanfänger oft auf Honorarbasis ab 15 Euro pro Stunde. Bei Festeinstellungen liegen die Jahresgehälter teils deutlich unter 20.000 Euro.

    Von freischaffenden Anwälten mal abgesehen....

    Also ich bin Volljurist mit 2 Examina im oberen befriedigend und werde nun nach 7 Jahren als selbständiger Anwalt auf Rechtspfleger "umschulen", weil das Einkommen als selbständiger Anwalt nicht wirklich berauschend ist und man keine Sicherheit hat. Also seit Euch nicht zu fein, weil ihr denkt was besseres zu sein... Mit Fachkräftemangel meint man jedenfalls keine Juristen....

  • Das Rechtspflegerstudium führt nicht zur Aufnahme in den erlauchten Kreis der Akademiker.



    Wo hast du denn die Weisheit her? Zwar nicht in allen, aber in 99,9% der Fälle führt das Rechtspflegerstudium in den erlauchten Kreis der Akademiker, denn das Diplom ist ein akademischer Grad.

    Grüße,

    Pfänder

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Die "akademischen" Grade sind in § 18 Hochschulrahmengesetz geregelt und dort wird auch ausdrücklich das Diplom (FH) genannt. Der Rechtspfleger ist damit ein vollwertiger Akademiker. :cool: Man muss schon ganzschöne Minderwertigkeitskomplexe haben, um anderen Ihren "Titel" abzusprechen.... Ob man sich auf einen Titel dann was einbilden muss, ist dann ne andere Frage.

  • CDenker wenn das stimmt, was Du schreibst, hast Du wohl etwas falsch gemacht. Ich habe in etwa den gleichen Wertegang wie Du und das Einkommen eines Rechtspflegers habe ich während meiner ganzen bisherigen Berufstätigkeit immer gehabt. Und da sprechen wir nicht von Großkanzlei. Die Sicherheit eines Beamten hat man natürlich nie.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Dann hab ich eben was falsch gemacht, aber die Statistik gibt mir Recht und das geht vielen selbständigen Anwälten so...
    Gruß

  • Sei doch nicht gleich so angefressen. Ich meine doch nur, dass Rechtspfleger auch nicht so fürstlich bezahlt werden, um sich als Anwalt wirklich signifikant zu verbessern. Das Anwälte (mittlerweile auch diejenigen mit wirklich guten Examen) unterbezahlt sind, darüber müssen wir nicht reden.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ich denke, das Gehalt eines RA hängt i.W. von seiner Abschlussnote, einer etwaigen Zusatzqualifikation und natürlich etwas Glück ab.
    Eigentlich studieren Zuviele Jura, was ja hinreichend bekannt ist.
    Ein Vollstudium halte ich dennoch für "höherwertig", da zumindest die Chance auf angemessenes Gehalt besteht.
    Demgegenüber muss sich ein Rpfl. ( Anfangsbesoldung brutto ca. 2.100,- € ) für lange Zeit finanziell leider mit Bankangestellten, Facharbeitern und Autobauern vergleichen, was ich im Hinblick auf das knochenharte Studium für nicht akzeptabel halte.
    Aber leider gilt auch hier "Angebot und Nachfrage ".:D

  • Also nur mal so ne Frage: was habt ihr denn für eine Vorstellung von "gut verdienen"? Klar ist die Ausbildung kein Zuckerschlecken, aber es gibt genug Leute, die mit ihrer 40-Stunden-Woche nicht annähernd so viel verdienen. Wenn man sich später unbedingt was leisten will, muss man eben etwas sparsam sein. Davon abgesehen, dass Beamte ohne weiteres einen Kredit kriegen. Und wenn man dann noch einen Lebenspartner hat, der ebenfalls A9-Bezüge bekommt, sollte man sich noch weniger bewschweren können. Nicht zu vergessen die Sicherheit, die man als Beamter später hat.
    Was ich sagen will ist, dass man als Rechtspfleger nicht nur einen guten Job hat, sondern auch ein ausreichendes Gehalt. Und auch wenn viele sagen "als Rechtspfleger wird man nicht reich", finde ich kommt es immer darafu an, wie man für sich selbst "reich" definiert. Als fertige Rechtspflegerin verdiene ich jedenfalls mehr als meine Familie.

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