Hier eine Sache, die in meinem Mitarbeiter- & Freundeskreis ziemlich umstritten ist. Die Antworten befragter Verwalter, InsO-Sachbearbeiter und Rechtspfleger fielen sehr unterschiedlich aus. Daher stelle ich es hier einmal zur Diskussion:
Der Sachverhalt klingt komplizierter als es eigentlich ist:
Das Regelinsolvenzverfahren einer Privatperson wurde bereits 2002 eröffnet (mit Antrag auf RSB & Kostenstundung) und bis heute nicht beendet. Im Jahr 2005 schließt der Arbeitgeber für den Schuldner eine betriebliche Altersvorsorge ab. Die GmbH zahlt monatlich 100,- € ein, Auszahlung als Kapitalbetrag mit Eintritt ins Rentenalter im Jahr 2013 (§ 851c ZPO greift nicht). Der Schuldner ging damals ja davon aus, dass das Verfahren 2013 schon vorbei sein wird…
Im Jahr 2011 wird dem Schuldner endlich die RSB erteilt (ohne Wohlverhaltensphase, rückwirkend zum Jahr 2008, vgl. BGH IX ZB 247/08), während das Verfahren noch ein paar Jahre dauern dürfte (Probleme mit dem Finanzamt).
Frage: Fällt die Versicherungssumme in die Masse?
Ansatzpunkt: Nach BGH (IX ZB 247/08, Rn. 30) entfällt im laufenden Insolvenzverfahren mit Erteilung der RSB der Insolvenzbeschlag für den „Neuerwerb“, zumindest für den, der der Abtretungserklärung unterfällt. Ob dies auch für sonstigen Neuerwerb gilt, lässt der BGH offen (Rn. 37).
Eine Meinung: Kapitalbetrag fällt im Jahr 2013 komplett in die Masse, da Insolvenzverfahren noch läuft und sonstiger Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag unterfällt.
Andere Meinung: Aufteilen! Der fiktive Rückkaufswert per 2008 (RSB-Erteilung) steht der Masse, der Rest dem Schuldner zu.
Meine Meinung (ebenso Büttner, ZInsO 2010, 1025ff.): Ab RSB entfällt der Insolvenzbeschlag für jeglichen Neuerwerb, also auch Steuererstattungsansprüche oder – wie hier – die Versicherungssumme. So ist der Schuldner nach RSB ja auch nicht mehr an die Obliegenheiten (§ 295 I Nr. 2 InsO: hälftige Erbschaft) gebunden. Daher läuft das Insolvenzverfahren nach RSB nur noch mit dem bestehenden Massebestand weiter. Hierfür spricht auch, dass bei betrieblicher Altersvorsorge bis zur Fälligkeit nur ein nicht pfändbares Anwartschaftsrecht besteht und erst der Auszahlungsanspruch gepfändet werden kann (BGH VII ZB 87/09). Daher bestand im Jahr 2008 gar kein (massezugehöriger) Vermögenswert.
(Wie man an der Zielrichtung meiner Argumentation sieht, sind wir hier einmal nicht als Verwalter tätig, sondern für den Schuldner.)
Vielleicht könnt Ihr die Sache in einer ruhigen Minute einmal durchdenken. Für welche Variante würdet Ihr votieren?