Recherche MDR: Überlastung Betreuungsgerichte?

  • Wenn es um Verträge (Begründung, Änderung, Beendigung) geht, ist in Fällen, wo eine Geschäftsunfähigkeit vorliegt, eine rechtliche Vertretung erforderlich. Ich erlebe es häufig, dass ich bei Heimbewohnern überlegen muss, ob ich ihnen gegenüber wirksam Willenserklärungen abgeben oder geschäftsähnliche Handlungen vornehmen kann, oder nicht. Bestehen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, komme ich um eine Betreuung nicht herum, da sonst meine Maßnahmen ins Leere gehen.

    Wer stellt denn die Geschäftsunfähigkeit fest?

    Uns Notaren wird seitens von Fachärzten immer häufiger attestiert, wir seien als Juristen gar nicht in der Lage, eine Geschäftsfähigkeit zu attestieren. Im Umkehrschluss können wir Juristen auch keine Geschäftsunfähigkeit attestieren. Also wer dann?

  • ...
    Wer stellt denn die Geschäftsunfähigkeit fest?
    ...

    Letztlich erst das Zivilgericht im konkreten Einzelfall, wenn es zum Streit kommt.
    Solange alle Beteiligten sich über Geschäftfähigkeit oder -unfähigkeit ich sag mal "einig sind" ist das ja gar kein Thema.
    Für Beurkundungen gibt's ja § 11 BeurkG, da geht es ja gar nicht darum Geschäftsfähigkeit zu attestieren oder nicht sonder nur darum, dass ein Notar ein Beurkundung auch ablehnen darf, bzw. dass ggf. offensichtliche Zweifel auch verlautbart werden um allen Beteiligten kundzzutun, dass ggf. die Gefahr besteht, dass da evtl. noch was nachkommen kann.
    Auch ein Facharzt kann letztlich keine klare Aussage treffen über eine Geschäftsfähigkeit in der Vergangenheit, sondern nur vermuten aufgrund aktueller Begutachtung.

  • Hier liegt die Krux: durch die (gutgemeinte) Abschaffung der Vormundschaft über Volljährige ist eine Grauzone entstanden.
    Solange keine Betreuung mit Einwilligungs-Vorbehalt eingerichtet ist,
    muss erst einmal von der Geschäftsfähigkeit der handelnden Person ausgegangen werden.
    Es ist grundsätzlich die Geschäftsfähigkeit zu unterstellen; ihr Fehlen ist zu beweisen (vgl. BayObLG in Rpfleger 1992, 152).

    Dies kann bei Menschen mit psychotischen Erkrankungen oder beginnender Demenz dazu führen,
    dass der Notar / das Gericht trotz "Bauchschmerzen" die Handlungen des Betreffenden gelten lassen müssen,
    solange nicht anderweitig (z.B. durch ein Gutachten) bekannt wird, dass eine Geschäftsunfähigkeit vorliegt.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

  • Heute 13 Uhr läuft übrigens im NDR eine Sendung zum Thema Betreuung (wahrsch.). Der Titel lässt allerdings Übles vermuten. Entmündigt-wenn Betreuung zum Albtraum wird.

  • Heute 13 Uhr läuft übrigens im NDR eine Sendung zum Thema Betreuung (wahrsch.). Der Titel lässt allerdings Übles vermuten. Entmündigt-wenn Betreuung zum Albtraum wird.

    Ich fand den Bericht, jedenfalls im Bezug auf die ältere Dame, etwas seltsam.

    Betreute mit EWV will die Betreuung insgesamt loswerden?

    Entweder Amts- und Landgericht sind unfähig oder die Dame ist bei weitem nicht mehr so fit wie in dem Bericht dargestellt...

    Irgendwas lässt mich letzteres für wahrscheinlicher halten!

  • Heute 13 Uhr läuft übrigens im NDR eine Sendung zum Thema Betreuung (wahrsch.). Der Titel lässt allerdings Übles vermuten. Entmündigt-wenn Betreuung zum Albtraum wird.

    Ich fand den Bericht, jedenfalls im Bezug auf die ältere Dame, etwas seltsam.

    Betreute mit EWV will die Betreuung insgesamt loswerden?

    Entweder Amts- und Landgericht sind unfähig oder die Dame ist bei weitem nicht mehr so fit wie in dem Bericht dargestellt...

    Irgendwas lässt mich letzteres für wahrscheinlicher halten!

    Den Bericht habe ich gestern auf Youtube gesehen und genau das habe ich auch gedacht! Ich denke in Bezug auf die alte Dame hat man die Reportage in eine bestimmte Richtung lenken wollen und nur das gezeigt was man dazu zeigen wollte. Der Beitrag ist dort vor ca. 1 Jahr hochgeladen worden, also wird es sich nicht wohl um die Arbeit von unserem Jounalisten hier handeln. Ich hoffe, dass er es auch besser macht und tatsächlich objektiv berichtet.

    Übrigens gibt es noch mehr solcher Berichte auf der Plattform zu sehen. Allesamt mit ähnlich reißerischem Titel, aber inhaltlich auch teilweise interessant. Ich empfand es auch als eine Bereicherung für meine Arbeit (die ja fast ausschließlich am Schreibtisch stattfindet) um mir in Erinnerung zu rufen den Menschen und die damit verbundenen Einzelschicksale zu sehen.

  • Nicht der MDR, sondern der Hessische Rundfunk widmet sich morgen (im Radio) dem Thema Betreuungen.
    Die Zuständige vom hr schrieb gestern an den BDR:

    An diesem Mittwoch, 26.11., widmen wir uns den ganzen Tag über in hr-iNFO dem Thema „Gesetzliche Betreuung".
    Wir berichten über die Arbeitswirklichkeit von Berufsbetreuern, den Umgang von Angehörigen mit dem Thema und beleuchten auch Mängel bei der gesetzlichen Betreuung.
    Ich würde mich freuen, wenn Sie sich über Facebook, Twitter oder per Mail an der Diskussion beteiligen würden. Teilen Sie uns Ihre Meinung mit!
    Unsere Emailadresse: hr-info@hr.de"
    Über Twitter: https://twitter.com/hrinfo
    Facebook: https://de-de.facebook.com/hriNFO
    Alle Informationen erhalten Sie auch Online:
    http://www.hr-online.de/website/radio/hr-info/

  • Der MDR hat morgen aber auch etwas zum Thema zu bieten, nämlich "Betreuung außer Kontrolle", siehe hier:

    http://www.mdr.de/exakt/die-story/eds-betreuung100.html


    Wow. Zitat:

    "Wie Recherchen von "Exakt - Die Story" ergeben haben, sind etliche Amtsgerichte überlastet. Obwohl sich das Aufkommen der Betreuungsverfahren in den letzten zwanzig Jahren in Sachsen-Anhalt mehr als verdoppelt hat, ist die Zahl der Rechtspfleger gesunken."

  • Der MDR hat morgen aber auch etwas zum Thema zu bieten, nämlich "Betreuung außer Kontrolle", siehe hier: http://www.mdr.de/exakt/die-story/eds-betreuung100.html

    Wow. Zitat: "Wie Recherchen von "Exakt - Die Story" ergeben haben, sind etliche Amtsgerichte überlastet. Obwohl sich das Aufkommen der Betreuungsverfahren in den letzten zwanzig Jahren in Sachsen-Anhalt mehr als verdoppelt hat, ist die Zahl der Rechtspfleger gesunken."


    das ist bestimmt nicht nur in Sachsen-Anhalt Tatsache, ich bin schon sehr gespannt auf die Sendung.

  • Zitiert wird wieder der Betreuungsrechtsexperte Thieler aus München:

    "Bei der Betreuung herrscht nach wie vor Chaos. Das ist einerseits bedingt durch zu wenig gut ausgebildete Betreuer. Nahezu jeder kann Betreuer werden, was wir seit Jahren kritisieren. Andererseits werden die Betreuer viel zu wenig kontrolliert von Seiten der Gerichte. Ich habe Fälle wie Freiheitsberaubung, wo ganz klar die Menschenrechte der Betreuten verletzt werden."

    In gleicher Art und Weise wird gegen Auswüchse im Bereich der General- und Vorsorgevollmacht gewettert.

    Wo ist dann die Lösung zu suchen: bei der Betreuung? Bei der General- und Vorsorgevollmacht? Oder zu jeder Vollmacht einen Kontrollbetreuer?

  • Zitiert wird wieder der Betreuungsrechtsexperte Thieler aus München:

    "Bei der Betreuung herrscht nach wie vor Chaos. Das ist einerseits bedingt durch zu wenig gut ausgebildete Betreuer. Nahezu jeder kann Betreuer werden, was wir seit Jahren kritisieren. Andererseits werden die Betreuer viel zu wenig kontrolliert von Seiten der Gerichte. Ich habe Fälle wie Freiheitsberaubung, wo ganz klar die Menschenrechte der Betreuten verletzt werden."

    In gleicher Art und Weise wird gegen Auswüchse im Bereich der General- und Vorsorgevollmacht gewettert.

    Wo ist dann die Lösung zu suchen: bei der Betreuung? Bei der General- und Vorsorgevollmacht? Oder zu jeder Vollmacht einen Kontrollbetreuer?


    Eine Lösung wäre schon einmal, benannten "Experten" (wie wohl nur er selbst sich sieht) nicht zu Wort kommen zu lassen. Habe ihn 2 x bei Sandra Maischberger gesehen, das reicht für 2 Leben.

  • Der Herr RA Dr. T aus München war auch schonmal zu Gast bei, ich glaube es war Anne Will, zum nahezu identischen Thema (im Smalltalk Bereich gibt es m.W.n. ein Thread dazu). Auch was er dort von sich gab lies stark zu wünsch übrig. Was sich heute alles "Betreuungsrechtsexperte" nennt..

    2 Mal editiert, zuletzt von Milkaaa (25. November 2014 um 14:24) aus folgendem Grund: ich sehe Felix war schon schneller mit dem selben Gedanken..

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