Freigabe Selbständigkeit

  • Laut SV ist das FA doch Großgläubiger im Verfahren und stellt aus seiner Stellung als Insolvenzgläubiger heraus den Antrag auf eine Gläubigerversammlung, um über die Unwirksamkeit der Freigabe abzustimmen. Aus seiner Stellung als möglicherweise künftiger Neugläubiger heraus wäre es gar nicht antragsberechtigt. Ich störe mich nur daran, dass man seine Gläubigerrechte nicht wahrnehmen darf, um seine Interessen zu vertreten. M. E. sind genau dafür die Gläubigerrechte da. Aber ich glaube, im Ergebnis liegen wir gar nicht soweit auseinander.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Daran, dass man seine Gläubigerrechte wahrnimmt, ist ja auch nichts zu kritisieren.
    Bloß um die geht es hier ja gerade nicht, wenn man die Unwirksamkeit der § 35 II InsO - Erklärung mit der Unzuverlässigkeit des Schuldners begründet. Das ist den restlichen Gläubigern wohl ziemlich egal...

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Naja - unzuverlässige Schuldner führen womöglich auch nur unzuverlässig Beträge an die Masse ab. Würde die Gläubiger also schon was angehen. Entscheidend wäre, ob die Tätigkeit zum Wohle der Masse besser im Verfahren bleibt oder nicht. Der Verwalter muss ja abwägen wie ertragreich die Tätigkeit ist.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Das dieser Einwand folgt war logisch. Setzt allerdings voraus, dass überhaupt eine Abführungspflicht an die Masse besteht. Zudem können die Insolvenzgläubiger dieses mögliche Fehlverhalten des Schuldners im Insolvenzverfahren sanktionieren.

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  • hi hi, das ist die Krux des fucking-schriftlichen Verfahrens dort, wo es nicht eher durchgeführt werden sollte !
    Ich habe anfänglich bei Selbständigen genau aus diesen Gründen stets das Terminsverfahren vorgeschlagen, was richterseitig auch stets akzeptiert wurde. Oki, bei Kleinst! selbständigen mit Ansage der Freigabe schlag ich das inzwischen auch schriftlich vor.

    Aber der Reihe nach:

    Grundsatz: der Insolvenzverwalter hat den Betrieb des Schuldners bis zum Berichtstermin fortzuführen

    Ausnahme: das geht nach hinten los, dann kann er schließen; der Schuldner kann sich jedoch gegen die Schließung wehren

    Nun die Feiglingregelung der Freigabe der Selbständigkeit:

    Der Verwalter - die Gesetzesfassung ist scheiße formuliert, meint aber: kann die Freigabe erklären

    Geschieht dies vor Berichtstermin, kann die GLV die Kassation durch Beschluss beantragen; das Gericht hat dann die Kassation zu beschließen (nix Auswahlermessen; allenfalls über 78auf Antrag zu canceln....).

    Hat das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet, und der Verwalter erklärt die Freigabe, erstmal unproblematisch. Erhebt sich ein Gläubiger, und ist nicht damit einverstanden, hätte ich ein Problem, dies als Beschlussfassung anzusehen (s. meinen Beitrag weiter oben).
    Nun fragt sich, ob ich darin einen Antrag auf Einberufung einer GLV sehen muss (dann Quorum gefragt) oder eine Anregung auf Einberufung einer Gläubigerversammlung, dann Ermessen !.
    M.E. aber in diesen Fällen ganz simpel: gebundenes Ermessen, da der Verwalter vor Berichtstermin entgegen seiner Fortführungsverpflichtung freigibt, obwohl die Entscheidung über Fortführung (durch den Verwalter) oder Schließung,mit der Folge der Verwertung des Anlagevermögens die GLV zu treffen hat.
    Ergebnis: subito Termin bestimmen !

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • :daumenrau

    Super aufbereitet - und betont m.E. zutreffend, dass die Verantwortung für die Frage der Profitabilität der Fortführung oder Freigabe vorrangig den Insolvenzverwalter trifft. Sinn der Freigabe ist m.E. nicht, einen unzuverlässig und/oder defizitär wirtschaftenden Schuldner sofort wieder auf die Menschheit loszulassen, so dass er gleich wieder Schulden anlegt, und so die solide Grundlage für ein Sekundärinsolvenzverfahren zu schaffen. Sinn des Insolvenzverfahrens ist vielmehr auch, das wird gerade von Verwalterseite gerne betont, der geordnete Marktaustritt. Das gilt für eine GmbH genauso wie für den Gewerbetreibenden oder Selbständigen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Und der geordnete Marktaustritt findet dann so statt, dass der Verwalter das Datum der Erklärung herauszögert und erst einmal kräftig Masseverbindlichkeiten produziert? Was das mit Feiglingslösung zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Und warum sollen die Gläubiger und mithin der Verwalter das Risiko tragen? Und der Schuldner der es bislang nicht geschafft hat, soll jetzt ein Übungsplatz geschaffen werden?

    Und der Verwalter ist weder die Caritas noch der Unternehmensberater des Schuldners.

    Der Gesetzgeber hat es doch so gewollt, man schaue mal in die Begründung, damit der Schuldner schnell wieder selbstständig wirtschaften kann. Die Schaffung einer Haftungsmasse für Zwangskontrahierer wird wohl der eigentliche Anlass gewesen sein, was natürlich nirgends steht. Vorher haben die nämlich in die Röhre gesehen, wenn der Schuldner nach IE munter weitergewerkelt hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Und warum sollte der Verwalter das Datum der Erklärung hinauszögern?

    Warum nicht einfach sagen: Sie haben es bisher nicht geschafft, ihr ganzer Betrieb ist unrentabel, lassen sie es, ich verwerte ihre Betriebsmittel.

    Und wieso sollte dem Schuldner so ein Übungsplatz geschaffen werden? Durchs Zumachen seines Betriebs? Verstehe ich nicht.

    Es geht doch nicht darum, dem Schuldner zu gestatten, auf Kosten der Masse Verluste zu produzieren, das verstehe ich. Es geht aber auch nicht darum, dass der Schuldner auf Kosten von Neugläubigern Verluste produziert und so ein neues Insolvenzverfahren heranzüchtet. Die Lösung besteht doch darin, dass der Schuldner diese Tätigkeit, jedenfalls so, nicht mehr ausübt. Das hat der Insolvenzverwalter durch Verwertung der Betriebsmittel m.E. in der Hand. Der Schuldner sucht sich dann entweder eine Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung (gut) oder er hängt auf Hartz IV herum (nicht gut, aber letztlich volkswirtschaftlich weniger schädlich als die Fortführung seiner defizitären Selbständigkeit auf Kosten der heranwachsenden Neugläubigergemeinschaft, die praktisch komplett ausfallen wird).

    Und abschließend: Wo ist der Unterschied zur Einmann-GmbH? Die wird zugemacht und verwertet und Ende, völig egal, ob das die Arbeitsstelle des Inhaber-Betreibers war oder nicht.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Und warum sollte der Verwalter das Datum der Erklärung hinauszögern? Warum nicht einfach sagen: Sie haben es bisher nicht geschafft, ihr ganzer Betrieb ist unrentabel, lassen sie es, ich verwerte ihre Betriebsmittel. Und wieso sollte dem Schuldner so ein Übungsplatz geschaffen werden? Durchs Zumachen seines Betriebs? Verstehe ich nicht. Es geht doch nicht darum, dem Schuldner zu gestatten, auf Kosten der Masse Verluste zu produzieren, das verstehe ich. Es geht aber auch nicht darum, dass der Schuldner auf Kosten von Neugläubigern Verluste produziert und so ein neues Insolvenzverfahren heranzüchtet. Die Lösung besteht doch darin, dass der Schuldner diese Tätigkeit, jedenfalls so, nicht mehr ausübt. Das hat der Insolvenzverwalter durch Verwertung der Betriebsmittel m.E. in der Hand. Der Schuldner sucht sich dann entweder eine Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung (gut) oder er hängt auf Hartz IV herum (nicht gut, aber letztlich volkswirtschaftlich weniger schädlich als die Fortführung seiner defizitären Selbständigkeit auf Kosten der heranwachsenden Neugläubigergemeinschaft, die praktisch komplett ausfallen wird). Und abschließend: Wo ist der Unterschied zur Einmann-GmbH? Die wird zugemacht und verwertet und Ende, völig egal, ob das die Arbeitsstelle des Inhaber-Betreibers war oder nicht. Mit freundlichen Grüßen AndreasH


    Die Standardformulierung unserer Insolvenzverwalter lautet in die Richtung: Der Insolvenzverwalter ist nur Vermögensverwalter, nicht aber Betreuer des Insolvenzschuldners. Es stünde daher nicht in den Möglichkeiten dem Insolvenzschuldner die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit zu untersagen; zum Schutz der Masse ist diese daher freizugeben.

    Das Finanzamt stellt grundsätzlich zwar den Antrag, die Freigabe der Betriebes aufzuheben, da der Schuldner bisher unzuverlässig war und mit weiterer Unzuverlässigkeit zu rechnen ist. Das Finanzamt wird aber grundsätzlich vom Stimmrecht ausgeschlossen, und da für den neuen Betrieb noch keine Rückstände aufgelaufen sind (Schätzungen erfolgen meist frühestens nach drei Monaten Laufzeit des Betriebes) bleibt der Betrieb freigegeben und zwei Jahre später erfolgt der nächste Insolvenzantrag.

  • Warum nicht einfach sagen: Sie haben es bisher nicht geschafft, ihr ganzer Betrieb ist unrentabel, lassen sie es, ich verwerte ihre Betriebsmittel.

    Weil, wenn der Schuldner sagt, er will weitermachen, eine Erklärung abgegeben werden muss. Wird keine Erklärung abgegeben, so kommt der Verwalter in die Duldungsmisere mit entsprechener Haftung der Masse und somit sich selbst.

    Im Ansatz bin ich ja völlig bei Dir, aber es ist einfach so nicht gewollt


    Und wieso sollte dem Schuldner so ein Übungsplatz geschaffen werden? Durchs Zumachen seines Betriebs? Verstehe ich nicht.

    Durch Erklärung, dass die Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit zur Masse gehören und dann in der GV durch Beschluss der Gläubiger (der IV hat vielleicht noch händeringend ein aber Gläubiger aufgetrieben...) wieder zurückgerudert wird. Die bislang angefallenen Verbindlichkeiten, Startup u.s.w. darf dann allerdings die Masse ausgleichen...

    Die Lösung besteht doch darin, dass der Schuldner diese Tätigkeit, jedenfalls so, nicht mehr ausübt. Das hat der Insolvenzverwalter durch Verwertung der Betriebsmittel m.E. in der Hand. Der Schuldner sucht sich dann entweder eine Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung (gut) oder er hängt auf Hartz IV herum (nicht gut, aber letztlich volkswirtschaftlich weniger schädlich als die Fortführung seiner defizitären Selbständigkeit auf Kosten der heranwachsenden Neugläubigergemeinschaft, die praktisch komplett ausfallen wird).

    Das hat der Gesetzgeber aber so nicht gewollt:

    BT-Drucks: 16/3227, Seite 11:


    Wenn zur Masse Gegenstände gehören, die wertlos sind oder Kosten verursachen, welche den zu erwartenden Veräußerungserlös übersteigen, besteht ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an einer Freigabe dieser Gegenstände. In Anlehnung an dieses Institut soll eine Regelung geschaffen werden, um den Schuldner zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zu motivieren und zugleich eine Gefährdung der Masse zu verhindern. Daher soll dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit eröffnet werden, zu erklären, dass Vermögen aus einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört. Um selbstständig tätige Schuldner den abhängig Beschäftigten gleichzustellen, findet § 295 Abs. 2 InsO entsprechende Anwendung. Auf Antrag des Gläubigerausschusses bzw. wenn dieser nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung, ordnet das Gericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

    Warum nun ein Schuldner sich aufgrund einer hingelegten Insolvenz nun vom Saulus zum Paulus wandeln soll, erklärt mir sich nicht und wird wohl auch nicht erklärbar sein.

    Das vorhergehende Problem, dass die Erlöse aus einer selbstständigen Tätigkeit nach IE dem Insolvenzverwalter zustehen, § 35 InsO a.F. und der Schuldner aufrund seiner Tätigkeit keine Masseverbindlichkeiten produzieren konnte, hat für Teile der Neugläubiger zu einem Problem geführt. Während die Lieferanten sich noch über die Vorkasse oder ähnliche Sicherungsmittel sichern konnten, bzw. keine Geschäftsbeziehung mehr aufnahmen, schauten die Zwangskontrahierer, Finanzamt und Sozialkassen in die Röhre. Mit der Einführung des § 35 II InsO hat man nun Haftungsmasse geschaffen, auch wenn es von offizieller Seite so nie gesagt worden ist.

    Nun gut, dann sei es so, wenn es der Gesetzgeber, aus Gründen wie auch immer so gewollt hat. Dem Verwalter jetzt den Schwarzen Peter in Form der Feiglingskarte zuzuschieben, halte ich, um es mit den Worten des großen G. zu sagen, für wenig sachgerecht.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ok, danke an Meandor und La Flor de Cano für die weiteren Informationen.

    Die gesetzliche Regelung ist m.E. sinnlos und falsch, aber vom Rechtsanwender hinzunehmen. Sollte ich jemals zu einer Stellungnahme zu einem entsprechenden Reformvorhaben aufgefordert werden, werde ich meinen Kommentar an der zuständigen Stelle abladen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Ok, danke an Meandor und La Flor de Cano für die weiteren Informationen.

    Die gesetzliche Regelung ist m.E. sinnlos und falsch, aber vom Rechtsanwender hinzunehmen. Sollte ich jemals zu einer Stellungnahme zu einem entsprechenden Reformvorhaben aufgefordert werden, werde ich meinen Kommentar an der zuständigen Stelle abladen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


    Was an der Regelung nicht passt:

    es ist eine "Feiglingregelung" ! Dies ist dahingehend gemeint, dass der Verwalter sich nunmal zur Schließung oder Fortführung durchringen muss.
    Verwalterseits wurde bei solchen Selbständigkeiten beklagt, dass auch bei einer "Schließung" kein Anlagevermögen zu verwerten sei, der Schulder aber dennoch weiterbrasselt und dies die Masse belasten könnte.
    Die Rspr. hat aber für ein Weiterbraseln selbst steuerrechtlich ! ohne Zustimmung des Verwalters klar judiziert, dass dies nicht zu Masseverbindlichkeiten führen kann (ganz simples Argument: der Schuldner kann keine Masseverbindlichkeiten begründen).

    Bei schuldnerischen Selbtändigkeiten, bei denen ein "ich weiß noch nicht" oder "das kann an sich nur der Schuldner alleine - auch wenn es sich möglicherweise rechnet" - also er käme ja an sich über die Runden - haben wir bei uns eine bewährte Verfahrensweise geschaffen, die auch die öffentlich-rechtlichen Gläubiger bevorzugten. (Würde ich die weiter erläutern, könnte ich gleich meinen Klarnamen posten).

    Dann kam ohne Not der Gesetzgeber mit dieser überflüssigen Regelung.

    Folge davon ist: der Verwalter erklärt die "Angstfreigabe"; nun, dies muss er heute wohl auch....


    Was wiederum passt:

    Wenn die Selbständigkeit bisher nicht erfolgreich war und sich auch nicht durch Maßnahmen unter Nutzung des Insolvenzrechts als "restrukturierend" herausstellt, dann ist der Schuldner genauso wie ohne die Regelung im "neben der Masse weiterwurschteln" befangen. Dies ist die Einflugschneise des Gewerberechts.

    Grundkritik:

    Die Feiglingsregelung ist dazu geneigt, vorschnell Kleinunternehmer nicht mehr auf Kurs zu bringen, und anders als früher "drüberzuhauen" bevor ein vermeintliches Risiko eingegangen wird. Faktisch wird damit der Gläubigerversammlung vorgegriffen (da können die beschließen, was sie wollen, das Ding ist bis dahin gelaufen).

    M.E. war der damalige Entwurf nicht sosehr von den in der Gesetzesbegründung dargestellten hehren Gedanken der Gesetezsbegründung getragen - die so auch nicht schlüssig sind - sondern eher verwalterlobbyartig motiviert.

    Anwendungskritik:

    Es dürfte wohl durchaus vorkommen, dass "vorschnell" die "Freigbeerklärungen" abgegeben werden. Dies wird jedoch den Verwaltern aufgrund dieser Norm nahezu abgenötigt. Aber Aufgrunder § 295 II - analog - Regelung, welche ja nunmehr auch eindeutig im eröffneten Verfahren gilt - ist ja alles easy peasy, weil wir ja nun einen Versagungsgrund haben......

    Gerichtlicher Umgang damit:

    Bisher habe ich, wenn denn schon im Gutachten eine "Freigabe" angekündigt war oder so nach Bauchgefühl im Raume stand, stets Terminverfahren mit TOP der Kassation der Freigabe oder Kassation einer evt. Freigabe vorgeschlagen.
    Bei Kleinstselbständigen - bei denen sich auch nicht die Frage der Verwertung des Anlagevermögens stellt - bin ich von dieser strikten Sicht abgekommen und halte dies auch für i.O.


    @ AndreasH:

    wir werden die Regelung nicht mehr zurückdrehen können. Ein Bedürfnis dazu sehe ich auch nicht dafür.
    Worauf es imho ankommt: die Insolvenzgerichte haben hinzugucken, in welchen Fällen wie Gebrauch gemacht wird. Dies sollte auch Einfluss auf die Bestellungspraxis haben. Jedoch setzt dies wiederum voraus, das Gerichte auch wissen, was sie tun; und da ist insbesondere die Rechtspflegerschaft gefragt und der Austausch mit der Richterschaft.
    Meine vlt. etwas pointieren Äußerungen sollen keinesfalls ein Verwalterbashing darstellen, sie entspringen noch dem Eindruck, als ich seinerzeit den Gesetzesentwurf las.


    mfg
    Def

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  • es gab dazu schon Entscheidungen, dass nach Schließung die Masse nicht mehr steuerrechtlich für "weiterbraseln" des Schuldners verpflichtet werden kann. Das Thema war lange vor Neufassung durch.

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  • Ich hänge mich hier mal an:

    Insolvenzverwalter gibt frei und beantragt die Einberufung einer bes. Gl.Vers. zur Zustimmung zur Freigabe.
    Gleichzeitig wird eine Vereinbarung mit dem Schuldner geschlossen, welche Zahlungen zur Masse zu leisten sind und welche Raten auf weiter genutztes Inventar zu zahlen sein sollen.
    Die Vereinbarung wird ausdrücklich unter den Vorbehalt der Zustimmung der Gläubigerversammlung gestellt.

    Im Termin wird die Zustimmung zur Freigabe und zur Vereinbarung nicht erteilt.
    Dann ist darin doch konkludent der Antrag nach § 35 Abs. 2 S. 3 InsO zu sehen oder? Und dann mach ich direkt nach dem Termin den Beschluss nach § 35 Abs. 3 S. 2 InsO?

    Wäre über eine kurze Bestätigung oder mögliche Fallstricke, an die ich jetzt nicht gedacht habe, dankbar.

  • Ich würde eher sagen, der Verwalter hat doch noch gar keine Erklärung abgegeben. Seine Erklärung war doch von der Zustimmung abhängig. Und die wurde nicht erteilt. Rein formal muss er doch nach § 35 eine Erklärung abgegen. Entweder in die eine oder in die andere Richtung. Dann soll er doch jetzt erklären, dass das Vermögen zur Masse gehört. Ich hätte jetzt nicht gesagt, dass es konkludent ist.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ich würde eher sagen, der Verwalter hat doch noch gar keine Erklärung abgegeben. Seine Erklärung war doch von der Zustimmung abhängig. Und die wurde nicht erteilt. Rein formal muss er doch nach § 35 eine Erklärung abgegen. Entweder in die eine oder in die andere Richtung. Dann soll er doch jetzt erklären, dass das Vermögen zur Masse gehört. Ich hätte jetzt nicht gesagt, dass es konkludent ist.

    Die Freigabe wurde gegenüber dem Schuldner erklärt. Unbedingt. Veröffentlichung ist erfolgt.
    Lediglich die Vereinbarung zu den Modalitäten der Freigabe war unter dem Vorbehalt der Zustimmung geschlossen.
    Darum die besondere Gläubigerversammlung. Diese wurde auf Antrag des Verwalters mit dem Tagesordnungspunkt "Anhörung und Zustimmung der Gläubiger zur Freigabe... und der Vereinbarung vom..."
    Und wenn dann die Zustimmung zu beidem nicht erteilt wird, heißt das doch, dass die Gläubiger die Unwirksamkeit der Erklärung wollen, weil nach ihrem Beschluss eben der Gewerbebetrieb weiter zur Masse gehören soll.
    So meine Gedanken. Ist aber anscheinend doch nicht so klar.

    So eine Konstellation hatte ich auch noch nie und bin daher relativ ratlos, zumal an Rechtsprechung so gut wie gar nichts zu finden ist...

  • Ich würde eher sagen, der Verwalter hat doch noch gar keine Erklärung abgegeben. Seine Erklärung war doch von der Zustimmung abhängig. Und die wurde nicht erteilt. Rein formal muss er doch nach § 35 eine Erklärung abgegen. Entweder in die eine oder in die andere Richtung. Dann soll er doch jetzt erklären, dass das Vermögen zur Masse gehört. Ich hätte jetzt nicht gesagt, dass es konkludent ist.

    Die Freigabe wurde gegenüber dem Schuldner erklärt. Unbedingt. Veröffentlichung ist erfolgt.
    Lediglich die Vereinbarung zu den Modalitäten der Freigabe war unter dem Vorbehalt der Zustimmung geschlossen.
    Darum die besondere Gläubigerversammlung. Diese wurde auf Antrag des Verwalters mit dem Tagesordnungspunkt "Anhörung und Zustimmung der Gläubiger zur Freigabe... und der Vereinbarung vom..."
    Und wenn dann die Zustimmung zu beidem nicht erteilt wird, heißt das doch, dass die Gläubiger die Unwirksamkeit der Erklärung wollen, weil nach ihrem Beschluss eben der Gewerbebetrieb weiter zur Masse gehören soll.
    So meine Gedanken. Ist aber anscheinend doch nicht so klar.

    So eine Konstellation hatte ich auch noch nie und bin daher relativ ratlos, zumal an Rechtsprechung so gut wie gar nichts zu finden ist...

    Ah, ok. Dann sehe ich das wie Du: dann würde ich auch veröffentlichen, dass die Erklärung des Insolvenzverwalters unwirksam ist. bzw. einen Beschluss erlassen. In der Art wie folgt:

    "In pp wird auf Antrag der Gläubigerversammlung vom gem. § 35 Abs. 2 S. 3 InsO angeordnet, dass folgende Erklärung des Insolvenzverwalters gegenüber der Schuldnerin unwirksam ist:

    Text der Erklärung des Verwalters einrücken."

    und den gleichen Text öB

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • und was wird jetzt aus dem Verfahren ?

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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