§ 765a ZPO Freigabe Mietkaution

  • Folgender Fall bringt mich etwas ins Straucheln:

    Mietkaution wurde Mitte Mai 2021 gepfändet. Schuldner hatte das Mietverhältnis bereits zum 31.05.2021 gekündigt und wollte am 01.06.2021 in seine neue Wohnung einziehen. Der neue Mietvertrag ist noch nicht unterzeichnet, weil der neue Vermieter zuerst die Kaution haben wollte. Da die Kaution nicht ausgezahlt wurde, konnte der Schuldner nicht in die neue Wohnung einziehen und lebt seither auf der Straße. Eine Notunterkunft kann ihm (angeblich) nicht zur Verfügung gestellt werden, da er seinen alten Mietvertrag aus freien Stücken selbst gekündigt hat. Der Schuldner bezieht Rente und Grundsicherung nach SGB XII. Das Sozialamt schießt die Kaution nicht vor, da der neue Mietvertrag noch nicht unterzeichnet ist. Ein Teufelskreis...

    Der Schuldner beantragt nun nach § 765a ZPO die Freigabe der Mietkaution, gerne auch mit dem Passus, dass der alte Vermieter die Kaution an den neuen Vermieter direkt überweisen soll. Ich habe Bauchschmerzen mit der sittenwidrigen Härte. Diese Situation hat der Schuldner ja ganz alleine herbeigeführt, in dem er seine Wohnung gekündigt hat, ohne vorher einen neuen Mietvertrag unterschrieben zu haben. Auf der anderen Seite gibt es für ihn jetzt (angeblich) keine Möglichkeit die Kaution anderweitig aufzutreiben. Nicht unerwähnt bleiben sollte allerdings, dass die Forderung des Gläubigers aus einer Körperverletzung herrührt. Ich bin geneigt den Antrag zurückzuweisen.

    Meinungen?! :confused:

  • Ganz deiner Meinung. Der Schuldner hat sein derzeitiges Problem durch seine freiwilligen Handlungen selbst herbei geführt. Eine Abwägung der Schuldnerinteressen gegen die berechtigten Interessen des, die Mietkaution pfändenden, Gläubigers kann m.E. nur zu Gunsten des Gläubigers ausfallen.

    Im Übrigen stellt sich mir die Frage, ob überhaupt noch etwas freizugeben wäre oder ob der alte Vermieter bereits an den Pfändungsgläubiger ausgekehrt hat.

  • Erstmal danke für deine schnelle Rückmeldung. Die Kohle ist noch da, da ich die ZV einstweilen eingestellt habe. Ich werde gleich mal beim Ordnungsamt anrufen und mich wegen der aktuellen Lage der Notunterkünfte informieren.

  • Problematisch (für die Erfolgsaussichten des Antrages) ist m.E. auch, dass der Schuldner dem designierten Vermieter die Kaution überhaupt nicht schuldet. Nur daran scheitert ja offenbar auch, dass das Sozialamt die Kaution vorstreckt.
    Es bliebe dem Schuldner m.E. unbenommen zumindest einen auf Zahlung der Kaution aufschiebend bedingten Mietvertrag abzuschließen und dann beim Sozialamt einen Antrag zu stellen. Dann hat er zumindest eine gesicherte Rechtsposition an der es derzeit komplett fehlt.
    Alternativ kann der Schuldner sich auch einen anderen Vermieter suchen. Ich halte es auch für ungewöhnlich, dass die Kaution vor Abschluss des Vertrages zu zahlen ist. Zumindest bei einem Verbrauchervertrag dürfte die Forderung des Vermieters auch rechtlich fragwürdig sein.
    Eine sittenwidrige Härte kann m.E. allenfalls dann angenommen werden, wenn es dem Schuldner ansonsten faktisch (nahezu) unmöglich wäre eine neue Wohnung zu bekommen.
    Dafür spricht hier m.E. kaum etwas.

    Ich wäre daher im Ergebnis auch bei einer Zurückweisung.

  • Erstmal danke für deine schnelle Rückmeldung. Die Kohle ist noch da, da ich die ZV einstweilen eingestellt habe. Ich werde gleich mal beim Ordnungsamt anrufen und mich wegen der aktuellen Lage der Notunterkünfte informieren.


    Neben den Notunterkünften besteht noch die Möglichkeit anderweitiger Unterbringung, zB in einem Hotel.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Es erschließt sich mir nicht ganz, warum sich alle hier so auf die Unterkunftssituation des Schuldners einschießen.
    Wenn schon im Rahmen eines Räumungsschutzantrags die drohende Obdachlosigkeit allein keine sittenwidrige Härte darstellt, kann es doch für das Vollstreckungsgericht nicht ausschlaggebend sein, wenn der Schuldner sich selbst in die Obdachlosigkeit "kündigt".

  • Eventuell hilft diese Entscheidung etwas weiter:

    BGH, Beschluss vom 21.2.2019 – IX ZB 7/17

    Danke Rainer, die Entscheidung hatte ich schon gelesen und passt nicht zu 100% zum vorliegenden Fall.

    Ich habe jetzt mit der zentralen Fachstelle Wohnen telefoniert. Dort werde man dem Schuldner helfen. Entweder eine übergangsweise Notunterkunft oder aber evtl. die darlehensweise Übernahme der Mietkaution für die neue Wohnung. Ich habe dem Schuldner die Kontaktdaten fernmündlich weitergegeben und den Antrag nach § 765a ZPO zurückgewiesen.

    jfp: Das mit der Mietkaution vor Unterzeichnung des Mietvertrags kam mir auch mehr als spanisch vor. Habe den Schuldner darauf angesprochen. Angeblich hatte der Vermieter vorab schlechte Erfahrungen mit der Zahlungsmoral der Vormieter gemacht, sodass er darauf bestanden hat. Ob das so zulässig ist, ist zumindest fraglich.

    Danke für eure Hilfe! :daumenrau

  • Es erschließt sich mir nicht ganz, warum sich alle hier so auf die Unterkunftssituation des Schuldners einschießen.
    Wenn schon im Rahmen eines Räumungsschutzantrags die drohende Obdachlosigkeit allein keine sittenwidrige Härte darstellt, kann es doch für das Vollstreckungsgericht nicht ausschlaggebend sein, wenn der Schuldner sich selbst in die Obdachlosigkeit "kündigt".

    Es geht nicht drum, ob das entscheidungsrelevant ist. Aber wenn das vom Schuldner vorgetragen wird, kann man darauf eingehen.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Es erschließt sich mir nicht ganz, warum sich alle hier so auf die Unterkunftssituation des Schuldners einschießen.
    Wenn schon im Rahmen eines Räumungsschutzantrags die drohende Obdachlosigkeit allein keine sittenwidrige Härte darstellt, kann es doch für das Vollstreckungsgericht nicht ausschlaggebend sein, wenn der Schuldner sich selbst in die Obdachlosigkeit "kündigt".

    Es geht nicht drum, ob das entscheidungsrelevant ist. Aber wenn das vom Schuldner vorgetragen wird, kann man darauf eingehen.

    M. E. muss man das sogar.

    Schließlich ist aus Sicht des Schuldners das entscheidende Argument für den Erfolg seines Antrags, dass durch die Zurückbehaltung der Kaution die Anmietung einer neuen Wohnung nicht möglich ist/war und zu seiner Obdachlosigkeit führte.

  • Es erschließt sich mir nicht ganz, warum sich alle hier so auf die Unterkunftssituation des Schuldners einschießen.
    Wenn schon im Rahmen eines Räumungsschutzantrags die drohende Obdachlosigkeit allein keine sittenwidrige Härte darstellt, kann es doch für das Vollstreckungsgericht nicht ausschlaggebend sein, wenn der Schuldner sich selbst in die Obdachlosigkeit "kündigt".

    Es geht nicht drum, ob das entscheidungsrelevant ist. Aber wenn das vom Schuldner vorgetragen wird, kann man darauf eingehen.

    M. E. muss man das sogar.

    Schließlich ist aus Sicht des Schuldners das entscheidende Argument für den Erfolg seines Antrags, dass durch die Zurückbehaltung der Kaution die Anmietung einer neuen Wohnung nicht möglich ist/war und zu seiner Obdachlosigkeit führte.

    Natürlich muss man darauf eingehen.
    Aber das vermeintliche Argument des Schuldners ist eben keines, da nicht die Zurückbehaltung der Mietkaution bzw. deren Pfändung durch den Gläubiger, sondern die vorschnelle Kündigung des Schuldners zu dessen Obdachlosigkeit führt.
    Im Zurückweisungsbeschluss wäre die Sichtweise des Schuldners dann aber auch mit drei Sätzen im obigen Sinne hinreichend gewürdigt.

  • Normalerweise weiß man ja auch erst nach Auszug, ob man die Kaution in voller Höhe zurück erhält. Da hat man in der Regel ja schon den neuen Mietvertrag. Also es ist insgesamt nicht stimmig.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!