Mittellosigkeit - Schongrenzen ab 1.1.23

  • Aber was gänzlich neu ist: ab 1.1.23 wird eine Erbschaft nicht mehr zum Einkommen nach § 82 SGB XII (und auch nicht mehr auf mehrere Monate nach § 82 Abs. 7 auf bis zu 6 Monate verteilt), sondern gilt -als logische Folge - sofort als Vermögen nach § 90 SGB XII. Ich vermute, dass nicht nur echte Erbschaften darunter fallen, sondern auch Ansprüche aus Vermächtnissen und Pflichtteilen, also alle erbrechtlichen Ansprüche dazu zählen. Für die Betreuervergütung (und den Staatsregress) gilt: sobald der Erbanteil -abzüglich der Nachlassverbindlichkeitem, also der Aktivnachlass (zusammen mit bereits vorhandenem Sparvermögen) die Summe von 10.000 € überschreitet, ist er einzusetzen.

    Das wurde - zumindest am hiesigen Gericht - hinsichtlich Betreuervergütung und Regress schon immer so gehandhabt.

  • Naja, war eben falsch, weil § 82 SGB XII nicht beachtet wurde. Das Sozialhilferecht war sowieso immer ungeeignet für Fragen der Betreuervergütung (war 1999 ein Schnellschuss, aus rein fiskalischen Gesichtspunkten). Jetzt ist es eh egal.

    Da gingen die Meinungen wohl schon immer auseinander, vgl. z. B. hier RE: Zugriff des Sozialamtes auf Vermögen

    Ich hatte in keiner Fortbildung gehört, dass Erbschaften erst einmal als Einkommen bei der Regressprüfung zu behandeln gewesen wären. Auch spielte das in Entscheidungen des hiesigen Beschwerdegerichts, wenn der Betreuer den Vermögensregress überprüfen ließ, nie eine Rolle.

  • Tja, das ist genau das Problem. Die Justiz war mit der Anwendung des Sozialhilferechtes von Anfang an überfordert. Die Verteilung der Erbschaft (und anderer Einmaleinkünfte) auf (bis zu) 6 Monaten war das 2016 eingeführte „erweiterte Zuflussprinzip“ (zuerst in § 82 Abs. 3, später verschoben in Abs. 7 SGB XII). Ist wohl an der Justiz vorbeigegangen. Ich gebe aber zu, dass das auch nur sehr schwierig auszurechnen gewesen wäre (ohne passende Softwarelösung). Die Trennung von Einnahmen und Vermögen wurde in der Vergütungsrechtsprechnung sowieso fast nie richtig gemacht (richtige Beispiele kenne ich nur vom Landgericht Kassel). Die Denkweise in der Vergütung (übrigens auch bei antragstellenden Betreuern) verharrt in der Gedankenwelt des BGB: Kontostand = Eigentum = Vermögen nach § 1836c BGB. Was aber seit 1999 anders geregelt war.

    Aber wie gesagt, der Fehler lag ursprünglich beim Gesetzgeber des 1. BtÄndG, der untaugliche Regeln gemacht hat. Ein Rückgriff auf die Kostenordnung bzw das GnotKG wäre sinnvoller gewesen. Ab 1.1.23 ist gottseidank der Verweis auf die Einkünfte (und damit auch Unterhaltsansprüche - auch so ein Trauerspiel) rausgenommen. Und mit der Deklaration von Erbschaften ist eine zentrale Frage ab 1.1.23 nun logisch gelöst. Jetzt bleiben nur noch andere Einmaleinkünfte, wie Rentennachzahlungen übrig.

  • Mit den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat vom 25.11.2022 ist es amtlich: die Vermögensfreigrenze im Sozialhilferecht (§ 1 der VO zu § 90 SGB XII steigt mit Wirkung vom 1.1.2023 von 5.000 auf 10.000 €. Gilt über § 1880 BGB 2023 auch für die Betreuervergütung und den Aufwendungsersatz, dito den Staatsregress sowie die Gerichtskostenrechnung für Verfahrenspflegerentschädigungen.

    Bei der Pauschalvergütung heißt das, dass alle Abrechnungsmonate, die nach dem 31.12.22 enden, ggf mit den Mittellosen-Tabellenwerten zu berechnen sind (wenn das Vermögen zw. 5- und 10.000 liegt) und alle Auszahlungen und Beschlüsse ab 1.1.23 betrifft das auch. Es sind also auch vergangene Tätigkeitszeiträume betroffen.

    In der Dezemberausgabe der Rechtspfleger-Studienhefte wird von mir ein längerer Artikel erscheinen, zu den Vergütungsänderungen ab 1.1.23 insgesamt. Die Geschichte mit dem höheren Freibetrag steht da wegen des Redaktionsschlusses noch als Absicht der Bundesregierung drin.

    Guten Morgen,

    bei uns hat sich folgende Fragestellung aufgetan:

    Der Abrechnungsmonat endet am 04.01.2023. Betroffener war nach altem Recht "vermögend" und nach neuem Recht "mittellos". Wie ist für diesen Monat nun abzurechnen?

    Gemäß § 18 VBVG ist das VBVG a.F. bis zum Ende des angefangenen Abrechnungsmonats anzuwenden. Also der § 5 Abs. 4 VBVG a.F. Dieser verweist auf § 1836d BGB a.F. Da es für das BGB jedoch keine Übergangsvorschriften gibt, gilt als vermögend, wer Vermögen über 10.000,00 € hat. Demnach kann hier für den Abrechnungszeitraum 05.12.2022 bis 04.01.2023 nicht für vermögend abgerechnet werden?

  • Wenn ich das richtig verstanden habe, kann vermögend abgerechnet werden.

    Nur die Festsetzung gegen das Vermögen des Betreuten ist nicht mehr möglich (da Vermögen unter Schonbetrag), weshalb dann aus der Staatskasse gezahlt werden muss.

    Ich mache keine Fehler ... ich erschaffe kleine Katastrophen.

  • Aufgrund des § 18 VBVG würde ich noch den Status "Vermögend" für den am 04.01.2023 endenden Vergütungsmonat lassen.

    Es steht ja geschrieben, dass das alte Recht noch bis zum Ende des angefangenen Abrechnungsmonats (also m.E. auch über den Jahreswechsel) gilt

    Nur die Auszahlung dann eben bereits aus der Landeskasse.

    Irgendwie ist das aber auch alles verwirrend, weil sich ja nicht nur das Recht, sondern auch noch der Freibetrag geändert hat..

    Sei nett zu Tieren, du könntest selbst eins sein. (Norbert Blüm)

    Einmal editiert, zuletzt von willi (12. Januar 2023 um 12:28)

  • § 18 VBVG verweist zwar auf § 4 VBVG a.F., aber Letzterer sagt doch nichts über die Höhe des Schonvermögens aus, sondern nur, in welcher Höhe bei Mittellosigkeit oder bei Vermögen eine Pauschale entsteht.
    Die Frage, ob Mittellosigkeit vorliegt, richtet sich nach § 1880 BGB n. F.. Daher würde ich, insbesondere weil sowohl nach § 5 Abs. 4 VBVG a.F., als auch nach § 9 Abs. 4 S. 1 VBVG n.F. insoweit auf das Ende des Vergütungsmonats abzustellen ist und es keine sonstigen Übergangsvorschriften gibt, auf die neue Schonvermögensgrenze abstellen und somit wäre der Monat bis 4.1.23 m.E. als mittellos abzurechnen.

  • Hallo, der § 18 betrifft diese Sache aber gar nicht. Denn sowohl nach bisherigem Recht als auch nach neuem (§ 5 Abs. 4 VBVG 2019 bzw § 9 Abs. 4 VBVG 2023) kommts auf den Vermögensstand am Ende des Abrechnungsmonats an. Das ist hier der 4.1.23. Da gilt aber der neue Freibetrag.

    Ah, Okay, also doch bereits ein Monat mit dem Status "mittellos", da am Ende des Anrechnungsmonats wegen geänderten Freibetrages nun mittellos.

    Wieder was geklärt.

    Aber was ist denn da mit dem § 18 VBVG gemeint, wenn dort steht, dass ein Vergütungsanspruch nach altem Recht bis zum Ende des angefangenen Monats gilt? Nach altem Recht war er doch zu Beginn im Dezember noch vermögend. Da stehe ich leider auf der Leitung. ?(

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  • Hallo, der § 18 betrifft diese Sache aber gar nicht. Denn sowohl nach bisherigem Recht als auch nach neuem (§ 5 Abs. 4 VBVG 2019 bzw § 9 Abs. 4 VBVG 2023) kommts auf den Vermögensstand am Ende des Abrechnungsmonats an. Das ist hier der 4.1.23. Da gilt aber der neue Freibetrag.

    Ah, Okay, also doch bereits ein Monat mit dem Status "mittellos", da am Ende des Anrechnungsmonats wegen geänderten Freibetrages nun mittellos.

    Wieder was geklärt.

    Aber was ist denn da mit dem § 18 VBVG gemeint, wenn dort steht, dass ein Vergütungsanspruch nach altem Recht bis zum Ende des angefangenen Monats gilt? Nach altem Recht war er doch zu Beginn im Dezember noch vermögend. Da stehe ich leider auf der Leitung. ?(

  • Die Frage von Willi würde ich wie folgt beantworten:

    Auf Vergütungsansprüche von Betreuern, Vormündern, Pflegern und Verfahrenspflegern für Leistungen, die vor dem 1. Januar 2023 erbracht wurden, ist das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz vom 21. April 2005 (BGBl. I S. 1073, 1076), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Juni 2019 (BGBl. I S. 866) geändert worden ist, bis zum Ende des angefangenen Abrechnungsmonats in seiner bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.

    Praktisches Beispiel :

    Die Betreuerin hat für den Teileitraum vom 02.01.2023 bis zum 04.01.2023 die Vergütung nach dem Stundensatz der Tabelle B beantragt. Vorher wurde das Quartal im Jahr 2022 mit A abgerechnet. Die restlichen Tage in 2023 wären aber nach Tabelle A und nicht nach Tabelle B abzurechnen. Der Vergütungsantrag wäre zu monieren (hatte ich bereits vor mir zu liegen).

    Die verschiedensten Konstellationen kommen auf uns zu. Ich hatte wegen des Freibetrages auch die Gedanken, die oben geäußert wurden und bin schon auf dem falschen Weg gewesen. So ist es aber systematisch und logisch. Behaltet den Durchblick! Schön das es das Forum gibt. :)


  • Man kann es auch noch etwas einfacher zusammenfassen:

    ob die Tabelle A, B oder C angewendet wird = ob die alten oder neuen Kriterien für die Berufsqualifikation gelten, hängt daran, ob der gesamte Abrechnungsmonat im Jahr 2023 liegt.

    Ob der Freibetrag 5.000 oder 10.000 ausmacht - also Tabellenwert vermögend oder mittellos ), ist davon abhängig, ob der letzte Tag des Abrechnungsmonats in 2022 oder 2023 liegt.

  • Man kann es auch noch etwas einfacher zusammenfassen:

    ob die Tabelle A, B oder C angewendet wird = ob die alten oder neuen Kriterien für die Berufsqualifikation gelten, hängt daran, ob der gesamte Abrechnungsmonat im Jahr 2023 liegt.

    Ob der Freibetrag 5.000 oder 10.000 ausmacht - also Tabellenwert vermögend oder mittellos ), ist davon abhängig, ob der letzte Tag des Abrechnungsmonats in 2022 oder 2023 liegt.

    Und für die Entscheidung, ob aus dem Vermögen oder der Staatskasse ausgezahlt wird, ist das Entscheidungsdatum maßgeblich

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