Beschwerde gegen Bestellung zum vorläufigen Vormund nach § 1781 BGB

  • Hallo,

    ich habe aktuell ein Verfahren auf den Tisch in dem der Allgemeine Sozialdienst des hier ansässigen Jugendamtes die Bestellung eines vorläufigen Vormunds nach § 1781 BGB beantragt hat.

    Die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter ist vor etwa drei Wochen aus einer Mutter-Kind-Einrichtung, wo sie auch amtlich gemeldet ist, verschwunden und hat ihr minderjähriges Kind (10 Monate) zurückgelassen. Der Allgemeine Sozialdienst hat das Kind in Obhut genommen und in einer familiären Bereitschaftsbetreuung untergebracht.

    Ich habe daraufhin das Ruhen der elterlichen Sorge der Kindesmutter festgestellt und das örtlich ansässige Jugendamt zum vorläufigen Vormund bestellt.

    Dieses legte nunmehr gegen meinen Beschluss Beschwerde ein mit der Begründung, das Kind sei bereits bei Antragstellung in einer Pflegefamilie außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des hiesigen Jugendamtes untergebracht gewesen und habe dort nun seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Das Jugendamt beruft sich dabei auf § 87c Abs. 3 SGB VIII. Aus dem ursprünglichen Antrag ist allerdings kein entsprechender Hinweis auf einen (neuen) Aufenthaltsort außerhalb des Zuständigkeitsbereichs zu entnehmen gewesen.

    Ich gehe mal davon aus, dass grundsätzlich eine Abhilfemöglichkeit besteht. Allerdings möchte ich (aus dem Bauch heraus) in der Sache meinem Beschluss eher nicht abhelfen, da ich zum Zeitpunkt meiner Entscheidung mangels anderer Anhaltspunkte ja davon ausgehen musste, dass sich das Kind noch im Zuständigkeitsbereich des hiesigen Jugendamtes aufgehalten hat (und ja schließlich auch aktuell noch hier gemeldet ist). Zudem hat das Jugendamt auch keine Angaben dazu gemacht, ob die Unterbringung in der Pflegestelle auf Dauer ausgelegt ist.

    Ich würde das Jugendamt gern bei einem Nachweis, dass die Voraussetzungen vorliegen, auf die Möglichkeit des Antrags auf Entlassung verweisen nach § 87c Abs. 3 SGB VIII. Weiterhin wäre vielleicht der Hinweis sinnvoll, dass die Bestellung zum Vormund ohnehin nur vorläufig gemäß § 1781 BGB erfolgt ist und es ihnen anheim gestellt wird, kurzfristig einen endgültigen Vormund zu benennen.

    Hat jemand andere Ideen, wie mit der Beschwerde umzugehen ist oder Anregungen, wie eine Nichtabhilfe 'unterfüttert' werden könnte?

  • Für die verfahrensrechtliche Frage, ob eine Abhilfemöglichkeit besteht, kommt es zunächst darauf an, ob Du eine Endentscheidung getroffen oder im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden hast.

    In der Sache selbst ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des zum vorläufigen Vormund zu bestellenden Jugendamtes aus § 88a SGB VIII. Diese Vorschrift ist zwingend und schließt eine abweichende Ermessensentscheidung des Familiengerichts aus (BGH, Beschluss vom 15.09.2021 [XII ZB 231/21]). Zu bestellen ist folglich (erst einmal) immer das Jugendamt, welches die Inobhutnahme durchgeführt hat.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

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    In der Sache selbst ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des zum vorläufigen Vormund zu bestellenden Jugendamtes aus § 88a SGB VIII. Diese Vorschrift ist zwingend und schließt eine abweichende Ermessensentscheidung des Familiengerichts aus (BGH, Beschluss vom 15.09.2021 [XII ZB 231/21]). Zu bestellen ist folglich (erst einmal) immer das Jugendamt, welches die Inobhutnahme durchgeführt hat.

    Laut Sachverhalt handelt es sich nicht um einen minderjährigen unbegleiteteten Flüchtling. § 88a SGB VIII dürfte daher keine Anwendung finden.

    Ich gehe von einer Endentscheidung aus und sehe es wie Corypheus.

  • Für die verfahrensrechtliche Frage, ob eine Abhilfemöglichkeit besteht, kommt es zunächst darauf an, ob Du eine Endentscheidung getroffen oder im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden hast.

    Das sieht zumindest der MüKo anders und hält § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG auch im eA Verfahren für anwendbar (MüKoFamFG/A. Fischer, 3. Aufl. 2018, FamFG § 68 Rn. 12)

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    In der Sache selbst ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des zum vorläufigen Vormund zu bestellenden Jugendamtes aus § 88a SGB VIII. Diese Vorschrift ist zwingend und schließt eine abweichende Ermessensentscheidung des Familiengerichts aus (BGH, Beschluss vom 15.09.2021 [XII ZB 231/21]). Zu bestellen ist folglich (erst einmal) immer das Jugendamt, welches die Inobhutnahme durchgeführt hat.

    Laut Sachverhalt handelt es sich nicht um einen minderjährigen unbegleiteteten Flüchtling. § 88a SGB VIII dürfte daher keine Anwendung finden.

    Das stimmt. Da war ich wohl vorschnell auf unsere "neuen Standardfälle" gepolt. :):einermein

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  • Vielen Dank schon mal für Eure Beiträge!

    Es handelt sich tatsächlich um ein deutsches Kind und das Ruhen und die Bestellung des Vormunds sind nicht im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgt. Somit dürfte wohl eine Endentscheidung vorliegen.

    Ich werde das Verfahren dann mal direkt an das OLG abgeben. Mal gucken, welche Haltung dort in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit des Jugendamtes vertreten wird...

  • Für die verfahrensrechtliche Frage, ob eine Abhilfemöglichkeit besteht, kommt es zunächst darauf an, ob Du eine Endentscheidung getroffen oder im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden hast.

    Das sieht zumindest der MüKo anders und hält § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG auch im eA Verfahren für anwendbar (MüKoFamFG/A. Fischer, 3. Aufl. 2018, FamFG § 68 Rn. 12)

    Dort heißt es jedoch auch (am Ende): "Keine Anwendung findet Abs. 1 S. 2 auf sofortige Beschwerden, die gemäß § 572 Abs. 1 ZPO auch in Familiensachen einer Abhilfeentscheidung unterliegen." So liegt der Fall bei einer vom Rechtspfleger erlassenen einstweiligen Anordnung (§ 57 FamFG i.V.m. § 11 Abs. 2 RPflG).

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  • So, habe die Akte nun vom OLG zurückbekommen... einfacher ist es dadurch aber nicht geworden, denn:

    Das OLG ist der Meinung, dass das Rechtsmittel der Beschwerde gegen meinen Beschluss nicht gegeben sei, da nicht mündlich verhandelt worden ist. Gegen meine Entscheidung sei nur ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG möglich und hat die Beschwerde des Jugendamtes als einen solchen Antrag ausgelegt. Sie hat mir die Akte nun formlos 'zur Durchführung des weiteren Verfahrens' zurückgegeben.

    Dabei gab es den folgenden Hinweis mit auf den Weg:

    Auch bei unbekanntem Aufenthalt im Sinne des § 1674 BGB bestünde eine Amtsermittlungspflicht des Familiengerichts. Nach § 26 FamFG hätte ich vor meiner Entscheidung entsprechende Ermittlungen tätigen müssen. Auch im Hinblick auf den § 40 Abs. 1 FamFG hätte ich nicht darauf verzichten können, den aktuellen Aufenthaltsort der Mutter zu ermitteln. Weiterhin hätte ich sowohl die Mutter als auch das Kind vor einer Entscheidung anzuhören nach §§ 159, 160 FamFG möglicherweise hätte die Mutter ja bereits bei der Anhörung eine Sorgerechtsvollmacht erteilt.

    Ah ja... nochmal zur Erinnerung: die Mutter ist von einem auf den anderen Tag untergetaucht und hat ihr noch nicht mal einjähriges Kind in der Mutter-Kind-Einrichtung zurückgelassen. Habe entweder ich oder das OLG den Sinn und Zweck der Feststellung über das Ruhen der elterlichen Sorge und der Bestellung eines vorläufigen Vormunds nicht verstanden?

    Allerdings haben sich in der Sache Neuigkeiten ergeben:

    Nach aktuellem Stand befindet sich das Kind weiterhin in der Bereitschaftspflege. Zwischenzeitlich hat sich die Mutter wohl gemeldet und es hat auch schon einen Besuchskontakt mit ihrem Kind gegeben. Allerdings ist sie wohl gerade dabei, sich ein neues Leben aufzubauen und ist bei einer Freundin aktuell postalisch zu erreichen. Allerdings zeigt sie weiterhin kein Interesse an der Versorgung ihres Kindes und scheint erstmal auf sich und ihr eigenes Dasein fokussiert zu sein.

    Ist dann nicht der Grund für das Ruhen der elterlichen Sorge aber eigentlich weggefallen? Müsste nicht das Ruhen aufgehoben werden und die elterliche Sorge (ggfs. auf Anregung des Jugendamtes) in einem Sorgerechtsverfahren geklärt werden? Das wäre dann ja nicht mehr meine Zuständigkeit als Rechtspfleger und wäre für mich natürlich die schlankeste Lösung.

    Was ist denn aber mit dem Antrag des Jugendamtes auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG? Den kann ich ja nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Oder doch? Oder muss ich jetzt allen Ernstes erst die mündlichen Anhörungen nachholen?

    Ich will das Verfahren nach Möglichkeit nicht noch weiter aufbauschen... aber momentan sehe ich einfach keinen klaren Verfahrensgang.

  • Dein OLG hat deine Anordnung einer vorläufigen Vormundschaft also auch gleichzeitig als einstweilige Anordnung interpretiert, auch wenn du ja in #7 geschrieben hast, dass dem nicht so war. Naja, musst du jetzt wohl mit leben :D

    Nachdem die Mutter jetzt aber wieder aufgetaucht ist, würde ich aber sagen: Aufhebung des Ruhens feststellen, weil Hinderungsgrund weggefallen ist. JA muss ggf. einen Antrag wegen Entzug der elterlichen Sorge stellen, das ist dann aber Problem des Richters.

    Mit dem Wegfall des Ruhens hat sich dann auch dein Vormundschaftsverfahren und die Beschwerde (bzw. Antrag mündliche Verhandlung) erledigt.

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