Notarity - Beglaubigungen aus Österreich

  • Notarity, ein Dienstleister, der in Österreich Beglaubigungen macht, drängt auf den deutschen Markt. Man tritt angesichts der Entscheidung des OLG Celle zu 9 W 62/22 sehr selbstbewusst auf. Allerdings erging diese Entscheidung zur Rechtslage vor dem DiRUG; und der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/1672, S. 13) und der wohl allgemeinen Ansicht im Schrifttum entspricht es, dass mangels hoheitlichen Betriebs und mangels Einhaltung der hohen Sicherheitsstandards hier keine Gleichwertigkeit besteht. Mir erscheint die Begründung vom OLG Celle auch sehr dünn, da eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen nicht erfolgt.

    Egal wie man es sieht, hier wäre eine BGH-Entscheidung wünschenswert. Habt Ihr schon Erfahrungen hiermit gemacht?

  • Ich sehe nicht, wie man sich dem auf Dauer verschliessen könnte. Wären die Beteiligten nach Österreich zum Notar gefahren, um die Beglaubigung vornehmen zu lassen, hätte an der Wirksamkeit und Gleichwertigkeit kein Zweifel bestanden. Und wenn es da online geht, warum soll es hier nicht wirksam sein? Die Sicherheitsstandards sind nach Meinung des OLG Celle vergleichbar, und in Deutschland wird keine notarielle Tätigkeit ausgeübt - der Amtsträger sitzt in Österreich.

    Beschweren wir uns lieber bei unseren Standesorganisationen, denen wir die untauglichen deutschen Vorschriften über Online-Beurkundungen zu verdanken haben.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Bei Notarity handelt es sich um ein ziemlich frisches Start Up Unternehmen. Wenn man sich einmal anschaut, welche Umsätze die in kürzester Zeit mit Online-Beurkundungen verdient haben wollen, ist es fraglich, ob da alles mit rechten Dingen zugeht.

    Wie Online-Beurkundungen in Deutschland zu erfolgen haben, ergibt sich aus den Hinweisen der Bundesnotarkammer in Handelsregisterangelegenheiten.

    Ich denke, dass tatsächlich schnellstmöglich eine BHG-Entscheidung her muss.

    Die Bundesnotarkammer ist bereits dran und wenig begeistert und kritisiert das Identifizierungsverfahren des privaten Start Up Unternehmens, da der Datenschutz nicht geregelt und gewährleistet ist.

    »Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustandegekommen sind.«
    Charles de Gaulle (1890 − 1970)

  • Das OLG Celle hat extrem an der Oberfläche argumentiert und die Ausführungen in der Gesetzesbegründung nicht zur Kenntnis genommen; die Entscheidung erging außerdem auch zur Rechtslage davor. Es ist eine sehr schwache Begründung. Die Kritik an der jetzigen Schnittstelle teile ich durchaus.

    Wie man es auch sieht, ich hoffe, es geht schnell zum BGH, damit wir Rechtsklarheit erlangen. Ich bin durchaus dafür, die Online-Beglaubigung recht flächendeckend zu ermöglichen; und es spricht auch nichts dagegen, auf qualifizierte Signaturen zu setzen.

  • und die Ausführungen in der Gesetzesbegründung nicht zur Kenntnis genommen;

    Wieso die deutsche Gesetzesbegründung für verfahrensrechtlichen Bestimmungen des österreichischen Notariats relevant sein soll (dass die österreichischen Urkunden grundsätzlich hier verwendbar sind, wird ja von niemandem bestritten), verstehe ich nicht.

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  • Es geht um Gleichwertigkeit des Online-Verfahrens. Ebenso wie die Beglaubigung durch Unterschriftenvergleich nicht gleichwertig mit der deutschen ist, stellt sich die Frage mit der Online-Beglaubigung. Und hier hat der deutsche Gesetzgeber eben ein strenges Instrument gewählt, mit dem das österreichische Verfahren nicht vergleichbar ist.

  • Notarity steht in keinem Bezug zur österreichischen Notarkammer und unterliegt deshalb auch nicht der staatlichen Kontrolle des Landes Österreich.

    Angeblich haben die mittlerweile 150 Notariate, die über dieses Portal ihre Dienste anbieten. Im Moment ist man verstärkt wohl bemüht, auch deutsche Notare anzulocken, damit man in Deutschland Fuß fassen kann. Deshalb der Hinweis der Bundesnotarkammer, dass es deutschen Notaren verboten ist, ihre Dienste über dieses Portal anzubieten, weil weder Datenschutz noch Beachtung von Geldwäschevorschriften/-gesetze gewährleistet ist/wird.

    Diese Firma hat mit verfahrensrechtlichen Bestimmungen des österreichischen Notariats keine Berührungspunkte.

    Es ist zu hoffen, dass langsam Fahrt in die Angelegenheit kommen wird zur Sicherheit von deutschen Notaren und Registergerichten.

    »Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustandegekommen sind.«
    Charles de Gaulle (1890 − 1970)

  • Der Fall ist ja eigentlich recht eindeutig.

    Die über das Programm von Notarity erstellten Urkunden sind den deutschen verfahrensrechtlich nicht gleichwertig, weil das Programm die beiden vom Gesetzgeber aufgestellten Maßgaben nicht erfüllt. Es wird nicht hoheitlich betrieben (BT-Drs. 20/1672, S. 13) und setzt mit dem Video-Identifikationsverfahren eine Identifizierung ein, die der deutsche Gesetzgeber für öffentliche Urkunden für zu unsicher hält (BT-Drs. 19/28177, S. 121; BT-Drs. 20/1672, S. 13). Beide Gründe sorgen für sich genommen dafür, dass die Urkunden in Deutschland nicht anerkannt/verwendet werden können. Ich habe neulich erst für die Eröffnung eines Kontos ein Video-Identifikationsverfahren absolviert und kann die grundsätzliche Entscheidung ehrlich gesagt gut verstehen.

    Die Entscheidung des OLG Celle halte ich vor diesem Hintergrund für unrichtig. Sie setzt sich mit den maßgeblichen Rechtsfragen ja auch gar nicht auseinander und betrifft abgesehen davon einen Altfalll vor Inkrafttreten des DiRUG. Ich bezweifle, dass das Gericht das heute nochmal so entscheiden würde. Dass Notarity als gewinnorientiertes Unternehmen trotzdem damit wirbt, ist natürlich auch nicht überraschend.

  • Der genaue Ablauf von Notarity ist mir auch unklar. Die Beglaubigungen im Endeffekt führt aber nicht Notarity durch, wenn ich es verstehe, sondern österreichische Notare nach der Notariatsordnung. Allerdings will Notarity ja auch verdienen; ich bin mir nicht sicher, woher die Marge kommt. Wenn die Notare dort Notarity etwas rückvergüten, wäre das nach deutschem Recht ohnehin auch unzulässig, weil das gegen die Pflicht zur Gebührenerhebung verstieße (ähnlich wie wenn in Deutschland ein Anwaltsgutachten vergütet würde - der Notar müsste das den Beteiligten als Auslagen in Rechnung stellen).

  • Der genaue Ablauf von Notarity ist mir auch unklar.

    Ich habe mir den Internetauftritt mal angeschaut (zu notarspezifischen Aspekten kann ich nichts sagen, bin aber seit längerem u.a. im Bereich Rechtsfragen von Online-Diensten in der öffentlichen Verwaltung tätig).

    Die Darstellung im Beschluss des OLG Celle ist zum Ablauf sehr verkürzt. In den AGB (https://notarity.com/webapp-agb/) wird der Ablauf eigentlich ganz gut erklärt.

    Notarity ist "nur" die technische Plattform für den Beglaubigungs-/Beurkundungsvorgang. Wenn ich darüber die Dienste eines österreichischen Notars in Anspruch nehmen will, muss ich mich zunächst auf der Internetseite registrieren. Dann muss ich die Identifizierung mittels Video-Ident über das in den AGB genannte "Unternehmen A" mit Sitz in Deutschland vornehmen lassen, außerdem wird über das ebenfalls in den AGB genannte "Unternehmen B" mit Sitz in Österreich ein Signaturzertifikat ausgestellt.

    Video-Ident ist nach § 79 Abs. 9 S. 1 i.V.m. § 69b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 der österreichischen Notariatsordnung zulässig. Nach § 5 der österreichischen Notar-E-Identifikationsverordnung kann dies auch durch einen Dienstleister erfolgen. Zu dem von -acciaroli- geäußerten Vorbehalt gegenüber Video-Ident: Ich habe es bisher zweimal für private Bankgeschäfte genutzt und fand es (auch) irgendwie strange. Andererseits: Wenn die BaFin es für Bankgeschäfte zulässt, warum soll es dann für notarielle Angelegenheiten weniger oder gar nicht geeignet sein? Die Datenschutzbedenken teile ich so nicht: Im Kern ist alles im Bereich Datenschutz durch die DSGVO geregelt. Auch nicht auf hoheitlicher Basis tätige Beteiligte unterliegen der Aufsicht durch die Datenschutzbehörden.

    Im nächsten Schritt kommt es nach der Beschreibung in den AGB anscheinend darauf an, ob man vorher schon mit einem österreichischen Notar für die Bearbeitung auf diesem Wege in Kontakt gestanden hat oder nicht. Falls ja, kann dann nach meinem Verständnis der Notar eine Einladung für einen Online-Termin schicken, falls nein, muss man dann anscheinend einen Terminwunsch einstellen, den ein teilnehmender Notar annehmen kann.

    Für die Abrechnung gibt es nach den AGB anscheinend zwei Varianten:

    Notar rechnet unmittelbar mit dem Auftraggeber ab. Notar muss eine Vergütung an den Anbieter zahlen. Möglicherweise kann diese als "Barauslagen" nach § 10 des österreichischen Notariatstarifgesetzes dem Auftraggeber in Rechnung gestellt werden. Es wird aber scheinbar voneinander getrennt. Gibt es in ähnlicher Weise in dem Bereich, dem ich u.a. tätig bin (dort: Kosten des Zahlungsverkehrs dürfen nicht von der Einnahme abgezogen werden, sondern müssen separat in Rechnung gestellt werden).

    Bei den Festpreisangeboten (soweit ich es überblickt habe, insbesondere Unterschriftsbeglaubigung sowie Einholung der Apostille) muss einer Abtretung des Vergütungsanspruchs des Notars an den Anbieter zugestimmt werden. Vermutlich besteht der Fixpreis dann aus Notarvergütung und Honorar des Anbieters. Wie dann gezahlt werden muss, konnte ich nicht genau herausfinden, evtl. per Online-Zahlung an den Anbieter.

    Aufgefallen ist mir, dass bei den Festpreisangeboten nicht darauf hingewiesen wird, dass diese unter Umständen deutlich teurer sein können als die Inanspruchnahme eines deutschen Notars. Das fängt an bei der Unterschriftsbeglaubigung für 150 EUR netto. In einem Blogbeitrag auf der Internetseite des Anbieters werden für die Unterschriftsbeglaubigung der Kirchenaustrittserklärung "insgesamt" (brutto oder netto?) 180 EUR genannt. Abgesehen davon, dass der Kirchenaustritt meines Wissens nicht in jedem Bundesland nicht auf diesem Weg möglich ist (z.B. in NRW nur durch Erklärung gegenüber dem Amtsgericht). In Bremen geht das auch per notariell beglaubigter Unterschrift der Austrittserklärung, dafür habe ich vor X Jahren ca. 20 - 25 EUR bezahlt. Auch 300 EUR netto für die Einholung einer Apostille finde ich sportlich. Ich weiß nicht, was ein Notar hier dafür abrechnen kann. Behördenseitig werden für eine Apostille (allgemeine Verwaltung, für Gerichte/Notare kenne ich den Tarif nicht) 18 EUR berechnet.

  • Zu dem von -acciaroli- geäußerten Vorbehalt gegenüber Video-Ident: Ich habe es bisher zweimal für private Bankgeschäfte genutzt und fand es (auch) irgendwie strange. Andererseits: Wenn die BaFin es für Bankgeschäfte zulässt, warum soll es dann für notarielle Angelegenheiten weniger oder gar nicht geeignet sein?

    Weil das Verfahren nach technischen Standards jedenfalls unsicherer ist als das Verfahren, was für die Errichtung öffentlicher Urkunden in Deutschland zugelassen ist, und das Gesetz deshalb anordnet, dass es nicht ausreicht. Das kann man bewerten, wie man mag, aber die Rechtslage ist ziemlich eindeutig.

    Die entsprechenden Anmeldungen werden ja in der Regel auch gar nicht eingetragen. Angesichts des Geschäftsgebahrens von Notarity wäre für die Praxis eine Klarstellung aber in der Tat schön.

  • Für deutsche Notare dürfte es unzulässig sein, eine Rahmenvereinbarung über die "Beschaffung" von Mandanten gegen Vergütung zu treffen; das dürfte selbst dann gelten, wenn der Notar dies den Mandanten in Rechnung stellen wollte. Ich sehe auch keine Grundlage, die Gewinnmarge von Notarity den Beteiligten als "Auslagen" in Rechnung zu stellen. Welcher Auslagentatbestand soll verwirklicht sein?

    Davon abgesehen wird damit sicherlich für den Beteiligten die Sache a) kostenrechtlich unattraktiv und b) intransparent.

    Fakt ist ja, dass Beglaubigungen nicht zuletzt, aber besonders seit dem GNotKG für Notare ein Zuschussgeschäft sind (soweit man nicht Massengeschäft bei Banken hat, was aber nur für die Wenigsten zutrifft). Ich sehe nicht wirklich den massenhaften Business Case. Natürlich gibt es mal das Bedürfnis, schnell zu beglaubigen und dafür mehr zu zahlen, aber sicher nicht massenhaft. Darauf kommt es aber nicht an; deutsche Notare dürfen aus unterschiedlichen Gründen nicht kooperieren, sodass ich davon ausgehe, dass man es eher über österreichische Notare versuchen wird.

  • Das alles ändert nichts daran, dass ein österreichischer Notar eine Urkunde nach den Vorschriften der einschlägigen österreichischen Vorschriften wirksam errichtet hat. Dass er an Notarity eine Vermittlungsgebühr bezahlt (oder auch das Notarity eine Gebühr zusätzlich zu den Notargebühren nimmt) ist kein Verstoß gegen deutsche Vorschriften, weil diese auf österreichische Notare in Österreich nicht anwendbar sind. Auch die deutschen Anforderungen an die Identifikation bei Online-Verfahren betreffen erstmal nur deutsche Notare. Entweder spricht man österreichischen Online-Beurkundungen also grundsätzlich die Vergleichbarkeit ab, oder man erkennt sie an, aber mit der Vermittlung durch Notarity hat das nichts zu tun.

    Und es ist auch nicht so, dass diese Vorschriften Teil des ordre public wären - die Beurkundungsvorschriften sind überall unterschiedlich, und Italiener z.B. schütteln heftig den Kopf, wenn sie sehen, dass in Deutschland für einseitige notarielle Rechtsgeschäfte (z.B. Testamente oder Vollmachten) keine Zeugen vorgeschrieben sind. Man verläßt sich einzig und allein auf das Zeugnis des Notars! Und dennoch werden diese Urkunden dort anerkannt.

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  • Tom hat ja recht. Die einzigen Fragen die man haben sollte/dürfte, sind ja:

    a) ist die vorgelegte Urkunde eine wirksame Urkunde nach österreichischem Recht

    b) sind österreichische Urkunden grundsätzlich mit dem Standard deutscher Urkunden vergleichbar bzw. sind sie gleichwertig.

    Ich habe von Notary noch nichts gehört, aber am Ende spielt der Weg, den die Mandanten in Österreich genommen haben um eine wirksame österreichische Urkunde zu erhalten doch keine Rolle, solange eben eine wirksame Urkunde vorgelegt wird.

    Und nur weil deutsche Rechtsvorschriften diese Form der Beurkundung (noch) nicht kennen, kann man ihnen auch nicht pauschal die Vergleichbarkeit absprechen. Es ist ja für Notarurkunden aus Österreich nicht einmal ein Echtheitsnachweis erforderlich, es wird den Österreichern also soviel Vertrauen entgegen gebracht, dass österreichischen Urkunden grundsätzlich zu trauen ist. Dieses Vertrauen kann man nicht einfach nur dadurch einschränken, dass einem der Entstehungsweg nicht gefällt. Sonst käme man am Ende an dem Punkt an, an dem man ausländische Urkunden nur für gleichwertig hält, wenn sie nach deutschen Vorschriften errichtet wurden.

  • Das deutsch-österreichische Abkommen stammt, soweit ich weiß, noch aus der Zeit vor WK1, beruhte also auf anderen Prämissen. Im Übrigen ist die Frage, wan eine ausländische Urkunde "öffentlich" ist, davon zu unterscheiden, ob sie das Tatbestandsmerkmal der deutschen Norm verwirklicht ("öffentliche Beglaubigung" im Sinne einer deutschen Formvorschrift). Und hier kommt es eben auf die (freilich in der Ausfüllung umstrittene) BGH-Formel an (Beglaubigungsverfahren in tragenden Grundsätzen vergleichbar, ebenso Stellung im Rechtsleben). Was für eine Norm gilt, muss für eine andere noch lange nicht so sein. Änderungen der Anforderungen in Deutschland wirken sich natürlich auch auf die Vergleichbarkeit aus. Das ist in der FS Heidinger sehr klar ausgeführt.

    Mit oberflächlichen Argumenten, wie das OLG Celle, kann man sich der Problematik mE nicht nähern.

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