Ehegattentestament und Scheidung

  • Guten Abend,

    ich brauch mal bitte eure Einschätzung zu folgendem Fall:

    Ehegatten errichten ein notarielles Testament mit dem folgendem Satz "Mit Rechtskraft der Scheidung ist das Testament unwirksam."

    Der Mann zieht aus dem Haus aus und kauft sich mit seiner neuen Freundin ein neues Haus.

    Ehegatten stellen beide Anfang 2022 den Scheidungsantrag. Ehe wird aber nicht geschieden, weil der Mann ins Krankenhaus kommt und daher kein Termin stattfinden kann. Laut Rücksprache mit der Richterin lagen aber alle Voraussetzungen für die Scheidung vor. Der Mann verstirbt sodann im Februar 2023.

    Ehefrau beantragt jetzt einen Alleinerbschein aufgrund des Testaments, weil die Ehe noch nicht geschieden war und sie der Meinung ist, dass das Testament gültig ist. Die beiden Söhne stimmen dem Erbscheinsantrag zu.

    Der beurkundende Notar des Testaments erklärt auf Nachfrage, dass der obige Satz eine Standardformulierung bei ihm sei (da will ich gar nicht wissen, wie genau mit Testatoren über die Situation Scheidung gesprochen wird).

    Nun die Frage: Gilt das, was im Testament steht - also Testament ist wirklich erst bei RK der Scheidung unwirksam oder greift § 2077 BGB?

    Vielen Dank für eure Hinweise :)

  • Wir sind rechtlich bei Absatz 3: "Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde."

    Die Auslegungsfrage ist nun, ob die Ehegatten mit der Formulierung im Testament von der gesetzlichen Regelung abweichen wollten. Nach der Aussage des Notars kann man das nicht annehmen, weil er ihnen den Satz als "Standardformulierung" untergeschoben hat.

  • Es gilt ja aber immer noch die Vertragsfreiheit und daher frage ich mich, ob ich § 2077 Abs. 3 BGB überhaupt anwenden muss, wenn die Testatoren ausdrücklich vereinbart haben, dass das Testament erst bei RK der Scheidung unwirksam ist. Und wenn eine eindeutige Regelung im Testament enthalten ist, wie komme ich dann dazu, dass Testament auszulegen?

  • Es gilt ja aber immer noch die Vertragsfreiheit und daher frage ich mich, ob ich § 2077 Abs. 3 BGB überhaupt anwenden muss, wenn die Testatoren ausdrücklich vereinbart haben, dass das Testament erst bei RK der Scheidung unwirksam ist. Und wenn eine eindeutige Regelung im Testament enthalten ist, wie komme ich dann dazu, dass Testament auszulegen?

    Dass es "erst" bei Rechtskraft der Scheidung wirksam ist, steht laut erstem mitgeteilten Sachverhalt nicht in der Urkunde.

    Die Frage ist doch, ob mit der Formulierung gemeint ist, dass es "jedenfalls" bei Rechtskraft wirksam wird (gleichsam als Hinweis darauf, dass nach rechtskräftiger Scheidung auf alle Fälle Schluss ist und sich niemand auf § 2077 Abs. 3 BGB berufen können soll), oder ob die gesetzlichen Bestimmungen verschärft werden sollen (unwirksamkeit "erst" nach Rechtskraft). Das ist schon auslegungsbedürftig, und ein Wille, den Ehegatten, gegen den man Scheidungsantrag gestellt hat, oder der selbst gegen mich Scheidungsantrag gestellt hat, zum Alleinerben einzusetzen, dürfte regelmäßig nicht bestehen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Schließe mich da meinem Vorrednern weitestgehend an, das Testament ist an dieser Stelle stark auslegungsbedürftig und damit ist grundsätzlich alles offen. § 2077 Abs. 3 BGB regelt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis und ist nicht in Stein gemeißelt. Mit Anfragen bei zust. Richterin und Notar hast du ja wirklich schon sehr viel Ermittlungsarbeit geleistet, so weit wäre man hier bei uns am Nachlassgericht wahrscheinlich gar nicht gegangen.

    Wir sagen uns immer: Bei der Auslegung sind wir wohl oder übel stark auf die Beteiligten angewiesen, da diese den EL persönlich kannten und solche Formulierungen in dessen Sinne am besten deuten können. Die Anhörung der Beteiligten ist daher meine wichtigste Ermittlungsquelle. In solchen Fällen fordere ich dann bspw. ausdrücklich eine Stellungnahme der Söhne an. Tja und wenn mir schon die Söhne als mögliche belastete Beteiligte (sie wurden ja auf den PT gesetzt) sagen, sie stimmen der Auslegung der Ehefrau zu - wem tue ich denn dann noch weh, wenn ich in diesen Fällen antragsgemäß entscheide? Sofern die Söhne sich wehren und das Testament anders auslegen, bekommt‘s sowieso der Richter und ich bin raus. Vielleicht mache ich es mir damit ja zu leicht, keine Ahnung. Aber man muss sich und den Beteiligten das Leben auch nicht unnötig schwer machen.

    LG und nen entspannten Freitag :)

    Wie ein weiser Dozent zu sagen pflegte:

    • Das haben wir schon immer so gemacht.
    • Dafür gibt 's keinen Kommentar.
    • Wo kämen wir denn da hin?

    Einmal editiert, zuletzt von Sgt.Bommel (29. September 2023 um 06:37)

  • Danke für eure Hinweise.

    Ich habe mich dazu entschlossen den Alleinerbschein der Ehefrau noch nicht zu erteilen.

    Ich habe beim Notar angefragt, ob ich seine Nebenakten einsehen kann, um zu erfahren, ob die Eheleute mit dem Notar über das Thema Scheidung gesprochen haben. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Erblasser wollte, dass seine getrennt lebende Ehefrau alleinige Erbin wird, obwohl er mit seiner neuer Freundin bereits ein Haus gekauft hat.

    Und ich befürchte, dass der Notar Paragraf 2077 BGB überhaupt nicht im Blick hat, wenn er einen solchen Satz als Standard aufnimmt. Bei den letzten Testamentseröffnung von diesem Notar ist mir in der Tat aufgefallen, dass in allen Ehegattentestamenten dieser Satz mit der Scheidung so drin steht...erschreckend

    Und nur weil die Söhne keine Einwände haben, muss ich als Gericht ja auch überzeugt sein. Aktuell tendiere ich dazu den Antrag zurück zuweisen und dann darf der Fall gerne zum OLG gehen.

  • …dein volles Recht mit deiner Superkraft aus § 9 RPflG :)

    Sollte sich was neues ergeben oder gar wirklich was von OLG kommen kannst du uns hier ja gerne updaten.

    Wie ein weiser Dozent zu sagen pflegte:

    • Das haben wir schon immer so gemacht.
    • Dafür gibt 's keinen Kommentar.
    • Wo kämen wir denn da hin?

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