Schon 1900: LG und OLG Hamburg entscheiden über Vergütung des Zustellungsvertreters

  • Voraussetzungen der Bestellung eines Zustellungsvertreters im Zwangsversteigerungsverfahren. Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Beschluß, durch welchen die Vergütung für den Zustellungsvertreter festgesetzt wird.


    Landgericht Hamburg, 3. Mai 1900.


    In der Zwangsversteigerung des im Grundbuche von St. Georg pag. 2301 auf den Namen von K. E. S. eingetragenen Grundstücks hat die Zivilkammer VIII des Landgerichts Hamburg auf die sofortige Beschwerde der Sterbekasse der C. M. in Hamburg, vertreten durch die Rechtsanwälte S. und Dr. L., gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hamburg, Abteilung für Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung vom 31. März 1900 beschlossen:

    Den angefochtenen Beschluß, insoweit dadurch über den Anspruch des Gerichtsschreibergehülfen A. in Hamburg gegen die Beschwerdeführerin aus Vergütung und Auslagenersatz entschieden, ist, aufzuheben und den von dem Gerichtsschreibergehülfen A. erhobenen Anspruch abzuweisen. Gerichtskosten bleiben außer Ansatz. Die der Beschwerdeführerin durch die Beschwerde erwachsenen Kosten sind von dem Gerichtsschreibergehülfen A. zu tragen.


    Hanseatisches Oberlandesgericht, 6. Juni 1900.


    In vorstehender Sache hat der Vierte Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg auf die Beschwerde des Gerichtsschreibergehülfen A. beschlossen:

    Der Beschluß der Zivilkammer VIII des Landgerichts Hamburg vom 3. Mai 1900 wird auf die dagegen erhobene weitere Beschwerde aufgehoben und der Festsetzungsbeschluß des Amtsgerichts vom 31. März 1900, soweit er angefochten war, wiederhergestellt.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Sterbekasse der E. M. zur Last gelegt.


    Gründe:

    (...)

    „Im vorliegenden Fall hatte das nach § 19 Abs. 2 zunächst dazu berufene Grundbuchamt allgemein erklärt, daß ihm über Wohnort und Wohnung der eingetragenen Beteiligten nichts bekannt sei, obwohl unter den Beteiligten sich ein so bekanntes hamburgisches Institut befand, wie die Hamburger Sparkasse von 1827. Dem Vollstreckungsgericht lag nicht die Verpflichtung ob, sich durch besondere Nachforschungen die Kenntnis zu verschaffen, die das Grundbuchamt ihm nicht geben konnte. Nur soweit tatsächlich ihm eine weiter gehende Kenntnis inne wohnte, hatte es keine Befugnis, einen Zustellungsvertreter zu bestellen.“

    (...)

    „Für den dem Vollstreckungsgericht vom Landgericht gemachten Vorwurf, die Begriffe Wohnort und Wohnung verwechselt zu haben, fehlt es an jedem Anhalt. In einer Aktennotiz weist der fungierende Amtsrichter überdies diesen Vorwurf aufs Bestimmteste motiviert zurück. Mit diesen Ausführungen stimmen im wesentlichen überein die Kommentare von Wolf und Jaeckel zu § 4 - 6 Z.V.G. Wenn hiernach die Bestellung des Zustellungsvertreters gerechtfertigt war, so erging auch der nach § 7 Z.V.G. erlassene Festsetzungsbeschluß zu Recht. Der weiteren Beschwerde war deshalb stattzugeben.“

    ((hier gilt besonders: keine Gewähr für die fehlerfreie computergestützte Übertragung der Entscheidungen)

    (besonderer Dank an wohoj für die Übermittlung)


    Volltext hier:

    Kai
    3. Februar 2024 um 20:10
  • Gab es einen Anlass, diese Entscheidungen aus der Kaiserzeit hier einzustellen?

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Mir fiel im Rahmen einer Seminarvorbereitung ein, dass diese Entscheidungen noch bei mir schlummern. Ich habe sie dann mit einer Texterkennungssoftware in bearbeitbaren Text umgewandelt, was bei dem Sütterlin und der nicht so guten Vorlagequalität längst nicht fehlerfrei, aber doch erstaunlich gut funktionierte.

    Ich finde es aus historischen Gründen interessant, dass die Gerichte vor über 120 Jahren und kurz nach Inkrafttreten des ZVG mit insoweit fast denselben Paragrafen wie wir heute gearbeitet haben. Auch die Bedeutung des § 869 ZPO wird herausgearbeitet. Weiter finde ich interessant, dass die Zustellungsvertretung sehr niedrigschwellig für zulässig gehalten worden ist. Dies sieht man heute sicherlich anders. Außerdem wird heute überwiegend nicht mehr vertreten, dass die Vergütung des Zustellungsvertreters von der Zulässigkeit der Zustellungsvertretung abhängig ist.

  • wohoj Kannst Du bei dem Namen der Entscheidungssammlung helfen?

    Aktenzeichen sind nicht angegeben. Ich weiß anhand meiner Kopie nur: ab Seite 259, Entscheidungen Nr. 148 und 149.

    Bitte interpretiert nicht zuviel in das Veröffentlichen der Entscheidungen. Ich habe die Entscheidungen hauptsächlich aus historischem Interesse / Vergnügen eingestellt. Mir ist klar, dass die Zeiten damals deutlich anders waren. Trotzdem finde es es schon bemerkenswert, dass sich das Recht und die Begründungstechnik letztlich doch sehr wenig verändert haben.

    Zudem finde ich

    "Für den dem Vollstreckungsgericht vom Landgericht gemachten Vorwurf, die Begriffe Wohnort und Wohnung verwechselt zu haben, fehlt es an jedem Anhalt. In einer Aktennotiz weist der fungierende Amtsrichter überdies diesen Vorwurf aufs Bestimmteste motiviert zurück."

    sehr vergnüglich.

  • Zitat: "wohoj Kannst Du bei dem Namen der Entscheidungssammlung helfen?"

    Aber sicher, das Werk heißt: Entscheidungen in den bei dem hamburgischen Amtsgerichten anhängig gewordenen Grundbuchsachen, in Vormundschaftssachen und anderen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sowie in Hinterlegungs=, Aufgebots=, Konkurs=, Zwangsversteigerungs= und Zwangsverwaltungsachen, Erster Band 1900.

    LG Hamburg S. 259, OLG S. 262,

  • Zitate cromwell - Entscheidungssammlung JFP, mach mich da mal bitte schlau, was ist das - benötige hier Nachhilfe.

    Ist nach dem Titel aber wohl eine hamburgische Entscheidungssammlung. Spricht viel dafür. Eine weitere Entscheidung für ZVG ist noch drin - Schiffsversteigerung, wenn der Schuldner das Eigentum am Kahn aufgegeben hat.

    Gibt es dafür auch eine Abkürzung? Keine Ahnung. Das Werk dürfte nicht so weit verbreitet sein.

    Zitat tom: "Warte mal ab was 1905 erst entschieden wurde" Da kann ich bestimmt auch damit dienen. Nachdem das ZVG seit 1900 nahezu unverändert gilt, können diese alten Entscheidungen prombemlos ausgewertet und zitiert werden. Auch vor 1900 gibt es gerade zum preuß. ZVG noch auswertbare Entscheidungen. Das ZVG wurde 1900 ja nicht neu erfunden, sondern baute im wesentlichen auf dem genannten Gesetz auf.

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