Pfändung des Herausgabeanspruchs wegen der Nutzung von Konten Dritter

  • Folgender Fall liegt mir zu dem o.g. Thema vor, wobei sich für mich einige Fragen stellen, wie beispielsweise:

    - Ist der Herausgabeanspruch tatsächlich so auch für "alle folgenden Tage" gegen die Ehefrau als Drittschuldnerin pfändbar?

    - Es ist beantragt die Pfändung nach §850d ZPO vorzunehmen (Unterhaltsrückstände sowie laufender Unterhalt). Ist das in diesem Fall überhaupt möglich bzw. welchen pfandfreien Betrag belässt man denn dem Schuldner dann? Für mich erschließt sich nicht, dass die Ehefrau als Drittschuldnerin die Beträge bestimmen soll oder ist das wegen der reinen Pfändung des Herausgabeanspruchs auch gar nicht notwendig? Welchen Sinn hat dies dann allerdings für den Gläubiger?

    Hat jemand eine solche Konstellation bereits gehabt oder in diese Richtung Ideen/Anregungen? Ich würde mich sehr freuen! :)

    Sachverhalt: Ein Jugendamt - Unterhaltsvorschusskasse - beantragt nach §850 d die Pfändung des im Folgenden mit Anführungszeichen genannten Anspruchs. Außerdem wird mitgeteilt, dass die Drittschuldnerin die Ehefrau des Schuldners ist und ein Konto führt, auf welches der Schuldner Zugriff hat. Der Schuldner selbst besitzt kein Konto und übt keine Erwerbstätigkeit aus. Es ist nicht nachvollziehbar, wovon der Schuldner seinen Lebensunterhalt bestreitet. Der unterhaltspflichtige Kindesvater lebt mit seinem minderjährigen unterhaltsberechtigten Kind nicht in einer Haushaltsgemeinschaft und kommt seiner Unterhaltsverpflichtung weder durch Versorgung und Betreuung noch durch Zahlung eines Barunterhaltsbetrages nach. Auch in der Vergangenheit wurde kein Unterhalt gezahlt. Der Schuldner schuldet daher dem Land Unterhaltsrückstände sowie laufenden Kindesunterhalt (sh. Forderungsaufstellung).

    "Anlage zu Seite 5 des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (Anspruch G) -Herausgabeanspruch wegen der Nutzung von Konten Dritter

    Wegen der im Antrag bezeichneten Ansprüche sowie wegen der Kosten für diesen Beschluss und wegen der Zustellkosten für diesen Beschluss werden die nachfolgend aufgeführten angeblichen Forderungen des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner - einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge - so lange gepfändet, bis der Gläubigeranspruch gedeckt ist.

    Gepfändet wird der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner aus der Vereinbarung über die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch den Drittschuldner für den Schuldner, gleich aus welchem Rechtsgrund, insbesondere der Anspruch aus § 667 BGB, aus allen vom Drittschuldner ganz oder teilweise für den Schuldner unterhaltenen oder diesem zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zur Verfügung gestellten Konten (Treuhandkonten). Insbesondere werden gepfändet:

    1. das zum Zeitpunkt der Pfändung und allen folgenden Tagen auf den von dem Drittschuldner zugunsten des Schuldners geführten Konten vorhandene Guthaben, soweit es dem Schuldner zuzurechnen ist;

    2. alle dem Drittschuldner für den Schuldner zufließenden Gutschriften zum Zeitpunkt der Pfändung und allen folgenden Tagen;

    3. alle sich im Besitz des Drittschuldners befindlichen Guthaben und Gutschriften zugunsten des Schuldners am Tage der Pfändung und allen folgenden Tagen;

    4. der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe von zu seinen Gunsten eingehenden Beträgen;

    5. der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Auszahlung oder Überweisung des derzeitigen und jedes künftigen Guthabens an Dritte;

    6. alle dem Schuldner gegenwärtig und künftig gegen den Drittschuldner zustehenden Ansprüche auf Auszahlung, Gutschrift und Überweisung von Kreditmitteln an sich oder an Dritte aus bereits abgeschlossenen und künftigen Verträgen des Schuldners wie des Drittschuldners mit dem Dritten und/oder dem kontoführenden Institut, insbesondere Krediten oder Überziehungskrediten ohne besondere Zweckbindung, soweit diese abgerufen wurden;

    7. auf Herausgabe des auf dem Konto des Drittschuldners vorhandenen Betrages, der sich bei Beendigung des Treuhandverhältnisses mit dem Schuldner ergibt;

    8. auf Herausgabe aller Unterlagen über die vom Drittschuldner für den Schuldner im Rahmen eines Auftrags-, Treuhand- oder sonstigen Verhältnisses geführten Konten."

  • Die Pfändung künftiger Ansprüche dürfte im Lichte der (meiner Meinung nach wenig überzeugenden) Rechtsprechung des BGH zum Thema Dauerpfändung hinzunehmen sein.

    Was den unpfändbaren Betrag angeht: Wir haben weder einen Fall des § 850d ZPO noch des § 906 Abs. 1 ZPO. Daher ist der Antrag des Jugendamtes meiner Meinung nach unzulässig. Der komplette Anspruch aus dem Treuhandverhältnis ist pfändbar.

    Man könnte allenfalls über § 765a ZPO nachdenken, hier dürfte es für den Schuldner aber extrem eng werden. Spätestens mit Einführung des Zahlungskontengesetzes hat jeder Bürger Anspruch auf ein Konto und mit dem neuen §850l ZPO gibt es eine Regelung für echte Gemeinschaftskonten. Das alte Argument "Ich bekomme kein Girokonto, daher musste ich die Kontoleihe betreiben" ist daher tot.

    Wenn der Schuldner seinen Zahlungsverkehr trotz anderweitiger legaler Möglichkeiten und in Kenntnis der Schulden über ein fremdes Konto laufen lässt, ist er nicht schutzwürdig.

  • Solche Fälle habe ich schon etliche Male gehabt.


    Corypheus ist in jedem einzelnen Punkt zu 100% zuzustimmmen.

    Die "Kontenleihenpfändung" ist natürlich irgendwo der letzte Strohhalm des Gläubigers, aber insbesondere in Erwägung zu ziehen bei gewitzten Schuldnern, die z.B. mit Verschleierungstaktiken auffallen.

    Durch die quasi-100%ige Schutzlosigkeit des Schuldners und potentiellem großen Ärger für den Drittschuldner KANN das Ganze schon effektiv sein, wobei ich keine Praxisrückmeldungen von erfolgreichen Gläubigern kenne ... daher nur Vermutung.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Durch die quasi-100%ige Schutzlosigkeit des Schuldners und potentiellem großen Ärger für den Drittschuldner KANN das Ganze schon effektiv sein, wobei ich keine Praxisrückmeldungen von erfolgreichen Gläubigern kenne ... daher nur Vermutung.

    Ich kann insoweit mit Erfahrungen dienen, da ich die Drittschuldner auf der RAST erlebt habe. Es gibt im Wesentlichen zwei Gruppen:

    1. Die weiter entfernten Bekannten / Verwandten, denen schwant, dass sie etwas dummes gemacht haben. Die reagieren oft ziemlich eingeschüchtert und zahlen anstandslos um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen (teilweise sogar mehr, als sie pfändungsrechtlich müssten)

    2. Die näheren Angehörigen (oft Partner oder Kinder). Da ist in aller Regel eine Drittschuldnerklage notwendig, erst in der Auskunfts- und dann in der Zahlungsstufe. Das macht für den Gläubiger keinen Spaß.

  • Ist der Herausgabeanspruch tatsächlich so auch für "alle folgenden Tage" gegen die Ehefrau als Drittschuldnerin pfändbar?

    Künftige Ansprüche können nur gepfändet werden, wenn zur Zeit der Pfändung bereits eine Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Drittschuldner besteht, aus der die spätere Forderung nach ihrem Inhalt und der Person des Drittschuldners bestimmt werden kann (ständige Rechtsprechung des BGH, exemplarisch: BGH, Beschluss vom 31.10.2003, IXa ZB 200/03).

    Diese Voraussetzungen liegen hier offensichtlich vor, dass ich keine Probleme sehe, auch die Herausgabeansprüche für künftige Eingänge zu pfänden.

    Die Problematik der Dauerpfändung braucht es nur, wenn wegen künftig wiederkehrend fällig werdenden Ansprüchen vollstreckt wird und der Anwendungsbereich der Vorratspfändung nicht eröffnet ist.

    Was den unpfändbaren Betrag angeht: Wir haben weder einen Fall des § 850d ZPO noch des § 906 Abs. 1 ZPO. Daher ist der Antrag des Jugendamtes meiner Meinung nach unzulässig. Der komplette Anspruch aus dem Treuhandverhältnis ist pfändbar.

    Ebenso.

  • Zitat

    Die Problematik der Dauerpfändung braucht es nur, wenn wegen künftig wiederkehrend fällig werdenden Ansprüchen vollstreckt wird und der Anwendungsbereich der Vorratspfändung nicht eröffnet ist.

    Da hast du natürlich Recht. Da es Jugendamt ist, habe ich irgendwie automatisch unterstellt, dass die auch laufenden Unterhalt pfänden, das ergibt sich aber so nicht eindeutig aus der Sachverhaltsschilderung.

  • Zunächst erst einmal..vielen Dank für die vielen hilfreichen Antworten! :)

    Corypheus, du hast das richtig angenommen bzw. habe ich das am Anfang auch kurz geschildert, dass sowohl wegen Unterhaltsrückständen als auch laufender Unterhalt gepfändet werden soll (bis zum Jahr 2029, dort wird das minderjährige Kind volljährig).

    Zusammenfassend:

    Wenn ich jetzt alles richtig verstanden habe ist also der Anspruch, so wie beantragt, pfändbar - also mehr oder weniger unproblematisch.

    Ich würde dem Jugendamt nun allerdings ein Schreiben fertigen, dass der Antrag dahingehend abzuändern wäre, dass leidglich der bisherige Rückstand gefordert werden kann, da eine Dauervollstreckung nach §850d ZPO vorliegend nicht in Betracht kommt.

  • Richtig, der Anspruch ist unproblematisch pfändbar. Die Probleme kommen wahrscheinlich erst im Nachgang.

    h würde dem Jugendamt nun allerdings ein Schreiben fertigen, dass der Antrag dahingehend abzuändern wäre, dass leidglich der bisherige Rückstand gefordert werden kann, da eine Dauervollstreckung nach §850d ZPO vorliegend nicht in Betracht kommt.

    Das gerade nicht, wenn du nach dem BGH gehst ;).

    Hier soll, unter faktischer Umgehung des § 850d Abs. 3 ZPO, auch die Pfändung wegen des laufenden Unterhalts möglich sein. Finde ich zwar fragwürdig, aber wenn der BGH meint... Insoweit verweise ich auf BGH, Beschluss vom 16.09.2021, VII ZB 9/21 ohne mir die dortige Argumentation zueigen machen zu wollen.

  • Hier soll, unter faktischer Umgehung des § 850d Abs. 3 ZPO, auch die Pfändung wegen des laufenden Unterhalts möglich sein.

    Es gibt durchaus einen gewaltigen Unterschied zwischen der Vorratspfändung nach §850d Abs. 3 ZPO und der Dauerpfändung.

    Bei der Dauerpfändung ist die Pfändung wegen der zukünftig fällig werdenden Beträge aufschiebend bedingt auf den jeweiligen Eintritt des auf die Fälligkeit folgenden Werktages.
    Dadurch entsteht die Pfändung insoweit erst in diesem Moment, was gerade für den Rang der Pfändung von entscheidender Bedeutung ist.
    Die Vorratspfändung kann hingegen für sämtliche künftigen Ansprüche den Rang sichern, der bei Zustellung des PfÜB entsteht.

    Letztlich ist die Variante zur Dauerpfändung, dass jeden Monat ein neuer PfÜB erlassen werden müsste, was m.E. keinen Mehrwert bietet. Vielmehr entstehen deutlich mehr Kosten die der Gläubiger vorschießen und der Schuldner erstatten muss. Auch der Drittschuldner bekäme jeden Monat einen PfÜB zugestellt und müsste sich um diesen kümmern (auch knicken, lochen abheften macht Arbeit).
    Damit wäre daher m.E. niemandem geholfen. Ich halte die Dauerpfändung daher für eine praxisnahe Lösung, die die gesetzgeberische Intentionen auch nicht beeinträchtigt.

  • Durch die quasi-100%ige Schutzlosigkeit des Schuldners und potentiellem großen Ärger für den Drittschuldner KANN das Ganze schon effektiv sein, wobei ich keine Praxisrückmeldungen von erfolgreichen Gläubigern kenne ... daher nur Vermutung.

    Ich habe bereits öfter diese Herausgabeansprüche gepfändet und kann Dir daher mitteilen, dass grundsätzlich nach der Zustellung des PfÜB erst einmal rein gar nichts passiert. Eine Drittschuldnererklärung erhält man jedenfalls nicht. Es bleibt also dann nur der Weg der Drittschuldnerklage und hier scheuen dann doch oft die Gläubiger die weiteren Kosten. Ich habe bislang einmal den Anspruch im Wege der Drittschuldnerklage erfolgreich weiterverfolgt und nun werden immerhin Raten gezahlt. Es macht also manchmal schon Sinn, den Anspruch durchzusetzen.

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