Zustellung bescheinigt; Brief kommt jedoch zurück

  • Wie würdet ihr mit folgendem kuriosen Fall umgehen?

    Ich habe in M-Sachen einen KFB erstellt und nach Zustellung (per ZU; Postbote hat den Einwurf in den Briefkasten bestätigt) eine vollstreckbare Ausfertigung an den Gläuboger versendet.

    Nunmehr kommt von der Deutschen Post ein Brief, dass sie unseren gelben Brief bei sich um Umlauf gefunden haben und ihn nicht zuordnen konnten. Auf dem Brief ist auch das Zustelldatum und die Unterschrift des Postboten vermerkt. Ich gehe daher davon aus, dass in alter Schuldnermanier der Schuldner das Adressfeld durchgestrichen und den Brief in einen gelben Briefkasten geworfen hat.

    Ich habe daher meine SE gebeten einmal eine EMA durchzuführen und siehe da - der Schuldner ist zumindest seit 1 Jahr unter dieser Anschrift nicht gemeldet (nach unbekannt abgemeldet). Wohl aber jemand mit diesem Nachnamen. Wie geht man denn jetzt weiter vor?

  • Ich würde nicht Variante 2 wählen, da mir die Anhaltspunkte für eine fehlgegangene Zustellung zu massiv sind. Die Rechtsprechung des BGH zur Beweiskraft einer PZU in allen Ehren, aber sie erging zu Zeiten, als Post noch durch Beamte ausgetragen wurde. Die heute erlebbare Fehlerquote ist um Längen größer. Und da wir Garanten des Rechtsstaats sind, steht es uns meiner Ansicht nach nicht gut an, die Augen vor Fehlern zu verschließen. Und der ZU-Brief kann ja auch von einem nachnamensgleichen Familienmitglied nach fehlerhafter Zustellung wieder zur Post gegeben worden sein.

    Ich würde also den Gläubiger benachrichtigen und ihn um Überprüfung der Anschrift bitten.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Wenn der Schuldner nachweislich seit 1 Jahr unter der Anschrift nicht mehr gemeldet ist, kann keine wirksame Zustellung erfolgt sein. Der Nachweis vom Einwohnermeldeamt ist ja eindeutig.

    Wenn ich sehe, was in meinem Briefkasten manchmal so landet - Post an die vorherigen Bewohner, die schon seit 10 Jahren hier nicht mehr wohnen - frage ich mich manchmal, ob die Zusteller überhaupt lesen können.

    Die vollstreckbare Ausfertigung muss zurück gefordert werden, weil der ZU-Vermerk darauf falsch ist.

  • Ich stimme AndreasH zu. Wenn der Empfänger schon seit 1 Jahr unter der Zustellungsanschrift abgemeldet ist, spricht einiges dafür, dass er dort auch tatsächlich nicht mehr wohnt.

    Für eine Rückforderung der vollstreckbaren Ausfertigung gibt es m.E. aber keine Rechtsgrundlage.

  • Schließe mich AndreasH und BREamter insoweit an.

    Ergänzend zur Frage der Wirksamkeit der Zustellung noch der Hinweis auf OLG München (DGVZ 2018, 16 - mit Verweis auf die Rspr. des BGH), das entschieden hat, dass eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (und damit auch die Möglichkeit der Zustellung durch Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten, § 180 ZPO) nur dann in Betracht komme, wenn die Wohnung tatsächlich vom Zustellungsadressaten bewohnt werde. Dabei habe für die Frage der zustellungsrechtlichen Wohnung die melderechtliche An- und Abmeldung zwar i. d. R. keine unmittelbare Aussagekraft. Der Tatsache einer Abmeldung beim Einwohnermeldeamt könne aber eine gewisse indizielle Bedeutung für die Frage des tatsächlichen Wohnsitzes nicht abgesprochen werden. Vielmehr kann sich die Abmeldung auch als nach außen erkennbarer Akt der Wohnungsaufgabe interpretieren lassen.

    Da hier ja "unbekannt verzogen" und nicht etwa eine neue Meldeanschrift beauskunftet wurde, evtl. noch der Hinweis auf BGH (MDR 1985, 216 - dort zur Niederlegung nach § 181 ZPO). Dieser hat entschieden, dass es für den Begriff der "Wohnung" (dort: im Sinne der §§ 181, 182 ZPO) nach seiner Rspr. grundsätzlich auf das tatsächliche Wohnen, nämlich darauf ankommt, ob der Zustellungsempfänger hauptsächlich in den Räumen lebt und insbesondere, ob er dort schläft. Wenn der Zustellungsempfänger Räume in dieser Weise benutze, hebe nicht jede vorübergehende Abwesenheit, selbst wenn sie länger dauert, die Eigenschaft als Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagere. Ob das der Fall ist, läßt sich jeweils nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen, wobei die Zwecke des Zustellungsverfahrens zu beachten sind, das einerseits dem Interesse des Zustellenden an einer einfachen und effektiven Zustellungsmöglichkeit Rechnung tragen soll, andererseits aber auch den Interessen des Zustellungsempfängers, der unter Wahrung des rechtlichen Gehörs in die Lage versetzt werden soll, Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück zu nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einzurichten.

    Das LG Wuppertal (JurBüro 2022, 329) wiederum hatte über einen zum hiesigen Fall ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden. Es ist der Auffassung, dass die Zustellungsurkunde über die Ersatzzustellung eines Titels nach § 180 ZPO zwar keinen Beweis gemäß § 418 Abs. 1 ZPO für die Existenz von Wohnräumen des Schuldners an dem Zustellungsort begründe, in seinem entschiedenen Fall jedoch ein Indiz darstelle. Es meint, dass die Daten im Meldeportal (dort: über die Meldung des Schuldners an einer anderen Adresse) nicht geeignet seien, die Indizwirkung der Zustellungsurkunde zu erschüttern, wenn aufgrund der glaubhaften eidesstattlichen Versicherung einer Zeugin feststeht, dass der Schuldner zu einem Zeitpunkt, zu dem er an der anderen Adresse gemeldet war, gegenüber dem Gläubiger als Rechnungsadresse die Adresse des Zustellungsorts angab.

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  • frage ich mich manchmal, ob die Zusteller überhaupt lesen können.

    Die Antwort hierauf ist überraschend oft, dass jedenfalls funktionale Analphabeten viel häufiger sind, als man meint.


    Neulich am Empfang:

    Zusteller "Wohnt hier im Haus 'persönlich' oder 'verschlossen'? Ich finde die nicht bei den Briefkästen."

    Empfang: "Zeigen Sie mal."


    Brief an

    "Persönlich / Verschlossen

    Notar Tom

    Strasse Nr.

    Ort"

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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