Guten Morgen liebe Kolleginnen und Kollegen!
1. Den Nachlassgerichten stehen die personellen und sachlichen Ressourcen für eine weitreichende Erbenermittlung in ferneren Erbordnungen nicht oder jedenfalls nicht im ausreichenden Maß zur Verfügung.
2. Wegen Ziffer 1 werden Nachlasspfleger bestellt.
3. Oft sind die Dinge aber so komplex, dass auch der Nachlasspfleger nicht weiterkommt.
4. Wegen 3 werden dann gewerbliche Erbenermittler eingeschaltet, und zwar regelmäßig auf deren eigenes Risiko,
Ich gehe bei meiner Entscheidungsfindung zur Auswahl der ermittelnden Person (Rpfl. NLP, EE) verfahrensbezogenen und differenziert vor. Im Rahmen der Pflicht zur Erbenermittlung, die auch Grenzen hat (§ 1964 Abs. 1 BGB), habe ich einen Ermessensspielraum.
zu 1. Auch bei den Gerichten hat in den letzten 20-30 Jahren der technische Fortschritt Einzug gehalten. Jeder Arbeitsplatz hat Internet. Somit ist eine sofortige Recherche in Todesanzeigen der Presse oder ganz allgemein bei Google möglich.
In den Computer-Systemen sind die heutigen Erblasser bereits als Beteiligte in anderen Verfahren (z.B. ihrer Ehegatten, Eltern, Großeltern und Geschwister) erfasst. Während früher in der Kartei nur nach dem Erblasser gesucht werden konnte, ist jetzt auch eine Suche, ob der heutige EL irgendwo Beteiligter ist, sofort möglich. Damit erreicht man binnen Minuten die 2 Ordnung.
Durch den Zugang der Gerichte zum EMA erhält man ebenfalls binnen Minuten nicht nur die Adresse einer Person, sondern sofort auch Angabe zum Ehegatten, Geburts- und Sterbedaten und Orten und ggf. zu mind. Kindern.
Ein Blick ins GB (Abt. I) gibt ggf. auch Hinweise zu Vorfahren und ES oder Test.
Auch wenn nicht gleich die Erben bekannt werden sollten, geben die Quellen eine Menge Hinweise für weitere Ermittlungen. In meinem Beitrag # 36 hatte ich bereits erwähnt, dass dann sofort und mehrgleisig weitere schriftliche Anfragen bei STA, Gerichte u.a. Behörden erfolgen können.
Die Nutzung dieser „Ressourcen“ sehe ich im Vergleich zum Aufwand einer jahrelangen Pflegschaft.
zu 2-3. Vom NLP erwarte ich, dass er Fachkenntnisse hat. Auch bei Auslandsbezug hat sich die Lage in den letzten Jahren völlig verändert (Internet, EU usw.). Eine Beschaffung von Urkunden oder Adressen sowie eine Kontaktaufnahme mit Erben im Ausland erwarte ich schon, kann es jedenfalls nicht von vornherein ausschließen. Für Übersetzungen (wenigstens, um den Inhalt zu erfahren) gibt es Programme.
zu 4. So „oft“ sind die Dinge dann nicht mehr komplex (?). Eine Hauptgruppe waren Personen, die durch Krieg und Vertreibung keine Nachweise oder sonst. Probleme hatten. Mittlerweile ist die dritte, kleinste und letzte Gruppe dieses Personenkreises mind. 75-80 Jahre alt und nimmt ab.
Ich prüfe daher aus fachlicher Sicht im konkreten Verfahren ob,
es tatsächlich weitere Ermittlungsansätze gibt
Rpfl. oder NLP diesen Ansätzen nicht nachgehen können
ein EE dies aber auch wirklich könnte
Ebenso muss ich bei meiner Ermessensentscheidung bezüglich EE, deren Kompetenz ich nicht anzweifele, eine Prüfung der grundsätzlichen Eignung des „Konstruktes“ machen und nach meinem Fall kritisch beachten:
Ich habe keine Garantie, dass ich von ermittelten Erben erfahre.
Meine Pflichterfüllung hängt von einer Geldzahlung ab, auf die ich keinen Einfluss habe.
Der Erbe kommt erst durch eine mittels „Druck“ herbeigeführte Geldzahlung in den Genuss seines im Grundgesetz gesicherten Anspruchs.
Es kann zu Kosten und weiteren Problemen im Pflegschaftsverfahren kommen.
Ich kann, darf und will nicht verlangen, dass der EE mir seine Ergebnisse ggf. kostenfrei zur Verfügung stellt.
Ich habe bei der Ausübung des Ermessens mehrere Varianten zu prüfen, dafür oder dagegen zu entschieden und dies mit Argumenten zu begründen. Dafür bin ich unabhängiger Entscheider (Rechtspfleger). Mit einer Prüfung, einer guten Argumentation und einer schlüssigen Begründung, begegne ich auch etwaigen Schadenersatzansprüchen. Die Begründung kann kurz und überzeugend sein. Sie kann aus vorbereiteten Textbausteinen bestehen, die verfahrensbezogen variiert werden.
Es besteht auch keine Pflicht zum EE, weder gesetzlich, noch durch Rechtsprechung. Letztendlich hat die Erbenermittlung auch Grenzen, § 1964 BGB (Fiskus). Auch das habe ich bei meiner Entscheidung zu beachten.