Bestelmeyer Rpfleger 2024, 11: Verfehlte Feststellung des Fiskuserbrechts unter Übergehung nicht ermittelter Erben am Beispiel des Bundeslandes Niedersachsen
In meiner soeben in Rpfleger 2024, 11 erschienenen 16-seitigen Abhandlung habe ich mich unter Einbringung reichhaltigen statistischen Materials mit der nachlassgerichtlichen Praxis der Feststellung des Fiskuserbrechts im Bundesland Niedersachsen und mit der Problematik der Hinterlegung von Nachlassgeldern zugunsten unbekannter Erben auseinandergesetzt.
Die dortige Tabelle (S. 17) zur Anzahl der aus dem Bundesanzeiger ersichtlichen öffentlichen Aufforderungen niedersächsischer Nachlassgerichte konnte im Hinblick auf das Jahr 2023 manuskriptabgabebedingt nur für das Rumpfjahr bis zum 31.10.2023 erfolgen. Gleiches gilt für die Analyse dieser öffentlichen Aufforderungen nach Nachlasswerten (S. 17/18) und nach nachlassgerichtlicher Urheberschaft (S. 18).
Die betreffenden jeweiligen Zahlen wurden bis zum 31.12.2023 fortgeschrieben. Hiernach ergibt sich, dass im Gesamtjahr 2023 insgesamt 425 öffentliche Aufforderungen niedersächsischer Nachlassgerichte erfolgten (bis zum 31.10.2023: 367). Zu beachten ist dabei, dass im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fiskuserbschaften seit dem Jahr 2011 durchgängig nur in etwa 20 % der Fälle öffentliche Aufforderungen erfolgten, sodass das Fiskuserbrecht im Bundesland Niedersachsen in etwa 80 % der Fälle ohne vorherige öffentliche Aufforderung festgestellt wird (Tabelle S. 17). Außerdem hat die Untersuchung ergeben, dass die Fiskuserbrechtsfeststellung bei erheblich werthaltigen Nachlässen nicht selten bereits nach kurzer bis kürzester Zeit erfolgt, sodass diesen Feststellungen kaum die erforderlichen nachlassgerichtlichen Erbenermittlungsbemühungen vorausgegangen sein können (vgl. die Ausführungen in Ziffer 3 ab S. 13 samt Tabelle auf S. 16 sowie die Ausführungen in den Fn. 32, 43 bis 46).
Die 425 öffentlichen Aufforderungen des Gesamtjahres 2023 verteilten sich nach Nachlasswerten wie folgt:
109 Auschlagungs- und Überschuldungsfälle (25,65 %)
133 Fälle mit fehlenden Angaben zum Nachlasswert (31,29 %)
183 Fälle mit Angaben zum Nachlasswert (43,06 %)
Die letztgenannten 183 Fälle mit Angaben zum Nachlasswert verteilten sich wie folgt:
89 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 150 € bis 5.000 € (48,63 %)
41 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 5.000 € bis 10.000 € (22,40 %)
17 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 10.000 € bis 20.000 € (9,29 %)
07 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 20.000 € bis 30.000 € (3,83 %)
08 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 30.000 € bis 40.000 € (4,37 %)
03 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 40.000 € bis 50.000 € (1,64 %)
09 Fälle auf höhere Aktivnachlasswerte (4,92 %)
09 Fälle mit lediglich ungefähren oder gegenständlichen Angaben zum Nachlasswert (4,92 %)
Bei den 9 Fällen mit einem Aktivnachlasswert von mehr als 50.000 € ging es um Aktivwerte in Höhe von 65.000 €, 90.000 €, 100.000 €, 100.000 €, 131.000 €, 174.000 €, 177.000 €, 400.000 € und 420.000 €.
Wenn man bei den Nachlässen bis zum Wert von 50.000 € die Mittelwerte der genannten jeweiligen Betragsspannen, bei den 9 Fällen mit höherem Nachlasswert jewelis die realen Werte und bei den 9 Fällen mit ungefähren Angaben jeweils einen pauschalen Betrag von 10.000 € in Ansatz bringt, so ergeben sich hieraus Gesamteinnahmen des Jahres 2023 in Höhe von 3,128 Mio. €.
Legt man bei den Nachlässen mit einem Aktivnachlasswert bis zu 50.000 € dagegen den Höchstwert der jeweiligen Betragsspannen zugrunde, so ergeben sich (bei ansonsten unveränderter Berechnung) erhöhte Gesamteinnahmen des Jahres 2023 in Höhe von 3,622 Mio. €.
Dem stehen für das Jahr 2022 vergleichsweise Gesamteinnahmen in Höhe von 21,52 Mio. € gegenüber, sodass die vorgenannten Einnahmen des Jahres 2023 lediglich einem Anteil von 14,54 % (bei Zugrundelegung der Mittelwerte) bzw. lediglich einem Anteil von 16,83 % (bei Zugrundelegung der Höchstwerte) der Einnahmen des Jahres 2022 entsprechen (was die Verlässlichkeit der in Ziffer 5 c und in Fn. 57 meiner Abhandlung erfolgten Hochrechnung der sich bis zum 31.10.2023 ergebenden Zahlen auf das Gesamtjahr bestätigt, weil es insoweit mit Anteilen von 13,88 % bzw. von 16,21 % nur zu geringfügigen Abweichungen kommt). Angesichts dieser Zahlen ist davon auszugehen, dass die im Vergleich zu den Zahlen des Jahres 2022 „fehlenden“ exorbitanten Werte bei den 133 Fällen mit fehlenden Angaben zum Nachlasswert und/oder bei dem Anteil von 80 % aller Fälle zu verorten sind, bei welchen von vorneherein keine öffentliche Aufforderung erfolgt.