Neues zur GbR: Scherer NJW 2009, 3063

  • In dem genannten Aufsatz (NJW 42/2009 vom 08.10.2009) vertritt Frau Professorin Dr. Inge Scherer von der Universität Würzburg folgende Ansichten:

    Die §§ 899 a BGB und 47 GBO seien am 01.10.2009 in Kraft getreten. Damit sei die Rechtsprechung des BGH zur Rechtsfähigkeit der GbR überholt, weil nicht mehr die GbR, sondern wieder ihre Gesellschafter als Rechtsträger angesehen würden. Damit würden die Fortschritte, die das Zivil- und Zivilprozessrecht in den letzten acht Jahren gemacht haben, nahezu vollständig wieder in Frage gestellt.

  • Ohne den Aufsatz gelesen zu haben:

    Verstehe die Frau Proffesorin nicht. § 899a BGB spricht doch ausdrücklich davon, dass die GbR im GB eingetragen ist. Ebenso spricht § 47 Abs. 2 GBO von Eintragung der GbR. Demnach muss doch die GbR Rechtsträger sein.

    Außerdem folgt doch schon aus der Entstehungsgeschichte der neuen Vorschriften, dass der Gesetzgeber von der Rechtsfähigkeit der GbR ausgeht. :gruebel:

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Frau Prof. geht sogar so weit zu behaupten, daß der Gesetzgeber die hervorragende Rechtsentwicklung durch den BGH wieder zurückdreht, um den Grundbuchämtern einen Gefallen zu tun (ich überspitze hier natürlich etwas).

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Der ganze Aufsatz ist - man muss es leider sagen - eine Lachnummer. Auf die Probleme, die zu §§ 899a BGB, 47 Abs. 2 GBO geführt haben, geht die Autorin kaum ein. Stattdessen beklagt sie, dass die Vorschriften ein Rückschritt auf dem Weg zum gesellschaftsrechtlichen Paradies (BGB-Gesellschaft = OHG, nur ohne Register) seien, und preist die längst ad acta gelegten "Lösungsvorschläge" von Ulmer/Steffek u.a. Da war Brambring drei Wochen nach der BGH-Entscheidung vom 4. Dezember 2008 (in den Umschlagseiten der NJW) schon weiter. Wirklich erstaunlich, dass die NJW so etwas abdruckt.

  • Frau Prof. geht sogar so weit zu behaupten, daß der Gesetzgeber die hervorragende Rechtsentwicklung durch den BGH wieder zurückdreht, um den Grundbuchämtern einen Gefallen zu tun (ich überspitze hier natürlich etwas).


    Das war nicht überspitzt.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Aus einem Schreiben an die Redaktion der NJW:

    Zu meinem Bedauern muss ich Ihnen aufgrund der mir bekannt gewordenen Reaktionen mitteilen, dass eine Abhandlung selten ein derartiges Unverständnis ausgelöst hat wie der im Betreff genannte Aufsatz, wobei die Bezeichnung als „Lachnummer“ noch die mildeste aller mir zu Ohren gekommenen Umschreibungen darstellt.

    Es beginnt schon damit, dass die die GbR betreffenden Teile des ERVGBG nicht am 01.10.2009, sondern bereits am 18.08.2009 in Kraft getreten sind (Art.5 Abs.2 ERVGBG). Im Weiteren wird von der Autorin die These vertreten, dass die Rechtsfähigkeit der GbR aufgrund der Regelungen des ERVGBG wieder grundlegend in Frage gestellt und die betreffende BGH-Rechtsprechung überholt sei, weil nunmehr wieder die Gesellschafter als Rechtsträger angesehen würden. Daran ist nicht nur alles falsch, was sich überhaupt rechtlich falsch beurteilen lässt, sondern die genannten Ausführungen beruhen auch auf einer völligen Verkennung des Regelungsgehalts der Normen des ERVGBG.

    Die Regelungen des ERVGBG stellen die Rechtsfähigkeit der GbR nicht in Frage, sondern sie bestätigen sie. Es bleibt also dabei, dass im Rechtssinne nur die (mittels Angabe ihrer Gesellschafter bezeichnete) GbR als solche als Rechtsträger im Grundbuch eingetragen ist und dass die Verfügung durch eine nichtberechtigte rechtsfähige GbR einen Gutglaubenserwerb in unmittelbarer Anwendung des § 892 BGB ermöglicht. Die Norm des § 899 a BGB statutiert darüber hinaus einen bisher nicht geschützten gutgläubigen Erwerb aufgrund des guten Glaubens an die Gesellschafterstellung der die GbR vertretenden Gesellschafter, sodass die §§ 892 und 899 a BGB bei einem Doppelmangel im Hinblick auf die materielle Berechtigung der verfügenden GbR und in Bezug auf die fehlerhafte Vertretung der GbR auch nebeneinander zur Anwendung gelangen können. Dabei setzt der Schutz des guten Glaubens an die Gesellschafterstellung im Anwendungsbereich des § 899 a BGB natürlich voraus, dass die Gesellschafter aus dem Grundbuch ersichtlich sind, weswegen in § 47 Abs.2 S.1 GBO normiert wurde, dass zusammen mit der rechtsfähigen GbR auch deren Gesellschafter im Grundbuch miteinzutragen sind. Dies ändert aber selbstverständlich nichts daran, dass Rechtsträger nach wie vor die GbR als solche ist. Dass keine reinen Namens-GbR’s mehr im Grundbuch eingetragen werden können, ist somit lediglich eine Folge der Statuierung eines gutgläubigen Erwerbs für den Fall der fehlerhaften Vertretung der GbR. Verstößt das Grundbuchamt gegen die Vorschrift des § 47 Abs.2 S.1 GBO, bleibt es aber (ebenso wie im Fall der Beachtung der Norm) natürlich dabei, dass die ohne (oder mittels) Angabe ihrer Gesellschafter im Grundbuch eingetragene Namens-GbR das betreffende dingliche Recht als rechtsfähiges Rechtssubjekt erworben hat und dass das jeweilige dingliche Recht nicht den Gesellschaftern, sondern der GbR als solche zusteht. Die fehlende Miteintragung der Gesellschafter führt -wie bei bereits eingetragenen reinen Namens-GbR’s- somit „lediglich“ dazu, dass kein gutgläubiger Erwerb bei der Verfügung einer zwar materiell berechtigten, aber fehlerhaft vertretenen GbR stattfinden kann.

    Die Autorin war sich bei ihren Ausführungen offensichtlich nicht der immobilarsachenrechtlichen und grundbuchrechtlichen Probleme bewusst, die durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR im Gefolge der Entscheidung des BGH vom 04.12.2008 (NJW 2009, 594) entstanden waren und die vor dem Inkrafttreten des ERVGBG in einer Vielzahl von (unzitierten) Abhandlungen und in (ebenfalls unzitierter) reichhaltiger landgerichtlicher Rechtsprechung ihren Niederschlag gefunden hatten. Statt „die dogmatischen Konsequenzen der Gesetzesbegründung auszublenden“, wäre es deshalb ratsamer gewesen, die Gesetzesbegründung zum notwendigen Verständnis der erfolgten Gesetzesänderung erst einmal zur Kenntnis zu nehmen und sich darüber zu informieren, weshalb das Immobiliarsachen- und Grundbuchrecht in Bezug auf die GbR überhaupt geändert wurde. Dass dies schwerlich erfolgt sein kann, zeigen insbesondere die Ausführungen der Autorin in NJW 2009, 3063, 3064 (linke Spalte), bei welchen sie im Hinblick auf die dort platzierten beiden Zitate das exakte Gegenteil des Inhalts dieser Zitate postuliert, indem sie diese rechtsirrig und offensichtlich unzutreffend auf die angebliche Rechtsinhaberschaft der Gesellschafter anstatt auf den alleine in Frage stehenden Gesellschafterbestand und die aus ihm folgenden Vertretungsverhältnisse der GbR bezieht und dabei sogar den Wortlaut des § 899 a S.1 BGB negiert, der eine Grundbucheintragung der GbR als Rechtsinhaberin (sic!) ausdrücklich voraussetzt. In dieses traurige Bild einer misslungenen wissenschaftlichen Aufarbeitung der GbR-Problematik passt es auch, dass die Autorin unzutreffenderweise behauptet (S. 3063), dass die GbR-Regelungen „auf Betreiben“ des Rechtsausschusses in das ERVGBG aufgenommen worden wären. Hiervon kann keine Rede sein, weil die betreffenden Vorschläge im Gewand einer „Formulierungshilfe“ zum „Regelungsvorschlag zur Behandlung der GbR im Immobilienverkehr“ nicht auf den Rechtsausschuss, sondern unmittelbar auf das BMJ zurückgehen. Ich räume allerdings ein, dass man von diesem Umstand wohl nur Kenntnis haben kann, wenn man sich gründlich mit der einschlägigen Rechtsmaterie befasst hat.

    Insgesamt ist festzuhalten, dass der Autorin die nunmehr gesetzlich normierte „Doppelgleisigkeit“ der rechtlichen Problematik -unstreitige Rechtsinhaberschaft der rechtsfähigen GbR einerseits und Gesellschafterstellung sowie Gesellschaftsanteil andererseits- vollständig entgangen ist. Damit sind ihre sämtlichen Ausführungen nicht nur eklatant unrichtig, sondern sie grenzen auch an eine selten anzutreffende und einer Selbstdemontierung gleichkommende rechtliche Blamage. Wenn die Autorin ihre geäußerten „Ansichten“ auch in der Lehre vertreten sollte, ist die Studentenschaft nicht zu beneiden. Im übrigen gilt, dass man seine schriftstellerische Tätigkeit auf Rechtsgebiete beschränken sollte, in welchen man hinreichend bewandert ist und mit denen man auch regelmäßig in Theorie und Praxis zu tun hat. Jedenfalls letzteres kann im vorliegenden Fall fraglich erscheinen. Denn ansonsten könnte sich die Autorin im Ergebnis nicht zu der unhaltbaren Aussage versteigen, dass die Neufassung des § 47 Abs.2 GBO „als rein buchungstechnisches Entgegenkommen des Gesetzgebers gegenüber den Grundbuchämtern“ zu verstehen sei, mit dem keinerlei materiellrechtliche Konsequenzen einhergingen. Eine solche abwegige Behauptung lässt sich nur aufstellen, wenn man entweder die aus der Rechtsfähigkeit der GbR resultierenden Probleme nicht erkannt oder zumindest nicht die zum rechtlichen Allgemeingut zählende Erkenntnis verinnerlicht hat, dass ein gutgläubiger Erwerb im materiellrechtlichen Sinne stets eine entsprechende Buchposition (hier: der Gesellschafter) voraussetzt, an die der gute Glaube des Erwerbers (hier: an die Gesellschafterstellung und nicht an die Rechtsinhaberschaft der Gesellschafter) anknüpfen kann.

    Ob die Autorin ihren Beitrag vollinhaltlich und öffentlich zurückziehen möchte, bleibt ihr natürlich selbst überlassen. Falls sie dieser Erwägung nicht nähertreten möchte -wofür ich ein gewisses Verständnis hätte-, sollte die genannte Abhandlung möglichst bald ihrer verdienten Vergessenheit anheimfallen.

    Es ist nicht nachvollziehbar, dass der vorliegende Aufsatz, der die Unhaltbarkeit der in ihm vertretenen Thesen bereits beim flüchtigen Lesen offenbart und nicht einmal den Zeitpunkt des Inkrafttretens der betreffenden Teile des ERVGBG richtig wiedergibt, überhaupt in der NJW erscheinen konnte. Werner Flume würde sich vermutlich im Grabe herumdrehen, wenn er derlei noch zu Gesicht bekäme.

  • Sehr ausführlich und kenntnisreich demgegenüber der Aufsatz von (Notar) Lautner, DNotZ 2009, 650-677. Im einzelnen zwar problematisch (z. B. zur Erwerbsfrage, S. 659), aber mit vielen interessanten Details (z. B. zu § 892 Abs. 2 BGB, S. 673).

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