Vorerbschaft nur hinsichtlich Grundbesitz

  • Hallo,
    in einem notariellen Testament aus dem Jahre 1985 der (jetzt verstorbenen) Ehefrau setzt diese ihren Ehemann zum Alleinerben ein, jedoch hinsichtlich des Grundbesitzes zum Vorerben. Ein Klammervermerk dahinter: (eingetragen in B. Blatt xxxx).
    Frage:
    Geht das überhaupt?
    Mittlerweile ist die Verstorbene in weiteren 5 Wohnungsgrundbüchern als Eigentümerin eingetragen.
    Gilt für diese auch die Vorerbschaft, wenn das möglich ist.
    Ich tendiere dazu, einen Erbschein zu verlangen.

  • Vorerbschaft mit Verausvermächtnis hinsichtlich des nciht der Vorerbschaft unterliegenden Vermögens: § 2110 BGB

    Um welchen "Grundbesitz" (ETW?) es geht ist Auslegungsfrage: soll der Klammervermerk nur als Beispiel dienen oder abschließend sein?

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Die Problematik des § 2110 Abs. 2 BGB beim alleinigen Vorerben wurde jetzt wirklich schon oft erörtert:

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post981489

    Vgl. auch OLG Hamburg, Beschl. v. 06.10.2015, Az. 2 W 69/15, ZEV 2016, 384 sowie OLG Hamm, Beschl. v. 11.05.2015, Az. 15 W 138/15 = openjur 2015, 15164.

    Das Problem ist hier nicht die zulässige Kontruktion über § 2110 Abs. 2 BGB, sondern die Auslegungsfrage, ob sich die Nacherbfolge auch auf Grundbesitz erstrecken soll, den die Erblasserin ggf. erst nach erfolgter Testamentserrichtung erworben hat. Wegen dieser Unwägbarkeit kann man natürlich einen Erbschein verlangen, weil er - je nach Auslegung - dann jeweils inhaltlich anders aussieht.

    Nebenbei: Das Wort "Vorausvermächtnis" taucht im gesamten Testament nicht auf?

  • Danke für die schnellen Antworten.
    Das Wort "Vorausvermächtnis" taucht nicht auf.
    Auf so eine Konstruktion wäre ich nie gekommen. Ich weiß auch nicht, ob das die Erblasserin so gewollt hat.
    Kommt es auf den Wert des Vermögens - außer dem Grundbesitz - gar nicht an. Ist es in jedem Fall ein Vorausvermächtnis?

  • Also wahrscheinlich ein MN-Testament.

    Ich denke, dass sich Deine Fragen nur beantworten lassen, wenn Du den Wortlaut des Testaments (anonymisiert) einstellst und des weiteren mitteilst, ob und ggf. welcher Grundbesitz erst nach erfolgter Testamentserrichtung erworben wurde.

  • #3 Cromwell: Warum "kann" man nur einen Erbschein verlangen? Ich meine, man muss als GBA in diesem Fall einen Erbschein verlangen!

  • Muss sich das Vorausvermächtnis (bzw. das Nacherbfolge nur bzgl. bestimmter Grundstücke gilt) in so einem Fall zwingend aus dem Erbschein ergeben?

    Hab nämlich so einen Fall gerade hier. Aus dem handschriftlichen Testament ergibt sich eindeutig, das alles bis auf ein Grundstück Vorausvermächtnis ist, aber im Erbschein sieht man davon nichts...

    „Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß.“ (Georg Simmel)

  • Weist der Erbschein überhaupt eine Nacherbfolge aus?

    Und gibt es einen alleinigen oder mehrere Vorerben?

    Ja, es gibt einen alleinigen Vorerben. Der Erbschein besagt weiter, dass Nacherbfolge angeordnet sein, wann diese eintritt und wer die Nacherben sind und dass die Vorerbin befreit ist. Sonst nichts. Angesichts des mir vorliegenden Testaments und dem was ich hier so gelesen habe, bin ich deshalb etwas iritiert. Habe Auflassungen zu Grundbesitz vorliegen, für den die Nacherbfolge laut Testament nicht gilt (der aber bei Errichtung zweifelsfrei schon im Eigentum des Erblassers stand) und frage mich jetzt, ob ich den Nacherbenvermerk eintragen muss oder nicht (aus der Notarurkunde ergibt sich hierzu gar nichts).

    „Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß.“ (Georg Simmel)

  • Der dem alleinigen Vorerben im Wege des Vorausvermächtnisses zugewendete Grundbesitz unterliegt nach § 2110 Abs. 2 BGB nicht der Nacherbfolge und es ist völlig klar - siehe nur OLG München -, dass dies entsprechend im Erbschein zu verlautbaren und demzufolge insoweit kein Nacherbenvermerk im Grundbuch einzutragen ist.

    Aus Sicht des Grundbuchamts kann man hier beim Nachlassgericht nur die Einziehung des bisherigen (unrichtigen) und die Erteilung eines neuen (richtigen) Erbscheins anregen.

    Hier noch einige Links:

    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-18695?hl=true

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1058574

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post981489

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1076105

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1070751

  • Hallo zusammen,

    möchte mich hier mal dran hängen.

    E ist Alleineigentümer eines mal käuflich erworbenen Grundstücks und hat folgendes notarielles Testament hinterlassen.

    "Ich setze meine vorgenannten Kinder A + B zu meinen Erben zu je 1/2 ein, ersatzweise mein Enkelkind C. Für mein Hausgrundstück XXXX sollen meine Kinder jedoch nur Vorerben sein. Nacherbin ist C." (kurz und knapp :))

    Nach Hügel 3. Aufl., § 51 GBO, Rd.-Nr. 7 ist es nicht möglich, da Nacherbfolge für einzelne Gegenstände nicht gilt, d.h. A + B ohne NE-Vermerk eintragen.

    Ich bilde mir ein, dass das früher anders war oder verwechsele ich da etwas?

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

  • Allerdings haben wir hier keinen alleinigen, sondern mehrere Vorerben, so dass hier Besonderheiten zu beachten sind, die ich in einem Skript wie folgt skizziert habe:

    Allerdings funktioniert diese Lösung in dinglicher Hinsicht nur beim alleinigen Vorerben, weil eine direkte dingliche Zuweisung von einzelnen Nachlassgegenständen in das jeweilige Alleineigentum von mehreren Vorerben ohne eine von der Vorerben-Erbengemeinschaft vorzunehmende rechtsgeschäftliche Vermächtniserfüllung nicht möglich ist. Allerdings kann die Vorausvermächtnisanordnung bei mehreren Vorerben nach dem Willen des Erblassers in (insoweit beschränkter) dinglicher Hinsicht auch zur Folge haben, dass jedenfalls die aus allen Vorerben bestehende Erbengemeinschaft den Vorausvermächtnisgegenstand von vorneherein nacherbschaftsfrei gesamthänderisch erwirbt.[33] Unter dieser Prämisse sind auch Vorausvermächtnisanordnungen beim Vorhandensein von mehreren Vorerben im Vorerben- und im Nacherbenerbschein zu verlautbaren.[34]


    [33] Schäuble ZEV 2016, 675, 676 m. w. N.
    [34] Schäuble ZEV 2016, 675, 679 m. w. N.

  • Außerdem gibt es hier noch ein weiteres Problem, das sich in der Fragestellung ausdrückt, ob C nach jedem Vorerben Nacherbe (für dessen Erbteil) sein soll oder ob der überlebende Vorerbe zunächst erster Nacherbe und mit dem Tod des überlebenden Vorerben der Enkel C dann Nachnacherbe des erstverstorbenen Vorerben und Nacherbe des letztverstorbenen Vorerben wird.

    Ersatznacherbfolge entsprechend § 2069 BGB beim Enkel C dürfte dagegen klar sein.

  • Danke Cromwell, mit § 2069 habe ich keine Probleme. Aber in einem notariellen Testament hätte man ja wenigstens den Eintritt des Nacherbfalls bestimmen können, aber dafür hat man ja auch wieder eine Auslegungsregel. Explizierte Vermächtnisse sind nicht angeordnet. Den Testamentsinhalt habe ich vollständig wiedergegeben. Also bleibt es tatsächlich bei der Eintragung ohne Nacherbenvermerk, hhmmm.

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

  • Das würde ich keinesfalls so vollziehen, sondern einen Erbschein verlangen. Denn die Auslegung kann sehr wohl ergeben, dass eine Nacherbfolge angeordnet ist und den Vorerben mit Ausnahme des Grundbesitzes alle übrigen Nachlassgegenstände im Vorausvermächtniswege zugewendet sind. Für eine Nacherbfolge spricht auch der Wortlaut des notariellen (!) Testaments, obgleich einem das erbrechtliche Spezialistentum des Urkundsnotars - um höflich zu bleiben - nicht gerade förmlich entgegenspringt. Die Lösung über § 2110 Abs. 2 BGB (mit der Folge der Nacherbschaftsfreiheit des den beiden Miterben in Erbengemeinschaft zustehenden gesamten übrigen Nachlasses) ist jedenfalls möglich - wenn nicht sogar naheliegend - und daher kommt nach meiner Ansicht keine Eintragung der Erbfolge ohne Nacherbenvermerk in Betracht.

    Wenn das OLG - im Falle der Beschwerde - meinen sollte, das Grundbuchamt könne hier selbst im Sinne einer Nacherbfolge auslegen, so verbleibt als zweiter Problemkreis immer noch die Frage, ob sich die Nacherbfolge auf jeden Erbteil erstreckt (mit der Folge, dass der Nacherbe C bereits an die Stelle des erstversterbenden Vorerben tritt) oder ob der Grundbesitz nach dem Ableben des erstversterbenden Vorerben zunächst insgesamt in der Hand des zweiten Vorerben bleiben soll, so dass dieser erster Nacherbe und C Nachnacherbe wäre. Hier erscheinen beide Lösungen möglich, weil der Notar (Anwaltsnotar?) die Problematik augenscheinlich überhaupt nicht gesehen - geschweige denn erkannt - hat.

    Den Erbschein soll die Haftpflichtversicherung des Notars bezahlen.

  • Daher mein hhmm, weil ich das nicht so richtig glauben kann, was der geschätzte Herr Hügel so geschrieben hat, dass es gar keine geben soll.

    Ich habe zwischenzeitlich mit dem NL-Gericht telefoniert und dort erfahren, dass sie die Quoten anders aufgrund der Vor- und Nacherbfolge berücksichtigen. Ob das so richtig ist oder nicht, soll mir gleich sein, ich bin ja an die Feststellung des NL-Gerichts gebunden.

    Danke Cromwell!!! :daumenrau

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

  • Eine quotale Nacherbfolge ist im Hinblick auf den eindeutig geäußerten abweichenden Erblasserwillen völliger Nonsens (siehe OLG München). Im Übrigen würde sie nicht das Problem beseitigen, ob C nun Nacherbe nach beiden Vorerben oder nur Nachnacherbe nach dem erstversterbenden Vorerben ist.

    Aber wie schon gesagt: Mit manchen Nachlassgerichten ist es im Hinblick auf § 2110 Abs. 2 BGB regelrecht zum Verzweifeln. Sie begreifen die rechtliche Konstruktion einfach nicht, egal ob Rechtspfleger oder Richter. Und weil sie es nicht begreifen, wird den Beteiligten die betreffende Modifizierung der Nacherbfolge auch nicht als eine von mehreren denkbaren Möglichkeiten dargestellt, so dass nur diejenige Möglichkeit übrig bleibt, die sich dann auch "alternativlos" so im Erbscheinsantrag wiederfindet und die zu einem falschen Ergebnis führt. Ich würde einen solchen unrichtigen Erbschein daher auch nicht akzeptieren, sondern die Sache ggf. vom Beschwerdegericht entscheiden lassen.

    Leider fahren die betreffenden Leute gemeinhin nicht zum Nachlasspflegschaftstag (oder zu vergleichbaren Veranstaltungen), weil man aufgrund des dort Gehörten ansonsten vielleicht überlegen müsste, seine eingefahrenen Verfahrensweisen zu überdenken. Am 10.03. werde ich dort übrigens auch zu der vorliegenden Problematik referieren.

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