Wert von Grundbesitz bei angeordneter Nacherbfolge im Hinblick auf § 1836 c BGB

  • Hallo,
    kann mir jemand eine kurze Antwort (ja oder nein) im Hinblick auf folgende Frage geben?

    Betroffene ist aufgrund Erbe Eigentümer von Grundbesitz (Wert lt. Betreuer ca. EUR 400.000,00). Der Betroffene ist allerdings "nur" nicht befreiter Vorerbe. Das restliche Vermögen des Betroffenen liegt unter EUR 5.000,00.

    Nunmehr beantragt der Betreuer zu Lasten der Staatskasse

    a) Betreuervergütung auf Status mittellos/Heim und
    b) Zuschlag für nicht vom Betroffenen bewohntes Grundeigentum.

    Zur Begründung der Mittellosigkeit legt der Betreuer dar, dass aufgrund der angeordneten Nacherbfolge der Grundbesitz wertlos sei. Auf die Frage nach der Nutzung der Immobilie (im Hinblick auf evtl. Mieteinkünfte) schweigt sich der Betreuer -bislang- aus.

    Kann Auszahlung der Vergütung nebst Zuschlag aufgrund offenkundiger Mittellosigkeit aus der Staatskasse erfolgen?

    Danke für die Antworten.

  • Meiner Ansicht ist es unmaßgeblich, dass der Betroffene lediglich Vorerbe ist. Der Vorerbe ist wahrer Erbe des Erblassers und bis zum Eintritt des Nacherbfalls Inhaber des Nachlasses. Er kann diesen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzen und entgeltlich über den Nachlass verfügen. Somit ist das vorhandene Grundstück nach meiner Meinung zur Deckung der Betreuervergütung einzusetzen und zu verwerten. Im Übrigen dürften auch Kosten zu berechnen sein.

  • Er kann diesen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzen und entgeltlich über den Nachlass verfügen. Somit ist das vorhandene Grundstück nach meiner Meinung zur Deckung der Betreuervergütung einzusetzen und zu verwerten. Im Übrigen dürften auch Kosten zu berechnen sein.


    Der nicht befreite Vorerbe kann das gerade nicht ohne Zustimmung des Nacherben, jedenfalls nicht mit Wirkung gegen den Nacherben.
    Genau daruf basieren die typischen Behindertentestamente. Ich möchte fast wetten, dass hier ein Behindertentestament in Rede steht.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Kosten dürften dennoch zu erheben sein, OLG Hamm, Beschluss vom 27.08.2020, I-15 Wx 212/20.

    Und bei Auszahlung der Vergütung aus der Staatskasse würde ich jedenfalls prüfen, ob man nicht (auf den Grundbesitz beschränkten) Regress nehmen könnte.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Kosten dürften dennoch zu erheben sein, OLG Hamm, Beschluss vom 27.08.2020, I-15 Wx 212/20.


    Das kann schon sein.


    Und bei Auszahlung der Vergütung aus der Staatskasse würde ich jedenfalls prüfen, ob man nicht (auf den Grundbesitz beschränkten) Regress nehmen könnte.


    Der Grundbesitz haftet nicht dinglich, der Nacherbe ist nicht Kostenschuldner, und wenn Du eine ZwaSi auf dem Grundstück des Vorerben einträgst, fliegt die spätestens nach Eintritt der Nacherbfolge wieder raus.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Zur Berechnung der Jahresgebühr für Betreuung bei einem Behindertentestament:

    OLG München,17.01.2019, 34Wx 165/18 Kost, FGPrax 2019, 89
    (keine Berücksichtigung des Vermögens, welches dem Betreuten durch
    Behindertentestament im Rahmen einer Erbschaft als nicht befreitem
    Vorerben bei gleichzeitiger Dauertestamentsvollstreckung zugefallen ist)

    gegenteiliger Meinung jetzt:
    OLG Stuttgart Beschluss vom 02.04.2020 - 8 W 434/19
    OLG Stuttgart Beschluss vom 29.04.2020 - 8 W 14/20

    (das Vermögen,welches dem Betreuten durch Behindertentestament im
    Rahmen einer Erbschaft als nicht befreitem Vorerben bei gleichzeitiger
    Dauertestamentsvollstreckung zugefallen ist, ist bei der Berechnung der
    Jahresgebühr voll zu berücksichtigen)

  • Man muss unterscheiden, ob

    Fall 1: Nur eine Nacherbfolge vorliegt oder ob
    Fall 2: Neben der Nacherbfolge auch noch eine zusätzliche Dauertestamentsvollstreckung vorliegt.

    Fall 2 ist wesentlich umstrittener als Fall 1.

    Geht es nur um eine Nacherbfolge (Fall 1), ist es mit Ausnahme einer unzutreffenden Entscheidung des LG Augsburg (Rpfleger 2018, 172 m. abl. Anm. Bestelmeyer) und einer Außenseiteransicht von Hofer (BtPrax 2017, 232, Rpfleger 2018, 582 und FamRZ 2020, 950) einhellige Ansicht, dass keine gebührenrechtliche Wertminderung in Betracht kommt.

    Bei Fall 2 gilt nach meiner Ansicht das Gleiche. Ebenso OLG Hamm Rpfleger 2021, 97 (Bestätigung von OLG Hamm FGPrax 2015, 278); OLG Karlsruhe FamRZ 2021, 882; OLG Celle FamRZ 2020, 949 m. Anm. Hofer; OLG Stuttgart Rpfleger 2021, 39 = ZEV 2020, 563 m. Anm. Sikora; OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.04.2020, Az. 8 W 14/20; Bestelmeyer Rpfleger 2020, 626, 635; a. A. OLG Zweibrücken FamRZ 2021, 885; OLG München Rpfleger 2019, 482; OLG Köln Rpfleger 2020, 79; OLG Bamberg FamRZ 2020, 947; LG Augsburg Rpfleger 2018, 172 m. Anm. Bestelmeyer; Hofer a. a. O.; vermittelnd - jedoch ohne Rechtsgrundlage - LG Freiburg BeckRS 2020, 9925.

    Dass die abweichende Auffassung nicht zutreffen kann, folgt schon daraus, dass bei bloßer angeordneter Testamentsvollstreckung (ohne Nacherbfolge) auch niemand auf die Idee kommt, den Gebührenwert zu mindern.[FONT=&quot]
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