Notariatsreform in Baden-Württemberg

  • [quote='Hector','RE: Notariatsreform in Baden-Württemberg'] Mir scheint diese Baustelle nun doch eine Generationenfrage zu sein, Rechtspflegerinnen u. Rechtspfleger, die als Berufsanfänger mit dem System der ZGBÄ gestartet sind, würden gar nicht mehr zum alten System zurück kehren.

    Das glaube ich auch. Für die alten Rechtspfleger, wie ich einer bin, sind technische bzw. EDV-Änderungen ein Gräuel. Die jungen beherrschen komplizierte Programme bereits, bevor ich überhaupt das Handbuch aufgeschlagen habe.
    Jedenfalls sind die ZGÄ mit dem derzeit vorgesehenen Personal - sei es alt oder jung - nicht ohne gewaltige Rückstände zu schaffen.

    Trotzdem kann es nicht Aufgabe eines Rechtspflegers sein, typische Schreibarbeiten, die überall von Hilfskräften vorgenommen werden, selbst zu erledigen.
    Können die Rechtspfleger in den ZGÄ nicht auch noch dazu verpflichtet werden, die Aufgaben der Putzfrau zu übernehmen ? Das frage ich mich im Ernst. Aus welchem Gesetz ergibt sich, dass das nicht möglich ist ?

  • Das ist aber heute üblich. Auch Herr Professor Doktor muss heute seine Sachen selbst pinseln. Und mit der allgemeinen Einführung der e-Akte kommt das ganz sicher auch auf die Richter zu. Ich selbst bin übrigens auch ein älteres Semester, die Arbeitsweise mag ich trotzdem lieber, als die frühere. Was ich aber gar nicht mag sind, sind hunderte von unbearbeiteten Grundbuchverfahren, die weder in absehbarer und unabsehbarer Zeit je erledigt sein werden. Übrigens kann ich das mit verwaltungsseitigen Zielvorgaben hinsichtlich täglicher Erledigungszahlen für meine Dienststelle nicht bestätigen.

  • Standardarbeiten wir z.B. Kopie hierhin senden, mitteilen, dass ..., anfordern jenes ..., ... können sicher Servicemitarbeiterinnen erledigen. Da brauch ich nicht jedes Anschreiben selbst fertigen und von Hand unterzeichnen. Dagegen einen Beschluss fertigen und diesen gleich unterschreiben, damit die Servicemitarbeiterinnen die Ausfertigungen fertigen und versenden können, ist schon ok. Ein Diktiergerät hab ich zuletzt vor 30 Jahren benutzt.

  • Ich arbeite ja nun nicht beim ZGÄ aber beim Register mit vollelektonischer Aktenführung.
    Einiges kann ich daher vielleicht vergleichen, anderes sicher nicht.

    Ich denke, das Problem ist hier doch nicht die eigentliche Beschlussfassung/Eintragung incl. direkter Vorbereitung. Es dürfte in den meisten Abteilungen gang und gäbe sein, dass das der Rpfl/Richter selbst macht.

    Es sind die Sachen drumrum, die auch Arbeit machen: das Erfassen der eingehenden Dateien zur richtigen Akte, Beschriftung, Vorerfassung einzutragender Daten, das eigentliche Absenden von Schreiben, Zwischenverfügungen und Beschlüssen an wieviele Beteiligte auch immer, EMA-Anfragen, sonstige Anfragen auch telefonisch.
    Wenn ich mir ansehe, wieviel an dieser Vorbereitung und Nachbereitung von unseren Serviceeinheiten gemacht wird - ich möchte sie nicht missen.
    Ich wäre sicher bei meinem Pensum ca. 2 Stunden täglich nur mit dem drumrum beschäftigt. Geschätzte 2 Stunden, die mir für die inhaltliche Bearbeitung fehlen, und die summiert sich.

    Wenn diese Annahme vergleichbar auf die ZGÄ zutrifft - ich glaube Prinz hatte das noch drastischer geschildert - dann verstehe ich diesen Einwand und Unmut sehr wohl.

  • Wenn ich mir ansehe, wieviel an dieser Vorbereitung und Nachbereitung von unseren Serviceeinheiten gemacht wird - ich möchte sie nicht missen.
    Ich wäre sicher bei meinem Pensum ca. 2 Stunden täglich nur mit dem drumrum beschäftigt. Geschätzte 2 Stunden, die mir für die inhaltliche Bearbeitung fehlen, und die summiert sich.

    Bei der ganzheitlichen Bearbeitung kann man von einer vollen Rechtspflegerstelle also mindestens noch 25% - wahrscheinlich noch mehr - für Serviceeinheitsarbeiten abziehen. Wenn man das auf alle Rechtspflegerstellen auf einem ZGA umrechnet ist das Rechtspflegerpersonal wirklich knapp. Dann sollen nach der Übergangszeit von diesen Stellen nochmals ca. 20% wegfallen.

  • Wir in Württemberg haben (von uns) sehr gut geschultes Servicepersonal, das Vorbereitung von Grundbucheintragungen und Vorprüfungen macht. 2018 hat das Land auf der anderen Seite mehrere 100 Servicekräfte aus dem Notariatsbereich "übrig." Da böte es sich wirklich an, einige der fähigen, schon jetzt mit dem System und der Arbeit im Grundbuchbereich vertrauten Angestellten wenigsten für einige Jahres des Übergangs bei den Grundbuchämtern einzusetzen. Man müsste allerdings das ORGA-Handbuch ändern, und das hat offenbar Status der Bibel und ist unantastbar.

  • Den Status Bibel hat es aber vor allem aus Sicht des Ministeriums. So wie ich gehört habe, fehlt dem Org-Handbuch für den württembergischen Landesteil noch überhaupt die Zustimmung des Hauptpersonalrats und im badischen Landesteil war die Zustimmung wohl nur befristet und läuft irgendwann aus, weil man sich eine Überprüfung des Systems vorbehalten wollte. Die Überprüfung läuft wohl derzeit.

    Vielleicht sollten die gebeutelten GB-Kollegen im Vorfeld dem HPR ihre Meinung zum Org-Handbuch inkl. etwaiger Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Die Erreichbarkeiten findet man im Intranet. Man muss nicht immer und allem zustimmen ;). Auch das neue LPVG sieht das wohl nicht ausschließlich so vor :teufel:.

  • zu #335

    Genau sind 946 Stellen bei den Servicekräften nach Ansicht des Rechnungshofs überflüssig.

    http://www.rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/de/information…sse/316672.html

    Personalüberhang in Folge der Grundbuch- und Notariatsreform zeitnah abbauen

    • Rechnungshof Baden-Württemberg sieht in Denkschrift 2014 erheblichen Personalüberhang im Bereich der Servicekräfte in der Justiz
    • Notariats- und Grundbuchamtsreform macht mehr als 1.000 Stellen überflüssig
    • Aktuell 241 Servicestellen zu viel an Gerichten und Staatsanwaltschaften


    07.07.2014
    Karlsruhe/Stuttgart: Der Rechnungshof Baden-Württemberg rät in seiner aktuellen Denkschrift zu erheblichen Stelleneinsparungen im Bereich der Justiz. Vor allem durch die bis 2018 laufende Reform der Notariate und Grundbuchämter könnten insgesamt 1.131 Stellen beim Land wegfallen, darunter alleine 946 Servicekräfte. Gleichzeitig seien nach dem aktuellen Geschäftsanfall bei Gerichten und Staatsanwaltschaften dort heute schon 241 Servicekräfte zu viel im Einsatz.
    „Die Grundbuch- und Notariatsreform ist die größte Strukturreform in der Justiz der letzten Jahrzehnte. Sie wird zu einem erheblichen Aufgaben- und Personalabbau führen. Der Personalüberhang muss bereits jetzt schrittweise durch Fluktuation oder anderweitige Verwendung abgebaut werden“, so Rechnungshofpräsident Max Munding anlässlich der Vorstellung der Denkschrift 2014. Eine Verzögerung des Personalabbaus bis 2018 würde demgegenüber zu Mehrkosten in Millionenhöhe führen. Zwar habe das Justizministerium angeboten, 2018 zunächst 500 Servicestellen abzubauen, die übrig bleibenden 687 Stellen im Servicebereich könnten jedoch Mehrkosten von jährlich rund 32 Mio. Euro verursachen. Die Notariatsreform verursacht bereits ohne diese vermeidbaren Mehrkosten ein jährliches Defizit von 60 Mio. Euro.
    Aus Sicht des Rechnungshofs gibt es zudem keinen Grund, den Personalabbau hinauszuzögern. Zwar sei die genaue Zahl der einzusparenden Stellen aufgrund von Fluktuation und Wechseln in das im Aufbau befindliche private Notariat erst nach 2018 bestimmbar, die Größenordnung des Einsparvolumens stehe jedoch schon heute fest. Verschärft werde die Situation zudem dadurch, dass im Bereich der Justiz Auszubildende und bislang befristetes Personal auf frei werdende Stellen dränge. Der Rechnungshof empfiehlt daher, frei werdende Stellen für Servicekräfte bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften nicht mehr zu besetzen, es sei denn mit Personal aus Notariaten und Grundbuchämtern.

  • Den Status Bibel hat es aber vor allem aus Sicht des Ministeriums. So wie ich gehört habe, fehlt dem Org-Handbuch für den württembergischen Landesteil noch überhaupt die Zustimmung des Hauptpersonalrats und im badischen Landesteil war die Zustimmung wohl nur befristet und läuft irgendwann aus, weil man sich eine Überprüfung des Systems vorbehalten wollte. Die Überprüfung läuft wohl derzeit.

    Es ist zutreffend, dass derzeit die Zustimmung des HPR fehlt. Nach dem was ich höre, will aber das Ministrium ein "weiter so".

  • Wir in Württemberg haben (von uns) sehr gut geschultes Servicepersonal, das Vorbereitung von Grundbucheintragungen und Vorprüfungen macht. 2018 hat das Land auf der anderen Seite mehrere 100 Servicekräfte aus dem Notariatsbereich "übrig." Da böte es sich wirklich an, einige der fähigen, schon jetzt mit dem System und der Arbeit im Grundbuchbereich vertrauten Angestellten wenigsten für einige Jahres des Übergangs bei den Grundbuchämtern einzusetzen. Man müsste allerdings das ORGA-Handbuch ändern, und das hat offenbar Status der Bibel und ist unantastbar.

    Das Problem ist nur: lt. Ministerium bzw. Rechnungshof sind Tarifangestellte teurer als Beamte ( so Aussage des Referenten des JM bei einer Infoveranstaltung zur Grundbuchamts- bzw. Notariatsreform). Deshalb wird das Orga-Handbuch in diese Richtung wohl nie geändert werden. Zustimmung Personalrat hin oder her. In Baden gabs zum jetzigen Orga-Handbuch eine befristete Zustimmung. So wird's in Württemberg auch kommen.

  • Weil -so die Aussage des zuständigen Referenten bei einer der Info-Veranstaltungen zur Grundbuchamts- und Notariatsreforn- die Arbeitskraft eines beamteten Rechtspflegers -auch bei Tätigwerden im eigentlichen Unterstützungsbereich- günstiger ist, als bei der Einstellung entsprechender Tarifangestellter. :gruebel:

    Diese Berechnung möchte ich mal sehen.

    Das Problem ist nur: lt. Ministerium bzw. Rechnungshof sind Tarifangestellte teurer als Beamte ( so Aussage des Referenten des JM bei einer Infoveranstaltung zur Grundbuchamts- bzw. Notariatsreform).

    Ein/e in Vollzeit beschäftigte/r Angestellte/r, EG 6 TV-L, Stufe 1, hat ein jährliches Bruttogehalt von ca. € 27.700,00:
    http://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/tv…0&zkf=0&kk=15.5

    Dazu kommen noch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und VBL. Wenn ich mich nicht verrechnet habe (alles ohne Gewähr), sind das ca. € 7.600,00 im Jahr. Insgesamt also ca. € 35.300,00 Aufwendungen im Jahr.

    Ein/e in Vollzeit tätige/r Beamter/Beamtin in BaWü, A 9, Stufe 2, hat ein jährliches Bruttogehalt von ca. € 29.700,00:
    http://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/be…tkl=1&r=0&zkf=0

    Arbeitgeberanteile zu irgendwas gibt es nicht. Wie man dann hier noch Pensionsrückstellungen einrechnen muss, entzieht sich zugegebenermaßen meiner Kenntnis.

    Der beamteninterne Vergleich:
    http://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/be…-2014i&matrix=1

    Selbst ein/e Obersekretär/in in mittlerer bis hoher Erfahrungsstufe kann "teurer" sein als ein/e Inspektor/in oder Oberinspektor/in.

  • Ich hab so was im Hinterkopf, dass auf der Info-Veranstaltung en passant gesagt wurde, ein Rechtspfleger schaffe so viel wie 1,5 Angestellte. Keine Ahnung, wie das gehen soll.

    Ich muss allerdings sagen, dass ich selbst nicht ganz so tolle Erfahrungen mit der Vorbereitungstätigkeit der Angestellten habe. Klar wird einem eine Eintragung vorbereitet, die von außen schön und richtig aussieht, und dann wird der Kundschaft gesagt, das sei "vorbereitet und müsse nur noch unterschrieben werden". Wie sagte eine Angestellte bei der Infoveranstaltung? "Wir bereiten es vor, der Notar prüft es dann nur noch". Ja, ja, nur noch. Je komplizierter der Sachverhalt, desto weniger bringt die Vorbereitung durch Angestellte.

    Allerdings wurde ja auch erzählt, dass bei dem zentralen GBA, von dem eine Rechtspflegerin da war, die eingehenden Unterlagen eingescannt werden und dann im Original dem Rechtspfleger vorgelegt werden, damit der erst mal abgleicht, ob die Unterlagen richtig gescannt wurden, weil sie anschließend entweder vernichtet oder an den Absender zurückgeschickt werden. Die Zeit, die man damit verbringt, gescannte Unterlagen abzugleichen, fehlt einem natürlich auch für anderes. :gruebel:


    _________________________________________________________________________________



    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Als Schmanckerl für die Arbeit bei den ZGAs wurde zumindest in unserer Infoveranstaltung die Telearbeit genannt. Könnte für einige RPfleger bzw. Rpflegerinnen ein Anreiz sein, zu den ZGAs zu wechseln. Allerdings wurde die Telearbeit erst nach Vollbetrieb des ZGAs genannt.

  • Hat an der Umsetzung der Reform nicht auch die Personalvertretung mitgewirkt? Warum bemüht sie sich nicht um eine Korrektur dieser Reform, wenn alles so schrecklich ist? In meinem GBA (NRW) war es so, dass mit der Vorbereitung und Abarbeitung pro Rechtspfleger 1,3 Servicekräfte zur Verfügung stehen. Eine "ganzheitliche Bearbeitung" kann mit den hier benannten Zahlung nicht funktionieren.

  • Den Status Bibel hat es aber vor allem aus Sicht des Ministeriums. So wie ich gehört habe, fehlt dem Org-Handbuch für den württembergischen Landesteil noch überhaupt die Zustimmung des Hauptpersonalrats und im badischen Landesteil war die Zustimmung wohl nur befristet und läuft irgendwann aus, weil man sich eine Überprüfung des Systems vorbehalten wollte. Die Überprüfung läuft wohl derzeit.

    Vielleicht sollten die gebeutelten GB-Kollegen im Vorfeld dem HPR ihre Meinung zum Org-Handbuch inkl. etwaiger Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Die Erreichbarkeiten findet man im Intranet. Man muss nicht immer und allem zustimmen ;). Auch das neue LPVG sieht das wohl nicht ausschließlich so vor :teufel:.

    Der Hauptpersonalrat wird die Kröte wohl schon deshalb schlucken (oder bereits geschluckt haben), weil ansonsten im Unterbau (Servicebereich) nicht genügend Personal zur Verfügung stehen würde. Wie an anderer Stelle ausgeführt, beruht der Umstand, dass die Beschlussfertiger zu Bereichsrechtspflegern gemacht werden (sollen), augenscheinlich darauf, dass sie allein nicht ausreichen würden, den Unterbau abzufedern. Da die bei den Kommunen beschäftigten Ratschreiber besoldungsmäßig zumeist jenseits von A 10 angesiedelt sind, wären sie für den Unterbau im Servicebereich des Landes ebenfalls nicht zu gewinnen. Und nur mit Angestellten lässt sich der Unterbau auch nicht betreiben.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Die aktuellen Stellenausschreibungen des JM für Bezirksnotare

    http://justiz-bw.de/pb/,Lde/Starts…tizministeriums

    sind jetzt mit dem Zusatz
    Eine Versetzung oder (Teil)Abordnung an ein anderes Notariat/Grundbuchamt kommt in Betracht.
    versehen.


    Nur Rottenburg (50% Abordnung), Freudenstadt, Neuenheim und eine von zwei Heilbronner Stellen. Die Stellen in Besigheim, Lauchheim, und Heilbronn sind ohne diesen Zusatz ausgeschrieben. Hat wohl mehr etwas mit den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten zu tun.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich gehe aber davon aus, dass sich alle Notare und Notarvertreter bis 31.12.2017 auf (Teil-)Abordnungen - je nach Bedarf - einzustellen haben. Beamtenrechtlich dürfte dies problemlos möglich sein.


    Letzteres mag sein oder auch nicht. Aber wenn es so ist, warum dann der Hinweis auf die Stellenausschreibungen mit der (falschen) Aussage "die" (also: alle) Ausschreibungen seien jetzt mit dem von Dir genannten Zusatz versehen?

    Die Lage ist schlecht genug, ohne dass über wirklich alles und sogar dann gejammert wird, wenn es sich im Vergleich zur bisherigen Lage gar nicht ändert.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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