Streit über Erlösüberschuss

  • Im Grundbuch ist A als Eigentümer eingetragen. Wahrer Eigentümer ist B. Er hat gegen A aber noch keinen Titel auf Grundbuchberichtigung (rechtshängiger Zivilprozess gegen A). Gläubiger X hat eine vom Bucheigentümer A bestellte Grundschuld gutgläubig erworben, aus der er die Zwangsversteigerung betreibt, gegen die der wahre Eigentümer wegen § 1148 BGB nichts unternehmen kann. Der Gläubiger meldet dinglich und persönlich an, und zwar auch Zinsen für so viele Jahre, dass ihm voraussichtlich der gesamte Erlös zugeteilt wird, obwohl er nach der mit dem Bucheigentümer getroffenen Sicherungsabrede den Betrag, der seine Gesamtforderungen übersteigt, an den Bucheigentümer auskehren muss (also das Übliche).

    Alternative 1: Gläubiger X beansprucht bei der Verteilung nur soviel, dass seine Gesamtforderung gedeckt ist. Dadurch entsteht ein Erlösüberschuss, der an den Eigentümer - hier: den Bucheigentümer, der nicht wahrer Eigentümer ist - ausbezahlt werden müsste.

    Alternative 2: Gläubiger X wird der gesamte Erlös zugeteilt.

    Frage zu Alternative 1: Kann der wahre Eigentümer nach § 115 ZVG Widerspruch gegen den Teilungsplan erheben, um zu erreichen, dass der Erlösüberschuss nicht an den Bucheigentümer ausgezahlt, sondern - im Ergebnis - hinterlegt wird.

    Falls nein: Kann - und muss - der wahre Eigentümer Widerspruchsklage nach § 878 ZPO gegen den Bucheigentümer erheben, um die Hinterlegung zu erreichen.

    Nach Stöber (§ 180 Rn. 17.6) ist bei der Teilungsversteigerung weder Widerspruch noch Widerspruchsklage im Hinblick auf den Erlösüberschuss möglich. Und bei der "normalen" Versteigerung? Die Ausführungen bei Stöber (§ 115 Rn. 1.2) deuten - im Umkehrschluss - darauf hin, dass insoweit jedenfalls Widerspruchsklage möglich ist. Aber wie verhält es sich im "normalen" Versteigerungsverfahren mit dem Widerspruch nach § 115 ZVG?

    Frage zu Alternative 2: Wie kann der wahre Eigentümer verhindern, dass Gläubiger X den Erlösanteil, der seine Gesamtforderung übersteigt, an den Bucheigentümer auskehrt? Einstweilige Verfügung?

    Vielen Dank!


  • Frage zu Alternative 2: Wie kann der wahre Eigentümer verhindern, dass Gläubiger X den Erlösanteil, der seine Gesamtforderung übersteigt, an den Bucheigentümer auskehrt? Einstweilige Verfügung?


    e.V, ggf. dinglicher Arrest, in jedem Fall aber daneben auch Streitverkündung im Zivilprozeß, damit - für den Fall dass der "wahre" Eigentümer gegen den "Buch"eigentümer gewinnt, die Bank an dieses Ergebnis gebunden ist.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ein Widerspruch ist m.E. nicht möglich, da B kein Verfahrensbeteiligter im Sinne von § 9 ZVG ist. Laut Sachverhalt gibt es keinen Titel von B gegen A, und soweit ersichtlich auch keinen auf Zahlung gerichteten Anspruch von B gegen A, so dass es auch an der Gläubigereigenschaft des B fehlen dürfte.

    Insofern - ohne Blick in den Kommentar, den habe ich gerade nicht zur Hand - würde mir spontan auch nur eine einstweilige Verfügung (mit der Folge der Einstellung der ZV nach § 775 Ziff. 1 ZPO) einfallen.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • 15.Meridian
    war so nett, mir mangels Zugänglichkeit zum Forum direkt wie folgt zu Alternative 1 zu antworten (was ich hier einstelle, damit es diskutiert werden kann):

    Selbst im Steiner ZVG ist in § 115 der Widerspruch des wahren Eigentümers gegen die Zuteilung des Übererlöses an den Vollstreckungsschuldner nicht erwähnt.

    Aus meiner Sicht kann es trotzdem nicht anders gehen als in den Fällen, in denen dem vermeintlichen Inhaber eines Rechts zugeteilt werden soll:
    Der Widersprechende muss Beteiligter sein im Sinne des § 9 ZVG. Also: Das Eigentum anmelden und vorsorglich glaubhaft machen – wenn ich es mir richtig gemerkt habe, ist ja schon eine Klage anhängig.

    Dann sollte dies als Widerspruch gegen jedwede Zuteilung an den Buch-Alteigentümer formuliert werden – man weiß ja nie, ob der Grundschuldgläubiger im letzten Moment noch seinen Verzicht erklärt.

    Allein durch den Widerspruch passiert aber nicht mehr, als dass eine Hilfsverteilung erfolgt: Für den Fall das und soweit der Widerspruch Erfolg hat an den wahren Eigentümer, ansonsten an den Bucheigentümer. Der Widersprechende muss die Klageerhebung nachweisen und hat dafür einen Monat Zeit, § 878 Abs. 1 S. 1 ZPO. Fristbeginn am Tag des Verteilungstermins.

  • Das stimmt, das ist von mir. Ergänzend noch dieses:

    Ein Widerspruch ist m.E. nicht möglich, da B kein Verfahrensbeteiligter im Sinne von § 9 ZVG ist.

    Dem mag ich nicht folgen. Der wahre Eigentümer hat ja das stärkste dingliche Recht inne, das es überhaupt gibt: das Eigentum. Freilich ist dieses nicht grundbuchersichtlich. Darum erlangt er die Beteiligtenstellung (und damit das Recht zum Widerspruch gegen eine Zuteilung) durch Anmeldung. Ähnlich formuliert es Stöber in § 9 Rz. 2.6: "Beteiligte sind alle, die ein Recht an dem Grundstück ... anmelden ... Hierzu gehören ... Berechtigte aus einem zwar vor der Eintragung des Vollstreckungsvermerks eingetragenen Recht, das zu Unrecht gelöscht ist." (dürfte für den zu Unrecht aus dem Grundbuch gelöschten wahren Eigentümer bzw. dessen Erben zutreffen)

    Noch klarer formuliert es Dassler/Rellermeyer, § 9 in Rz. 15: "Hierher [entgegenstehendes Recht eines Dritten, § 9 Ziff. 2, 1. Fall] gehören vor allem ... ds Recht des im Grundbuch nicht eingetragenen wirklichen Eigentümers (Fußnote 23: Steiner/Hagemann, § 9 Zz. 70; Stöber ZVG § 9 Rz. 2.5, Böttcher, § 9 Zz. 11, Hk-ZV/Sievers, ZVG § 9 Rz. 17)."

    Zum Widerspruch berechtigt den wahren Eigentümer dabei aus meiner Sicht sogar ein schuldrechtlicher Anspruch, der den zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten verpflichtet, den auf sein Recht entfallenden Erlösanteil dem Widersprechenden zu überlassen, vgl. Stöber, § 115, Rz. 3.4 lit b).


  • Frage zu Alternative 2: Wie kann der wahre Eigentümer verhindern, dass Gläubiger X den Erlösanteil, der seine Gesamtforderung übersteigt, an den Bucheigentümer auskehrt? Einstweilige Verfügung?


    e.V, ggf. dinglicher Arrest, in jedem Fall aber daneben auch Streitverkündung im Zivilprozeß, damit - für den Fall dass der "wahre" Eigentümer gegen den "Buch"eigentümer gewinnt, die Bank an dieses Ergebnis gebunden ist.


    Als Streitrichter neige ich natürlich dazu, die Frage mit den Mitteln des Prozesses zu lösen und nicht über die Einwendungsmöglichkeiten vor dem GBA. Ich glaube aber nicht, dass hier eine Streitverkündung (rechtlich) möglich/ausreichend wäre, denn es geht wohl nicht um einen Rückgriff je nach Ausgang des Hauptprozesses um das Eigentum, sondern um nur wirtschaftlich damit zusammenhängende Folgen. Faktisch möglich ist natürlich auch die Ausbringung einer unzulässigen Streitverkündung und in der Praxis müsste auch diese ausreichen, um die Bank von sich aus zur Hinterlegung zu bringen.

    Ich würde - wie gesagt mit den Mitteln des streitigen Verfahrens - die Fragen wie folgt lösen:

    -) Variante 2, Bank beansprucht alle dinglichen Zinsen und muss ggf. auskehren
    Klage- und Parteierweiterung im Ausgangsrechtsstreit um das Eigentum, nämlich
    (-) gegen den bisherigen Scheineigentümer A Klageerweiterung auf Feststellung, dass er für den Fall einer Auskehrung durch die Bank verpflichtet ist, diesen Auskehrungsbetrag an B abzuführen, gekoppelt mit einer einstweiligen Verfügung auf Sicherung der möglichen Auskehrung durch Verpflichtung zur Hinterlegung
    (-) Parteierweiterung gegen die Bank auf Feststellung, dass sie den Mehrerlös nicht an A abführen darf sondern an B zahlen muss (ggf. gekoppelt mit einer ähnlichen eV; aus Kostengründen sollte man vorher durch kurzen Schriftsatz an die Bank diese zu einem entsprechenden Anerkenntnis oder jedenfalls zur Hinterlegung auffordern)

    -) Variante 1, Bank beanspruch nur die gemäß Sicherungsvertrag geschuldeten Zinsen
    Klageerweiterung im Ausgangsrechtsstreit um das Eigentum, nämlich auf Feststellung, dass der Scheineigentümer A zur Weitergabe des auf ihn entfallenden Erlösanteils verpflichtet, gekoppelt mit einer einstweiligen Verfügung auf Verpflichtung zur Hinterlegung.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Meine Gedanken zu Alternative 1:
    Der im Grundbuch nicht eingetragene wirkliche Eigentümer wird Verfahrensbeteiligter, wenn er sein Recht anmeldet (Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 9 Rn. 15 m.w.N.); so auch schon 15.Meridian in #6. Hier ist ja offenbar schon ein Widerspruch eingetragen, sodass bereits die Beteiligtenstellung besteht, weil ein Recht durch Eintragung gesichert ist (Dassler/Schiffhauer/Rellermeyer, § 9 Rn. 9).
    Nach dem Grundsatz der Surrogation tritt der Versteigerungserlös an die Stelle des Grundstücks. Die erloschenen Rechte setzen sich am Erlös als Ansprüche auf Befriedigung aus dem Erlös fort (Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 92 Rn. 1). Auch ein zur Deckung fremder Ansprüche nicht benötigter Erlösüberschuss ist zunächst noch von der Beschlagnahmewirkung umfasst und muss hiervon befreit werden, um dem Schuldner wieder die Verfügungsgewalt einzuräumen (Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 109 Rn. 11). Hieraus wird zu folgern sein, dass auch die Feststellung des Erlösüberschusses durch den Teilungsplan zu erfolgen hat (so wohl auch Jaeckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl. 1937, § 107 Rn. 6: „Verbleibt ein Überschuß für den VersteigSchuldner, so schuldet ihm auch diesen der Ersteher erst dann, wenn er dem VersteigSchuldner zugeteilt ist“ – mit Hinweis auf eine andere Meinung von Reinhard/Müller, die ich in meinem Exemplar aber nicht gefunden habe –).
    Folglich könnte auch der Erlösüberschuss grundsätzlich von einem Widerspruch betroffen sein. Der Widersprechende muss eine Verbesserung seiner Rechtslage erstreben und ein eigenes Interesse an der Planänderung haben (Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 115 Rn. 3). Dies trifft auf den im Grundbuch nicht eingetragenen wirklichen Eigentümer (der Verfahrensbeteiligter geworden ist) zu, der eine Zuteilung des Erlösüberschusses an den Schuldner verhindern und Zuteilung an sich selbst erreichen will (vgl. Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 115 Rn. 9).
    Wenn keine Einigung im Termin erfolgt, wird der vom Widerspruch betroffene Betrag hinterlegt. Der Widersprechende muss rechtzeitig die Erhebung der Widerspruchsklage nachweisen; bei Versäumung wird der Teilungsplan weiter ausgeführt (Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 115 Rn. 28 f., 44).
    Zum Surrogationsprinzip im Falle des Eigentums eines Dritten zitiere ich auch noch Jaeckel/Güthe, § 92 Rn. 1a: „Gehörte das Grundstück nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten, so ist dieser Eigentümer des Erlöses. Er muß aber aus ihm die Befriedigung der dinglichen Ansprüche dulden, da diese, wie bisher auf dem Grundstücke, so jetzt auf dem Erlöse haften. Dagegen schließt er die persönlichen Beschlagnahmegläubiger aus. Denn dieselben Gründe, aus denen bei Pfändung und Versteigerung beweglicher Sachen, die nicht dem Schuldner gehören, der Gläubiger zur Herausgabe an den Eigentümer verpflichtet ist (RG. 40, 288), gelten auch für die ZwVerst. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs kommt nach § 892 BGB. nur für den rechtsgeschäftlichen Verkehr in Betracht.“
    Zu Alternative 2 tendiere ich, wie tom in #2, zum dinglichen Arrest.

  • Wenn ich das - zu Alternative 1 - richtig verstehe, so sind demnach folgende Ansprüche und Rechte widerspruchs- und dementsprechend auch drittwiderspruchsklagebefangen:

    - Ansprüche aus Zwangshypotheken, die gegen den Nichteigentümer erwirkt wurden, weil insoweit ein gutgläubiger Erwerb ausscheidet;
    - sämtliche gegen den Nichteigentümer gerichtete persönlichen Ansprüche, weil das Recht des wahren Eigentümers am Grundstückssurrogat vorgeht;
    - der gesamte Erlösüberschuss, ggf. im Ergebnis unter Einrechnung der beiden vorgenannten Posten.

    Zutreffend?

    Wie ist das Probem zu lösen, das darin besteht, dass der beteiligte wahre Eigentümer ggf. zu spät erfährt, ob sich Alternative 1 oder Alternative 2 realisiert? Denn die zu ergreifenden Maßnahmen wären jeweils andere.

  • Wie ist das Probem zu lösen, das darin besteht, dass der beteiligte wahre Eigentümer ggf. zu spät erfährt, ob sich Alternative 1 oder Alternative 2 realisiert? Denn die zu ergreifenden Maßnahmen wären jeweils andere.


    In Alternative 2 kann man die eV ja auch für die künftigen Ansprüche beantragen, und die Streitverkündung geht auch jetzt schon (auch wenn sie vielleicht gar nicht zulässig ist). Es mag sein, dass man in beiden Fällen kostenpflichtig eins auf die Nase bekommt - aber: Bei Alternative 2 kommt es m.E. nur darauf an, die Bank so zu verunsichern, dass sie nicht sofort nach Zuteilung (und tatsächlicher Auszahlung) den Übererlös an den Bucheigentümer rausrückt. Alles andere kann man dann im Hauptsachverfahren klären.

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  • Da die Banken ansonsten jeden kleinsten Kiesel auf der Suche nach einer denkbaren Eigenhaftung umdrehen, sollte die Bank gerade in einem Fall wie dem vorliegenden im Interesse des Ausschlusses einer solchen Haftung höchst vorsichtig agieren.

  • und wer entscheidet dann an wen das hinterlegte Geld ausbezahlt wird? Das Versteigerungsgericht? Oder einigen die sich ggü der Hinterlegungsstelle und für das Versteigerungsgericht ist es mit Hinterlegung erledigt?

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