Verschiedene Strafsachen - wie viele Angelegenheiten?

  • Mir liegen hinsichtlich eines Antragstellers acht separate Anträge auf Bewilligung von Beratungshilfe vor, bei denen es jeweils um strafrechtliche Vorwürfe geht.

    Dreimal Diebstahl - an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten, unter ganz unterschiedlichen Umständen: m. E. je eine Bewilligung.
    Eine gefährliche Körperverletzung - auch eine Bewilligung
    Und dann noch drei Fahrten ohne Fahrerlaubnis, zweimal nebst "Anhang": die Fahrten fanden innerhalb einer Woche statt, einmal in Verbindung mit Trunkenheit, einmal in Verbindung mit Verstößen gegen das Pflichtversicherungsgesetz.
    Dazu gab es einen Monat zuvor einen weiteren Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz.
    Ich dachte an einmal für die Fahrten ohne Fahrerlaubnis, einmal wegen der Verstöße gegen das Pflichtversicherungsgesetz und einmal für die Trunkenheitsfahrt.

    Jetzt, wo ich es für euch auseinander gedröselt habe, lichtet sich auch der Nebel in meinem Kopf. Aber da ich mir nun schon mal die Mühe gemacht habe: Einwände, Meinungen, Anmerkungen? :)

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Liest sich gut.
    Ich würde höchstens überlegen, die Fahrten ohne Fahrerlaubnis nebst verschiedenen Anhängen zu einer Angelegenheit zusammenzufassen, da einheitlicher Lebenssachverhalt, inhaltlich sehr stark vergleichbar pp. - aber hier aufgrund der Anhänge jeweils einzeln zu bewilligen ist bestimmt auch gut vertretbar.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • M.E. ist jedes Ermittlungsverfahren eine gebührenrechtliche Angelegenheit. Ich weiss, dass ich damit bei Euch keinen Blumentopf gewinne, erlaube mir aber nochmal die Frage zu stellen, die anderenorts nonchalant übergangen wurde: Wie haltet Ihr es in dem Fall, dass Ihr mehrere Verfahren als eine Angelegenheit behandelt, mit den Auslagen?

  • Ich weiss, dass ich damit bei Euch keinen Blumentopf gewinne, erlaube mir aber nochmal die Frage zu stellen, die anderenorts nonchalant übergangen wurde: Wie haltet Ihr es in dem Fall, dass Ihr mehrere Verfahren als eine Angelegenheit behandelt, mit den Auslagen?

    Die notwendigen Auslagen werden erstattet. Wenn fünf Körperverletzungen eine Angelegenheit sind, aber als fünf Ermittlungsverfahren geführt werden (also nur mal angenommen), sind aus allen fünf Akten die notwendigen Kopien, die Aktenversendungspauschale etc. auch jeweils erstattungsfähig.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • M.E. ist jedes Ermittlungsverfahren eine gebührenrechtliche Angelegenheit. Ich weiss, dass ich damit bei Euch keinen Blumentopf gewinne, erlaube mir aber nochmal die Frage zu stellen, die anderenorts nonchalant übergangen wurde: Wie haltet Ihr es in dem Fall, dass Ihr mehrere Verfahren als eine Angelegenheit behandelt, mit den Auslagen?

    Du stellst auf die Strafaktenanforderung ab? Darauf hat das m. E. keine Auswirkung. Wenn zu einer "beratungshilferechtlichen" Angelegenheit mehrere Strafakten gehören, kann der RA die natürlich alle einsehen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • M.E. ist jedes Ermittlungsverfahren eine gebührenrechtliche Angelegenheit.

    Gebührenrechtlich kann das sogar sein - aber ob auch in beratungshilferechtlicher Betrachtung je eine neue Angelegenheit vorliegt... kommt drauf an ;)

    Das hat natürlich auch zur Folge, dass auch bei nur einer ausgesprochenen Bewilligung evtl. sogar fünfmal (meinem Beispiel von vorhin folgend) die Beratungsgebühr VV 2501 RVG entstehen kann...

    Wenn es gebührenrechtlich jeweils unterschiedliche Angelegenheiten sind, die unter einer Bewilligung zusammengefasst wurden, hieße das in der Konsequenz auch, dass für jede gebührenrechtliche Angelegenheit die Kopien jeweils von vorne neu laufen (also erste 50 für 0,50 € etc.).

    (Bin ich froh, dass ich nur mit der Bewilligung und nicht mit der Festsetzung zu tun habe ;) )

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • (Bin ich froh, dass ich nur mit der Bewilligung und nicht mit der Festsetzung zu tun habe ;) )

    Ich auch! Wenn ich fies wäre, würde ich alle Akten verbinden lassen, einen Bewilligungsbeschluss mit der Angelegenheit "verschiedene Strafsachen" (oder ähnlich aussagekräftig) machen und nach mir die Sintflut. Aber ich bin ja nicht fies (und WEHE jemand widerspricht da jetzt!).

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Das hat natürlich auch zur Folge, dass auch bei nur einer ausgesprochenen Bewilligung evtl. sogar fünfmal (meinem Beispiel von vorhin folgend) die Beratungsgebühr VV 2501 RVG entstehen kann...

    Oh, ähm. Okeeeeeeee. Das hatte ich jetzt nicht erwartet. In dem Fall wär mir ja ganz egal, ob Ihr für eine oder für fünf Angelegenheiten bewilligt. Wozu dann überhaupt diese Unterscheidung?

  • Wenn fünf Körperverletzungen eine Angelegenheit sind, aber als fünf Ermittlungsverfahren geführt werden (also nur mal angenommen), sind aus allen fünf Akten die notwendigen Kopien, die Aktenversendungspauschale etc. auch jeweils erstattungsfähig.

    Verständnisfrage:
    Kann nicht nur ein Vertreter die Akten des Ermittlungsverfahrens anfordern?

    Denn in Strafsachen ist doch nur die reine Beratung von Beratungshilfe erfasst, nicht aber die Vertretung.


    P.S.: Ich selber mache auch nur die Bewilligung und nicht die Festsetzung. Find die Problematik einfach vor dem Hintergrund interessant, dass ich dem Publikum was Wahres erzählen will.

  • Wenn fünf Körperverletzungen eine Angelegenheit sind, aber als fünf Ermittlungsverfahren geführt werden (also nur mal angenommen), sind aus allen fünf Akten die notwendigen Kopien, die Aktenversendungspauschale etc. auch jeweils erstattungsfähig.

    Verständnisfrage:
    Kann nicht nur ein Vertreter die Akten des Ermittlungsverfahrens anfordern?

    Denn in Strafsachen ist doch nur die reine Beratung von Beratungshilfe erfasst, nicht aber die Vertretung.


    P.S.: Ich selber mache auch nur die Bewilligung und nicht die Festsetzung. Find die Problematik einfach vor dem Hintergrund interessant, dass ich dem Publikum was Wahres erzählen will.

    Ich denke, dass eine Beratung nur erfolgen kann, wenn vorher Akteneinsicht genommen wurde. Daher ist die Akteneinsicht "Bestandteil" der Beratung. Sollte aber Verteidigungsabsichten u. ä. angezeigt werden ist es Vertretung.

    Wir wollen ja nicht ganz weltfremd sein.

  • Adora Belle: Naja, ganz oder gar nicht ;)

    Im Prinzip ist die Frage nur "Wieviele Scheine erteilen wir?" - wobei selbst das für das Vergütungsverfahren keine Bindungswirkung im Hinblick auf die Anzahl der Angelegenheiten entfalten kann...


    Verständnisfrage:
    Kann nicht nur ein Vertreter die Akten des Ermittlungsverfahrens anfordern?

    Denn in Strafsachen ist doch nur die reine Beratung von Beratungshilfe erfasst, nicht aber die Vertretung.


    P.S.: Ich selber mache auch nur die Bewilligung und nicht die Festsetzung. Find die Problematik einfach vor dem Hintergrund interessant, dass ich dem Publikum was Wahres erzählen will.

    Ich denke, dass eine Beratung nur erfolgen kann, wenn vorher Akteneinsicht genommen wurde. Daher ist die Akteneinsicht "Bestandteil" der Beratung. Sollte aber Verteidigungsabsichten u. ä. angezeigt werden ist es Vertretung.

    Wir wollen ja nicht ganz weltfremd sein.[/QUOTE]

    Ja, grundsätzlich erhält nur der Verteidiger Akteneinsicht. Aber ein Verteidiger kann auch verteidigen, indem er einfach nur berät.
    Und wie SilkeSonnenschein schon richtig schreibt: Effektiv beraten kann der RA erst nach Akteneinsicht.

    Was sich der Gesetzgeber mit der Beschränkung auf eine reine Beratung gedacht hat, weiß man nie so genau - es gibt ja schließlich genügend Fälle, in denen im Ermittlungsverfahren noch keine Beiordnung zum Pflichtverteidiger erfolgt... aber wahrscheinlich wollte der Gesetzgeber da einfach eine starre universelle Grenze ziehen.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Ja, grundsätzlich erhält nur der Verteidiger Akteneinsicht. Aber ein Verteidiger kann auch verteidigen, indem er einfach nur berät.
    Und wie SilkeSonnenschein schon richtig schreibt: Effektiv beraten kann der RA erst nach Akteneinsicht.

    Und ich hab das bislang immer so verstanden und auch erklärt:

    Recht auf Akteneinsicht hat ein Rechtsanwalt dann, wenn er den Antragsteller vertritt. Eine Vertretung in Strafsachen ist jedoch von der Beratungshilfe nicht erfasst, sodass eine Beratung ohne Akteneinsicht erfolgen wird. Sofern die Akte dennoch eingesehen wird, muss der Antragsteller diese Kosten für ein Tätigwerden des Rechtsanwalts als Vertreter selber zahlen.

    Ist das nun falsch?

  • Und ich hab das bislang immer so verstanden und auch erklärt:

    Recht auf Akteneinsicht hat ein Rechtsanwalt dann, wenn er den Antragsteller vertritt. Eine Vertretung in Strafsachen ist jedoch von der Beratungshilfe nicht erfasst, sodass eine Beratung ohne Akteneinsicht erfolgen wird. Sofern die Akte dennoch eingesehen wird, muss der Antragsteller diese Kosten für ein Tätigwerden des Rechtsanwalts als Vertreter selber zahlen.

    Ist das nun falsch?

    Kann man vertreten, aber welchen Sinn soll das machen? Wie soll ein Anwalt seriös beraten, ohne die Akte zu kennen? Ich denke nicht, dass sich die Beratung i. S. d. § 2 Abs. 2 S. 2 BerHG nur auf "Zuruf" des Mandanten beschränken soll. Allerdings wäre eine Klarstellung im Gesetz wünschenswert.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Ja, grundsätzlich erhält nur der Verteidiger Akteneinsicht. Aber ein Verteidiger kann auch verteidigen, indem er einfach nur berät.
    Und wie SilkeSonnenschein schon richtig schreibt: Effektiv beraten kann der RA erst nach Akteneinsicht.

    Und ich hab das bislang immer so verstanden und auch erklärt:

    Recht auf Akteneinsicht hat ein Rechtsanwalt dann, wenn er den Antragsteller vertritt. Eine Vertretung in Strafsachen ist jedoch von der Beratungshilfe nicht erfasst, sodass eine Beratung ohne Akteneinsicht erfolgen wird. Sofern die Akte dennoch eingesehen wird, muss der Antragsteller diese Kosten für ein Tätigwerden des Rechtsanwalts als Vertreter selber zahlen.

    Ist das nun falsch?

    Seh ich genauso. Bei uns gibts Beratungshilfe in Strafsachen nur noch, wenn keine Akteneinsicht erfolgt.
    Um die Akte einzusehen, muss sich der Rechtsanwalt als Verteidiger legitimieren (§ 147 StPO). Damit ist die Akteneinsicht Verteidigertätigkeit - und für Vertreidigertätigkeit gibts keine Beratungshilfe.

    Die Beratung im Rahmen der Beratungshilfe kann der Verteidiger anhand der Schilderung des Mandanten und der Unterlagen vornehmen, die der Mandant gem. § 147 Abs. 7 StPO selbst beschaffen kann. Wurde auch jüngst so von "meinem" Richter bestätigt.

    Hier häuften sich die Fälle, wo Beratungshilfe mit Akteneinsicht in Strafakten beantragt wurde. Hat man dann die Ermittlungsakten von der Staatsanwaltschaft beigezogen, so fand sich darin meist eine umfänglich erteilte Verteidigervollmacht. Das Anschreiben des Anwaltes in der Strafakte begann mit "Zeige ich an, dass ich den Beschuldigten vertrete..." und endete mit "...beantrage ich Akteneinsicht". Trotzdem wurde die Beratung über Beratungshilfe abgerechnet - obwohl eine Vollmacht zur "vollen" Verteidigung vorlag und gegenüber der Staatsanwaltschaft angezeigt wurde, den Beschuldigten zu vertreten.

    Die Wahrheit geht manchmal unter, aber sie ertrinkt nicht.
    (Ungarisches Sprichwort)

  • Warum nicht? Solange das Ermittlungsverfahren nicht beim Gericht anhängig ist, steht § 1 Abs. 1 BerHG ("...außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens...") der Bewilligung nicht entgegen.

    Wegen § 2 BerHG: In Angelegenheiten des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts wird nur Beratung gewährt.

    Das ist unstreitig. Es ging mir nur um die Klarstellung, dass Beratungshilfe in Strafsachen auch dann nicht komplett ausgeschlossen ist, wenn der RA gegenüber der StA als Verteidiger auftritt. Ich gebe in solchen Fällen nur die Beratungsgebühr und ggf. die Auslagen für Kopien aus der Ermittlungsakte, aber selbstverständlich keine Geschäftsgebühr.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Das ist unstreitig. Es ging mir nur um die Klarstellung, dass Beratungshilfe in Strafsachen auch dann nicht komplett ausgeschlossen ist, wenn der RA gegenüber der StA als Verteidiger auftritt. Ich gebe in solchen Fällen nur die Beratungsgebühr und ggf. die Auslagen für Kopien aus der Ermittlungsakte, aber selbstverständlich keine Geschäftsgebühr.

    Achso... dann hatte ich das davor falsch verstanden - sorry.

  • Das ist unstreitig. Es ging mir nur um die Klarstellung, dass Beratungshilfe in Strafsachen auch dann nicht komplett ausgeschlossen ist, wenn der RA gegenüber der StA als Verteidiger auftritt. Ich gebe in solchen Fällen nur die Beratungsgebühr und ggf. die Auslagen für Kopien aus der Ermittlungsakte, aber selbstverständlich keine Geschäftsgebühr.

    Achso... dann hatte ich das davor falsch verstanden - sorry.

    Alles gut!

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

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