Verweigerung der Verbeamtung auf Lebenszeit wegen Krankheit?

  • http://www.wkdis.de/aktuelles/anwa…907?partner=328

    Body-Maß-Index kann für gesundheitliche Beurteilung vor Beamtenernennung relevant sein

    Eine Ernennung zum Beamten kommt nur in Betracht, wenn sich mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausschließen lässt, dass während der Dauer des Dienstes Krankheiten auftreten werden, die die Dienstfähigkeit beeinträchtigen oder gar ausschließen können. Wegen des prognostischen Charakters der Betrachtung kommt dem Dienstherrn bei der Entscheidung über die gesundheitliche Eignung ein Beurteilungsspielraum zu. Die Einschätzung kann sich sowohl auf bei dem Bewerber bestehende oder vergangene Erkrankungen stützen, als auch anhand von Risikofaktoren getroffen werden. Dabei begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, wenn der Dienstherr bestimmte Gesundheitsbeeinträchtigungen generalisierend und typisierend behandelt, bei ihrem Vorliegen also die gesundheitliche Eignung grundsätzlich verneint. Die Annahme des Dienstherren, ab einem BMI von 35,0 scheide eine positive Eignungsprognose grundsätzlich aus, ohne dass es auf bereits zu beobachtende gesundheitliche Einschränkungen ankomme, ist insoweit nicht zu beanstanden.
    Beschluss des OVG Sachsen vom 12.09.2013, Az.: 2 B 431/13

  • Wie zutreffend der Beschluss ist, sollte vielleicht mit einem Beispiel aus der Praxis belegt werden:
    Bei meiner Verbeamtung hatte ich einen ähnlichen BMI. Im Lauf der Jahre bin ich etwas abgemagert auf BMI 28.
    In den letzten 25 Jahren war ich einmal Krank geschrieben, zwei Wochen wegen einer Meniskusoperation. Ich ärgere mich heute noch, denn bei meinem anderen Knie waren die gleichen Symptome nach einigen Wochen verschwunden.
    Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, war ich in diesem Jahrtausend außer beim Zahnarzt nur einmal bei einem Allergologen. Auf die Symptome, die er prophezeit hat, warte ich noch.
    So etwas wie einen Hausarzt habe ich nicht. Ich habe weder Diabetes noch einen hohen Blutdruck. Ich messe das regelmäßig, so alle ein bis zwei Jahre in einer Apotheke.
    Bei der Justiz hat es sich leider noch nicht herumgesprochen, dass für die Gesundheit des Menschen die Genetik und Epigenetik eine größere Rolle spielen, als das Gewicht. Dies ist auch der Grund, weshalb längst nicht alle Übergewichtigen einen Diabetes mellitus oder Bluthochdruck entwickeln.
    Aber wahrscheinlich will die Justiz Leute mit einem geringen BMI, weil diese von jedem Lüftchen gleich umgepustet werden und ein geringeres Alter erreichen, als die etwas Kräftigeren und Robusteren.

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    Bei der Justiz hat es sich leider noch nicht herumgesprochen, dass für die Gesundheit des Menschen die Genetik und Epigenetik eine größere Rolle spielen, als das Gewicht. Dies ist auch der Grund, weshalb längst nicht alle Übergewichtigen einen Diabetes mellitus oder Bluthochdruck entwickeln.
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    Erstens betrifft das nicht nur die Justiz, sondern den öffentlichen Dienst im Allgemeinen. Zweitens ist es auch gut so, dass sich Deine Theorie noch nicht herumgesprochen hat. Sie ist nämlich nur ein Teil der Wahrheit. Es ist sicher nicht zu bestreiten, dass Übergewicht nicht unbedingt zu Krankheiten führt. Ebenso sollte man aber auch nicht ausblenden, dass Übergwicht (im Sinne von Adipositas) ein höheres Krankheitsrisiko birgt. Der BMI ist dabei nicht ausschlaggebend, sondern allenfalls Indiz für weitere Untersuchungen.

  • Der BMI sagt dazu doch gar nichts. Wenn es danach ginge, müsste ich das ganze Jahr krank sein, denn ich nähere mich bedenklich den 35.

    Ich war sogar beim Arzt, weil ich mir vorgenommen hatte, abzunehmen. Nach eingehender Untersuchung kam die Frage "Warum?". Die Werte sind 1a, ich bin nicht bewegungsfaul, treibe mäßig Sport, fahre aber ganzjährig Fahrad und auch gerne mal größere Tagestouren (100 - 180 km).
    seitdem schert mich mein BMi einen feuchten Kehricht.

  • Ich verstehe die Aufregung nicht.
    Wenn im Bewerbungsgespräch jemand erscheint, der z. B. 25 kg oder 250 kg wiegt, dann ist das natürlich ein Indiz und Anlass genug, um ergebnisoffen genauer prüfen zu lassen, ob da gesundheitliche Risiken schlummern oder nicht.

  • Ich verstehe die Aufregung nicht.
    Wenn im Bewerbungsgespräch jemand erscheint, der z. B. 25 kg oder 250 kg wiegt, dann ist das natürlich ein Indiz und Anlass genug, um ergebnisoffen genauer prüfen zu lassen, ob da gesundheitliche Risiken schlummern oder nicht.

    Wo bitte ist das

    "Die Annahme des Dienstherren, ab einem BMI von 35,0 scheide eine positive Eignungsprognose grundsätzlich aus, ohne dass es auf bereits zu beobachtende gesundheitliche Einschränkungen ankomme, ist insoweit nicht zu beanstanden."

    ergebniswoffen?

  • Ich verstehe die Aufregung ehrlich gesagt auch nicht.

    Das Gericht setzt sich mit den Mängeln des BMI im Bereich <35 sehr wohl auseinander (Rn 13).

    Dann führt es aus, dass diese Mängel nach seiner Ansicht ab 35 gerade nicht durchgreifen: "In Anbetracht dieses Standes der naturwissenschaftlichen Erkenntnis erscheint die Praxis des Antragsgegners, bei einem BMI > 35,0 von einer Ernennung grundsätzlich abzusehen, von dessen Beurteilungsspielraum gedeckt."

    Bedenkt man dann noch, dass der Kläger einen BMI von 40,06 hatte, ist das Ergebnis durchaus nachzuvollziehen.

    Schließlich ist zu bedenken, dass der Dienstherr eine Prognose erstellt. Und das Risiko von Folgeerkrankungen ist einfach unbestritten höher. Das dies nicht eintreten muss, ist auch klar.

  • ich verstehe die Praxis ehrlich gesagt nicht. Sollte ein Anwärter eingestellt werden, der bei der Einstellung bereits einen sehr hohen BMI hat, halte ich es für unverhältnismäßig, den Beamten amtsärztlich untersuchen zu lassen, wenn die Verbeamtung auf Lebenszeit ansteht.
    Der Dienstherr hat sich für den "dicken" Bewerber entschieden, und sollte dann auch etwaige Dienstausfälle tragen.

    Außerdem finde ich es diskreminierend, nur aufgrund der Körperfülle auf ein erhöhtes Krankheitsrisiko zu schließen. Übergewichtige mögen krank werden oder auch nicht, genau so wie "normal" gewichtige.

    Allein in unserer Behörde gibt es Beispiele, bei denen übergewichtige Kollegen so gut wie nie krank feiern und dünne Kollegen öfters.

    Und krank machen kann der Dienst auch, dafür muss man nicht besonders dick sein.
    Z. B. liegt mein Gewicht in normalen Bereich, jedoch immer wenn ich auf der Arbeit bin, habe ich einen viel zu hohen Blutdruck, teilweise bis 180.
    Immer wenn ich ein Langzeitblutdruckmessgerät bekommen, kann mein Arzt sagen, wann ich gearbeitet habe, wann ich Pause hatte und wann ich wieder zuhause war.

    Vielleicht sollten lieber die Arbeitsbedingungen verbessert werden, als einzelne Kollegen (die wir dringend brauchen) verunsichert werden.

  • Und Helmut Schmidt ist auch heute noch bemerkenswert fit und überhaupt der leistungsfähigste lebende Bundeskanzler...
    Es ist letzten Endes eine Frage der Wahrscheinlichkeit und des gesunden Menschenverstands. Nicht mehr und nicht weniger. Hier passen manche Kollegen nicht einmal mehr durch die Sicherheitsschleuse so kerngesund sind die.

    Wer sich dann, wenn ein extremer Hungerhaken oder ein Pommespanzer vor ihm aufkreuzt, nicht zumindest kurz fragt, ob er in den kommenden 45 Jahren diesen Kollegen wegen Krankheit vertreten möchte, ist selbst schuld, wenn er nicht ergebnisoffen genauer prüft.

    Und unter uns Pastorentöchtern: es ist doch ein durchaus probates Mittel, wenn durch Aussortieren von Kandidaten mit extremen BMI-Werten z. B. der Personalbestand an Kollegen mit Eßstörungen und all den dahinter zu besorgenden psychischen Erkrankungen gering gehalten wird.
    Der öffentliche Dienst ist in erster Linie dazu da, Dienst zu verrichten und erst dann für seine Bediensteten.

  • Also den Zusammenhang zwischen Übergewicht und psychischen Erkrankungen muss mir erst einmal jemand erklären!

    [p.s. Die größte Krankheitsursache waren in unserer Kanzlei in letzter Zeit sportliche Betätigungen unserer Mitarbeiter. Turnen bringt eben Urnen.]

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Sag ich mal so: Selbst wenn man bei mir dat Fett absaugen würde, läge der BMI erheblich über 35. Und Muskeln zeigen ja grade, dass ich sportlich aktiv bin. Insofern finde ich es ziemlich bedenklich, den BMI als solchen zugrunde zu legen.

    Und es soll wohl Statistiken geben, dass adipöse Leute (zu denen ich auch gehöre), öfter erkranken.

    Naja, meine Beobachtung hier ist, dass es alle trifft...

  • Und Muskeln zeigen ja grade, dass ich sportlich aktiv bin.


    Wenn etwas offensichtlich ist, muss es ja auch nicht unnötig verkompliziert werden.
    Das Instrument "Hypothekenhaftungsverband" nutzt man ja auch nur dann, wenn man es braucht.

    Ich hege jedenfalls Zweifel, ob wir wirklich mehr Kollegen brauchen, die ob ihrer Leibesfülle normale Eingänge nicht nutzen können.

  • Ich denke, hier kommt es auch auf das Alter an. Auch ich habe mir im Laufe der Jahre ein deutliches Übergewicht zugelegt. Aber die Lebenszeit-Verbeamtung erfolgt in noch relativ jungen Jahren. In meinem Beispiel hiesse das, dass ich für einen BMI von über 35 bereits mit 26 Jahren bei einer Größe von 1,77m mind. 110 Kg gewogen haben müsste.

    Dieses Gewicht müsste der Beamte dann (erfolglose Diäten vorausgesetzt) vierzig Jahre lang mit sich herumschleppen. Was dies für Herz, Kreislauf, Gelenke und Knochen bedeutet, kann sich auch ein medizinischer Laie leicht ausmalen. Daher habe ich durchaus Verständnis für einen Dienstherren, der dies als ein zu hohes Ausfall-Risiko ansieht.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

  • Im Grunde wissen das wohl nicht mal die medizinischen Experten.


    Ich gebe Dir vollkommen Recht, Prognosen sind insoweit lediglich Mutmaßungen. Vernünftig kann dies trotzdem sein und es muss noch lange keine Diskriminierung darstellen.
    Bekanntermaßen sind auch Sumo-Ringer körperlich topfit. Manche von denen bleiben dies auch bis ins hohe Alter. Merkwürdigerweise aber nicht alle.

  • ich verstehe die Praxis ehrlich gesagt nicht. Sollte ein Anwärter eingestellt werden, der bei der Einstellung bereits einen sehr hohen BMI hat, halte ich es für unverhältnismäßig, den Beamten amtsärztlich untersuchen zu lassen, wenn die Verbeamtung auf Lebenszeit ansteht.
    Der Dienstherr hat sich für den "dicken" Bewerber entschieden, und sollte dann auch etwaige Dienstausfälle tragen.

    Bitte beim Fall bleiben. Bei dem diskutierten Urteil wurde bereits die Einstellung zum Vorbereitungsdienst ausgeschlossen. Ich finde es nur fair, dass der Dienstherr hier gleich das Veto einlegt und damit nicht bis zum Abschluss des Vorbereitungsdienstes wartet.

  • Um zum Thema zu kommen: Ich finde die Entscheidung hinsichtlich des BMI falsch, da dieser wenig aussagekräftig ist.

    Dubios sowieso, da es ja wohl keine Untergrenze für den BMI gibt.

  • Ich finde es problematisch, dass gerade an einer! Risikogruppe ein Exempel statuiert wurde. Es existieren viele weitere Gruppen, bei denen negative Folgen erhöht erscheinen. Dass diese unbeachtet bleiben können und damit willkürlich unterschieden, aber nicht diskriminiert, ist von der Rspr, gebilligt. Ich bin mal gespannt, wann der erste Raucher oder Bergsteiger etc. rausfliegt (oder war das schon?) und wo die Grenze gezogen wird.

    Das nächste Prob. ist die für mich wenig klare Unterscheidung "nur" dauerhafte Krankheit und dauerhafte Krankheit mit Einschränkungen am sozialen Leben (was ist das genau ? und wer so dick ist, ist ! auch genau da eingeschränkt), dann Behinderung und AGG.

    Hat man also einen BMI von 40 und ist topfit-> Kündigung, hat man 40er und nie Sport gemacht, kaputte Knie und geht an Krücken bzw. Rollstuhl oder hat deswegen Depression, dann ist es Behinderung -> kaum Kündigung möglich.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

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