Berechtigter im Sinne von § 1872 BGB

  • Guten Morgen,

    bei mir kam jetzt schon öfter die Frage auf, an wen die Unterlagen herauszugeben sind und wie die Berechtigtenstellung nachgewiesen wird, insbesondere bei Tod des Betreuten.

    Liegt ein notarielles Testament oder ein Erbschein vor, ergeben sich die Erben aus diesem. Wie ist es aber in solchen Fällen, wenn das Testament nicht eindeutig ist (der Auslegung bedarf), kein Testament vorliegt oder ein privatschriftliches?
    Ich halte es für übertrieben, dass immer ein Erbschein in den letzter genannten Fällen vorgelegt werden muss.

    Es kann aber auch nicht Aufgabe des Betreuers sein umfangreiche Ermittlungen anzustellen. Reicht die Mitteilung des Nachlassgerichts, wer vermutlich Erbe geworden ist?

    Jürgens/Loer BGB § 1872 Rn. 1 schreibt unter anderem: "Bei einer Gesamtberechtigung geht der Anspruch nur auf Herausgabe an alle Berechtigten." Ebenso BeckOGK/Schmidt-Recla BGB § 1872 Rn. 12: "die Herausgabe kann nur an die Berechtigten gemeinsam erfolgen.".

    Wie soll das rein praktisch laufen? Der Betreuer muss dann die Unterlagen an alle Erben herausgeben? Es dürfte doch eigentlich die Herausgabe der Unterlagen an einen Erben der Erbengemeinschaft reichen oder nicht?

    Konkret ging es z. B. auch um einen Fall, wo der Betreuer an die ihm bekannten Erben den Hinweis zur Schlussrechnungslegung erteilt hat. Der Erbschein wurde aber erst nach Erteilung des Hinweises und nach Ablauf der 6 Wochen Frist erteilt. Ab welchem Zeitpunkt beginnt die 6 Wochen Frist zu laufen? Mit Erteilung des Erbscheins oder bereits vorher?
    Letztlich hat der Betreuer genau die Erben angeschrieben, die auch später im Erbschein standen. Wenn die Erben nun ihr Recht auf Einreichung der Schlussrechnung geltend machen, haben wir ja auch zu prüfen, ob die 6 Wochen Frist bereits abgelaufen ist und kein Anspruch mehr besteht. oder ob die Erben doch noch einen Anspruch auf Prüfung durch das Betreuungsgericht haben.

  • An wen der Betreuer die Unterlagen herausgibt, liegt meiner Meinung nach in seiner Verantwortung. Das Gericht hat bei Prüfung des Schlussberichts zwar zu berücksichtigen, ob eine Angabe zur Herausgabe gemacht wurde (§ 1863 Abs. 4 BGB), deren materiellrechtliche Richtigkeit kann jedoch nicht durch das Betreuungsgericht nachgeprüft werden. Im Streitfall ist hier das Zivilgericht zuständig (daher kann man über den Sinn oder Unsinn dieses Berichtspunkts trefflich streiten).

    Da wir selbst im Falle einer unrichtigen Herausgabe keine Handhabe haben, akzeptiere ich quasi jede Angabe zur Herausgabe (inkl. "Konnte nicht herausgegeben werden da Erbe unbekannt"). Selbst wenn ich der Meinung bin, dass das Handeln des ehemaligen Betreuers rechtlich unzutreffend ist, kann ich mangels Betreuungsverfahren keine Aufsichtsmaßnahmen mehr treffen. In geeigneten Fällen könnte man allenfalls an einen Hinweis ans Nachlassgericht zwecks Nachlasspflegschaft denken, mehr geht aber nicht.

    Bei dem Schlussrechnungsverlangen gehe ich aktuell so vor, dass ich anhand der Nachlassakte prüfe, ob die Erbenstellung des Antragstellers plausibel ist. Liegt ein öffentliches Testament oder ein Erbschein vor, ist das natürlich optimal, verlangen kann ich ihn meiner Meinung nach nicht. Mir genügt auch wenn ein handschriftliches Testament oder Unterlagen zur gesetzlichen Erbfolge bei der Akte sind. Eine Restunsicherheit besteht ja immer (selbst beim Vorliegen eines Erbscheins könnte im Nachgang ja noch ein Testament auftauchen, welches zur Einziehung des Erbscheins führen kann).

    Wegen der Frist sehe ich die Beweislast beim Betreuer. Ab Belehrung des Erben beginnt die Frist des § 1872 BGB zu laufen. Kann der Betreuer den Fristbeginn nicht beweisen (z.B. weil die Belehrung nicht ordentlich dokumentiert wurde), gehe ich davon aus, dass der Schlussrechnungslegungsanspruch im Zweifelsfall noch besteht.

    In deinem Fall ist es ja so, dass die Universalsukzession mit Eintritt des Erbfalls erfolgt. Der Erbschein dokumentiert ja bloß deklaratorisch die Erbenstellung. Daher würde ich in deinem Fall nicht auf die Erteilung des Erbscheins sondern auch auf die Belehrung abstellen.

    In meiner Praxis erlebe ich aber eher, dass es den Betreuern mit der Belehrung zu aufwendig ist und diese überobligatorisch einfach die Schlussrechnungslegung einreichen, obwohl sie dazu eventuell gar nicht verpflichtet sind (wahrscheinlich damit die die Akte zu bekommen).

    In diesen Fällen stellt sich die Frage, wie man damit umgeht. Einfach abheften oder den Erben (ungeprüft) bekannt geben. Ich habe mich für aktuell für Variante 2 entschieden, ringe aber noch ein wenig mit mir, wie ich es künftig halte.

  • Danke für deine Einschätzung. Manchmal ist es echt schwierig einzuschätzen, wie weit die Beratungspflicht nach § 1861 BGB geht, ohne zu sehr in rechtliche Beratung rein zu gehen.

    Kann da aber auch die Betreuer verstehen, die sich da gerne absichern wollen beim Betreuungsgericht.

    In deinem Fall ist es ja so, dass die Universalsukzession mit Eintritt des Erbfalls erfolgt. Der Erbschein dokumentiert ja bloß deklaratorisch die Erbenstellung. Daher würde ich in deinem Fall nicht auf die Erteilung des Erbscheins sondern auch auf die Belehrung abstellen.

    So denke ich auch.

  • Das eigentliche Problem tritt ja dann auf, wenn - wie oft bei der gesetzlichen Erbfolge - mehrere Erben da sind, die eine Erbengemeinschaft bilden. Insbes. wenn diese uneinig sind - also nicht mal einem von ihnen per Vollmacht die Annahme der Gegenstände des § 1872 für die gesamte Erbengemeinschaft gestattet. M.W. Ist bislang nicht geklärt, ob die Annahme durch einen von ihnen von § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB gedeckt ist - oder das umständliche Verfahren nach § 2039 BGB nötig ist.

  • Kann sich der Betreuer absichern, wenn er beim BG eine Schlussrechnungslegung ohne entsprechende Verpflichtung einreicht? Führt eine Prüfung in diesem Fall zur Entlastung? Wenn später z.B. zivilrechtlich gegen den ehem. Betreuer vorgegangen wird, ohne formell eine Schlussrechnungslegung zu verlangen? Was taugt dann der Prüfungsvermerk des Gerichts? Haftet dann ggf. das Gericht, obwohl keine Prüfungspflicht bestand? Haftet ggf. der Rechtspfleger aufgrund seiner „unberechtigten“ Prüfung?

  • Haftungstechnisch halte ich das für relativ unproblematisch. Schon bei der "regulären" Schlussrechnung ist es ja so, dass der Prüfvermerk des Rechtspflegers keine Auswirkung auf einen folgenden Zivilprozess hat. Selbst wenn ich feststelle, dass ich alles super fand, kann ein Zivilrichter den Betreuer immer noch zur Auskunftserteilung und Schadensersatz verurteilen. Der Prüfvermerk ist daher kaum mehr als eine unverbindliche Meinungsäußerung des Betreuungsgerichts (daher kann man sich durchaus fragen, ob man das bei der Betreuungsrechtsreform nicht hätte anders gestalten können). Man könnte jetzt vielleicht überlegen, dass ein unberechtigt positiver Prüfvermerk den Erben in falscher Sicherheit wiegt, daraus einen Amtshaftungsanspruch abzuleiten, halte ich aber für fernliegend.

    Der einzige Nutzen der überobligatorischen Schlussrechnung ist eigentlich, dass das Betreuungsgericht nicht Monate nach Verfahrensende nochmal auf den Betreuer zukommt und eine Schlussrechnung verlangt, wenn der Betreuer versehentlich einen bislang unbekannten Erben nicht belehrt hat.

  • Hallo,

    in der Praxis (zumindest bei mir zutreffend) ist es überwiegend so, daß die Betreuten nicht reden können oder wollen, wer ihr Erbe ist.

    Das wird dann von mir so dokumentiert. Ich bin nach Ende der Betreuung durch den Tod nicht zur Erbenermittlung verpflichtet.

    Manche Klienten haben selbstverständlich Familienangehörige, sind mit denen aber schon seit Jahren verkracht, haben den Kontakt abgebrochen.

    Mittlerweile erhalte ich vom Betreuungsgericht auch zeitnah die Aufforderung, eine Schlussrechnung vorzulegen. Ob da Erben ermittelt wurden oder nicht, wird mir nicht mitgeteilt.

  • Das halte ich für zu kurz gegriffen. Klar, wenn man die Rechnungslegung einfach als Gericht anfordert oder als Betreuer von sich aus vorlegt, mag man sich vielleicht nicht mit der Belehrung nach § 1872 Abs. 2 S. 2 BGB beschäftigen müssen.

    Meiner Meinung nach ist das aber nur eine Scheinlösung, da man sich wegen der Herausgabeansprüche nach § 1872 Abs. 1 BGB ohnehin Gedanken zu den Erben machen muss. Das Argument "als Betreuer bin ich nicht für die Erbenermittlung zuständig" greift daher zu kurz.

    Man hat als Betreuer wohl nur die Wahl, ob man das Nachlassgericht wegen der Erben anfragt oder den ganzen Kram der Betreuten einlagert. Das Habe der Betreuten nach deren Tod einfach zu entsorgen, dürfte rechtlich kaum vertretbar sein.

  • Die Frage ist doch: wie kommt der Betreuer aus seiner Herausgabeverpflichtung heraus? Sicher nicht durch Einlagerung.

    Durch Hinterlegung?
    Durch Antrag auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft?

    Ein ggf. bestellter Nachlasspfleger kommt seiner Herausgabeverpflichtung nach Feststellung des Fiskalerbrechts durch entsprechende Herausgabe nach.


    Ende Gut. Alles gut.

  • Also die Hinterlegung bei der Hinterlegungsstelle funktioniert schon mal nicht, außer es sind Geld, Wertpapiere oder sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten. Alles andere würde ich nicht annehmen.

    Ich bezweifle auch, dass die Nachlassabteilung eine Nachlasspflegschaft für die Herausgabe der Unterlagen anordnen wird.

    Und dann bleibt die Frage, wie kommt der Betreuer seiner Herausgabeverpflichtung nach...

  • Wenn der Betreuer Vergütungsansprüche gegen den unbekannten Erben des Betreuten hat, ist er ja selbst Nachlassgläubiger und formal antragsberechtigt nach § 1961 BGB. Wenn er nur die Herausgabe der Unterlagen schuldet, kann er nur die Anregung zur Nachlasspflegschaft geben, § 1960 BGB.

  • Zitat

    wenn der Betreuer keinerlei Bemühungen nachweisen kann, die Erben zu ermitteln. § 372 S. 2 BGB setzt doch eine gewisse Eigeninitative voraus (vgl. z.B. KG, Beschluss vom 5.3.2015 – 1 VA 21/14).

    Meiner Einschätzung beziehen sich die Bemühungen auf einen Insolvenzverwalter und nicht auf einen ehemaligen gesetzlichen Betreuer.

  • Zitat

    wenn der Betreuer keinerlei Bemühungen nachweisen kann, die Erben zu ermitteln. § 372 S. 2 BGB setzt doch eine gewisse Eigeninitative voraus (vgl. z.B. KG, Beschluss vom 5.3.2015 – 1 VA 21/14).

    Meiner Einschätzung beziehen sich die Bemühungen auf einen Insolvenzverwalter und nicht auf einen ehemaligen gesetzlichen Betreuer.

    Mags sein, dass man einem Insolvenzverwalter mehr zutrauen kann als einem Betreuer, aber eine schlichte Anfrage ans Nachlassgericht sollte dieser schon hinbekommen können. Ich zitierte mal aus besagten Beschluss:

    Zitat

    bb) Die Ungewissheit des Schuldners über die Person des Gläubigers, § 372 S. 2 Alt. 2 BGB, kann auf rechtlichen oder tatsächlichen Umständen beruhen (RGZ 50, 14, 18). Sie beruht nicht auf Fahrlässigkeit, wenn eine mit verkehrsüblicher Sorgfalt vorgenommene Prüfung zu begründetem Zweifel über die Person des Gläubigers führt. Der Zweifel muss ein solcher sein, dass dem Schuldner nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, ihn auf seine Gefahr hin zu lösen. Was dem Schuldner zuzumuten ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1952 - I ZR 45/52 -, juris).

    Der Senat erachtet es nicht für unzumutbar, den Schuldner für verpflichtet zu halten, beim Tod des Gläubigers sich zunächst bei dem Nachlassgericht nach Erben zu erkundigen. Die möglichen Besonderheiten eines Insolvenzverfahrens stehen dem nicht entgegen.

  • Zumindest im Vergütungsfestsetzungsverfahren (=Antragsverfahren) muss der ehem. Betreuer den Erben bzw. den bestellten Nachlasspfleger benennen, gegen den das Verfahren geführt wird. Es ist nicht Aufgabe des Betreuungsgerichts, den Verfahrensgegner des ehem. Betreuers zu suchen.

    Im Ergebnis: ohne Erben bzw. Vertreter der unbekannten Erben kein Geld für den ehem. Betreuer.

    Und auch denjenigen, an den das verwaltete Vermögen bzw. die erlangten Unterlagen herauszugeben sind, hat allein der ehem. Betreuer (und nicht das Betreuungsgericht) zu suchen.

    Auf Dauer verwahren sieht das neue Betreuungsrecht nicht mehr vor. Der Ehem. Betreuer hat die Verpflichtung, die in § 1872 BGB benannten Gegenstände herauszugeben. So sieht seine Verpflichtung aus. Und ggf. wäre das Fiskalerbrecht festzustellen, wenn keine Nachlasspflegschaft angeordnet wird.

    Ich glaube nicht, dass die Obergerichte die (ggf. grundlose) Verweigerung der Feststellung des Fiskalerbrechts durch die Nachlassgerichte tolerieren werden.

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