Differenztheorie oder volle Gebühren?

  • Hallo an die Fachleute,

    Strafverfahren wegen OWi (Unfall gebaut) und Verkehrsstraftat (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort). Wegen OWi wird Beschuldigter zu Geldbuße verurteilt, wegen Straftat freigesprochen.
    Kostenausspruch wie üblich: Soweit verurteilt, trägt er die Kosten, soweit freigesprochen, fallen die Kosten und notwendige nAuslagen der Staatskasse zur Last.
    Der Anwalt schreibt nun, dass wegen der OWi nie ein Anwalt beauftragt worden wäre, sondern dies nur im Hinblick auf die ihm zur Last gelegte Straftat erfolgte. Daher wären sämtliche Kosten aus der Staatskasse zu erstatten.

    Ich seh das eigentlich nicht so.
    Ich habe im Meyer-Großner, StPO zu § 465 die RdNr. 9 gefunden
    "Bezieht sich der Teilfreispruch auf die Verkehrsstraftat und hätte sich der Angeklagte wegen der OWi, derentwegen er verurteilt wurde, nicht verteidigt, so werden der Staatskasse idR seine gesamten Auslagen auferlegt."
    Das würde ja eigentlich die Meinung des Verteidigers stützen.

    Aber hätte das nicht bereits als Kostenausspruch ins Urteil kommen müssen? Der im Urteil enthaltene Ausspruch ist doch aber eindeutig oder?
    Der besagt eben, dass nicht alle Kosten und Auslagen der Staatskasse auferlegt werden. Als Beschwerde gegen den Kostenausspruch im Urteil kann ich das auch nicht umdeuten, da das Urteil bereits rechtskräftig ist.

    Vielen Dank für eure Hilfe

  • Ich sehe das wie Du. Wenn die Kosten nicht in voller Höhe der Landeskasse auferlegt sind, haben Überlegungen, ob wegen des "Restes" möglicherweise kein Rechtsanwalt beauftragt worden wäre, zu unterbleiben.

    Auch die zitierte Kommentierung stützt die Auffassung des Verteidigers nicht. Sie besagt nicht, dass entgegen der Kostengrundentscheidung sämtliche Auslagen zu erstatten sind, sondern dass idR die gesamten Auslagen der Landeskasse auferlegt werden. Das ist aber unterblieben und die KGE ist für die Festsetzung bindend.

  • netter Versuch des RA - aber auch nicht mehr...

    "Der Glaube der mittelalterlichen Alchimisten, aus Blei Gold machen zu können, war eine Manifestation der nüchternen Vernunft im Vergleich zu dem neuzeitlichen Wahn, aus Papier Geld machen zu können." Roland Baader

    "Gold ist Geld, alles andere ist Kredit" – John Pierpont Morgan (1837-1913)

  • Hallo,

    ich habe gerade die Berechnung der Gebühren für den Teilfreispruch gemäß Differenztheorie unter Berücksichtigung des § 14 RVG vorbereitet, aber bin mir nicht sicher:

    1. Pflichtverteidigergebühr, Nr. 4100, 4106, 4108 VV RVG 428,00 EUR

    2. bei der anzusetzenden Wahlverteidigergebühr für das gesamte
    Verfahren gem. § 14 RVG, Nr. 4100, 4106, 4108 VV RVG wird
    von einer über dem Durchschnitt liegenden Gebühr (80 % der
    Höchstgebühr) ausgegangen 760,00 EUR

    3. die fiktive Gebühr für das Verfahren, wenn nur über die abgeurteilten
    Straftaten entschieden worden wäre, wird hier als unterdurchschnittlich
    eingeschätzt (40 % der Höchstgebühr), § 14 RVG, Nr. 4100, 4106, 4108
    VV RVG 380,00 EUR

    Daraus ergibt sich folgende Abrechnung:

    760,00 EUR – 380,00 = 380,00 EUR
    380,00 EUR * 428,00 EUR : 760,00 EUR = 214,00 EUR
    380,00 EUR – 214,00 EUR = 166,00 EUR
    166,00 EUR + 26,56 EUR (16 % MWSt) = 192,56 EUR

    Können Sie mir weiterhelfen?

  • Die Berechnung in % der Höchstgebühr kenne ich nicht. Üblicher ist wohl, von der Mittelgebühr auszugehen. Aber sei's drum. Was ist das für eine Rechnerei mit Multiplikation und Division? Sieht nach Dreisatz aus, erschließt sich mir aber auch nicht so ganz.

    Bei mir säh das so aus:

    PV-Gebühren 428 EUR

    WV-Gebühren gesamt 760 EUR
    fiktiv abgeurteilt 380 EUR
    Differenz 380 EUR

    aber 760 EUR - 428 EUR = 232 EUR

    höchstens 232 EUR festsetzbar

    Die Umsatzsteuer beträgt seit geraumer Zeit 19%.

  • Ich komme, von der USt. abgesehen, auf das gleiche Ergebnis wie Nonev.

    Wahlverteidigervergütung gesamt: 760,-
    Davon enfallen 380,- auf die Verurteilung, das entspricht 50%.
    Der Rest i.H.v. ebenfalls 380,- entfällt auf den Freispruch, in dieser Höhe besteht zunächst ein Erstattungsanspruch.

    aber es ist bereits Pflichtverteidigervergütung i.H.v. 428,- ausgezahlt worden. Diese ist im gleichen Verhältnis wie die Wahlanwaltsvergütung auf Verurteilung und Freispruch anzurechnen, also 50:50. Es entfallen also 214,- auf den Freispruch und sind auf den oben festgestellten Erstattungsanspruch anzurechnen, so dass noch 166,- verbleiben.

  • Hallo, noch kurz einen Zusatz:

    diese Berechnung ist ein Beispiel, aber bei uns ist es so, dass die I. Instanz bezahlt wurde und in der II. Instanz war der Teilfreispruch,

    also Differenztheorie für die II. Instanz, aber wir haben bisher nichts erstattet bekommen für die II. Instanz. Ich hatte in der II. Instanz die

    1. Tatsächlich entstandenen Gebühren (Höchstgebühren/Wahlverteidiger) 1142,40 €

    ./. 2. fiktiv entstandenen Kosten (Mittelgebühr/Wahlverteidiger) 345,10 €
    Summe 797,30 €

    Pflichtverteidigergebühren wurden nicht abgerechnet.

  • Ahja, hab jetzt mal eine Entscheidung aus #11 gelesen. Interessant das alles.

    Wenn keine PV-Gebühren abgerechnet wurden, dann sollte auf die Geltendmachung verzichtet werden, damit die erstattbare Differenz der WV-Vergütung voll geltend gemacht werden kann. Ob der RPfl euren Ermessenserwägungen folgt, ist natürlich die andere Frage. :cool:

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