Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung bei selbstgenutzter Immobilie

  • Guten Morgen.
    Ich arbeite bei einer Stadtverwaltung im Land Brandenburg und habe eine Problem, das ich durch Foren-Studium noch nicht beantwortet gefunden habe. Ich hoffe, Ihr könnt mir helfen.

    Eine Schuldnerin hat gerade das Insolvenzverfahren beendet (Jan. 2010). Seit Eröffnung des IV ist auch die Zwangsversteigerung der von ihr selbst bewohnten Immobilie angeordnet (inzwischen das zweite Verfahren). Niemand bietet darauf.
    Noch vor Eröffnung des IV wurde die Zwangsverwaltung des Objektes angeordnet, dieses Verfahren dauert an. Regelmäßig teilt uns der Verwalter mit, dass er keine Einnahmen erzielt, die betreibende Gläubigerin keine Vorschüsse zahlt und die Grundsteuer daraus sowieso nicht zu begleichen ist. - Gut, ist akzeptiert.
    Seit einer Weile weigert sich die Schuldnerin, die Grundsteuern zu bezahlen, mit der Begründung, der Zwangsverwalter hätte ihr abgeraten. Wir könnten unsere Forderungen schließlich im Versteigerungsverfahren anmelden... Seit 10 Jahren bietet niemand auf das Objekt, das wird sich jetzt nicht ändern!

    Wer ist denn nun - nach den Buchstaben des Gesetzes - zur Zahlung der Grundsteuer verpflichtet?? Meine Kolleginnen vom Steueramt bzw. von der Kasse wissen nicht mehr weiter.

    Danke im Voraus für Eure Hilfe.

    Gruß aus Storkow
    Bettina

  • § 156 Abs. 1 ZVG: Die laufenden Beträge der öffentlichen Lasten sind von dem Verwalter ohne weiteres Verfahren zu berichtigen.


    Damit ist m.E. die Frage nicht erschöpfend beantwortet:

    1. Wir sind im masselosen Zwangsverwaltungsverfahren. Im Hinblick auf die BGH-Entscheidung zur Hausgeldzahlungspflicht in masselosen Verfahren könnte man nun auch für die öffentlichen Grundstückslasten eine Vorschusspflicht des Gläubigers annehmen - bisher sträube ich mich, dies zu tun.

    2. NEBEN der Haftung des Grundstücks besteht m.E. die persönliche Haftung des Grundstückseigentümers. Gegen den Insoverwalter war diese nicht durchsetzbar. Aber wie ist das mit den Forderungen, die seit Aufhebung des Insoverfahrens auflaufen? Diese können doch nun ohne Weiteres ins (sonstige) Schuldnervermögen vollstreckt werden.

  • Stefan hat da schon recht, ABER: bei der Konstellation


    Regelmäßig teilt uns der Verwalter mit, dass er keine Einnahmen erzielt, die betreibende Gläubigerin keine Vorschüsse zahlt und die Grundsteuer daraus sowieso nicht zu begleichen ist.



    kann und darf der Verwalter nicht zahlen.

    (Ich finds jetzt irritierend, dass angeblich weder Einnahmen noch Vorschüsse kommen - wie finanziert sich das Verfahren ? Aber das nur am Rande ... )

  • Was nicht, "annehmen" oder "sträuben"? :confused:

    Ich bin bislang noch nicht auf die Idee gekommen, aufgrund der BGH-Entscheidung (die ich persönlich für Hausgelder begrüßt habe) die Vorschussanforderung für öffentliche Grundstückslasten für zulässig zu halten.

  • Und warum nicht?
    Was haben die Hausgelder im Hinblick auf § 156 ZVG, was die öffentlichen Lasten nicht haben?
    Wodurch sind Hausgelder gegenüber den öffentlichen Lasten prädestiniert?
    Warum soll überhaupt eine masselose Zwangsverwaltung laufen, in der der Zwangsverwalter seinen Verpflichtungen, nämlich die öffentlichen Lasten zu zahlen, nicht nachkommen kann?

  • Vorab: Ich schließe aus diesen Postings, dass Stefan sich nicht sträubt, für öffentliche Grundstückslasten Vorschüsse anzufordern und WinterM noch nicht auf diese Idee gekommen ist.

    Was haben die Hausgelder im Hinblick auf § 156 ZVG, was die öffentlichen Lasten nicht haben?



    Umgedreht würde ich sagen: im Gegensatz zu den Hausgeldern hatten die öffentlichen Grundstückslasten schon immer eine gescheite eigene Rangklasse. Die im Rang inzwischen noch besser einsortierten Hausgelder hatten die bessere Lobby. :wechlach:

  • Vorab: Ich schließe aus diesen Postings, dass Stefan sich nicht sträubt, für öffentliche Grundstückslasten Vorschüsse anzufordern


    Richtig geschlossen, Antwort in der 1. Person singular auf eine Feststellung von Meridian, ebenfalls 1. Person singular.
    Auf die allgemeine Formulierung "könnte man" darf man doch nicht mit "ich nicht" antworten. Insofern fand ich mein Posting in seiner Aussage eindeutig zuordnungsbar.:strecker

  • Unter 3.a) - Seite 7- des BGH-Beschlusses vom 15.10.09 V ZB 43/09 sagt der BGH in einem Atemzug "Dass für die laufenden öffentlichen Lasten und das laufende Hausgeld in § 156 Abs. 1 ZVG eine eigenständige Regelung getroffen ist, schließt nicht aus, diese Forderungen als Kosten der Verwaltung im Sinne von 155 Abs. 1 ZVG zu behandeln."
    Das ist doch klar und eindeutig, deshalb verlangen wir auch wieder Vorschüsse für die öffentl. Lasten.

  • Vorab: Ich schließe aus diesen Postings, dass Stefan sich nicht sträubt, für öffentliche Grundstückslasten Vorschüsse anzufordern und WinterM noch nicht auf diese Idee gekommen ist.



    Auf die Idee ist schon vor vielen Jahren einer meiner Zwangsverwalter gekommen, nur konnte ich den Sinn nicht nachvollziehen, damals ging es auch nur um Grundsteuern.

    Nach der Änderung des KAG NW profitiert die Stadtkasse auch mittelbar von der Vorschusspflicht für Hausgelder, da sie darüber ja ihre (inzwischen dinglichen) Benutzungsgebühren kriegt.

  • Zur Zahlung der Grundsteuer, ist unabhängig von einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme, immer der Eigentümer verpflichtet. Manchmal wird er vertreten durch entweder den Insolvenzverwalter oder den Zwangsverwalter. Der Zwangsverwalter dann aber nur, wenn er Einnahmen hat. Wenn er keine hat, kommt es, wie man vor lesen kann, auf den Rpfl. an. Manche lassen Vorschüsse zu, andere nicht.
    Der Insolvenzverwalter dann nicht, wenn Zwangsverwaltung angeordnet ist oder er das Grundstück freigegeben hat.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Vorab: Ich schließe aus diesen Postings, dass Stefan sich nicht sträubt, für öffentliche Grundstückslasten Vorschüsse anzufordern


    Richtig geschlossen, Antwort in der 1. Person singular auf eine Feststellung von Meridian, ebenfalls 1. Person singular.
    Auf die allgemeine Formulierung "könnte man" darf man doch nicht mit "ich nicht" antworten.



    Och... warum nicht?! ;)

    Zitat

    Insofern fand ich mein Posting in seiner Aussage eindeutig zuordnungsbar.:strecker



    Danke, dass Du nicht "zuordenbar" geschrieben hast. :D

    Unter 3.a) - Seite 7- des BGH-Beschlusses vom 15.10.09 V ZB 43/09 sagt der BGH in einem Atemzug "Dass für die laufenden öffentlichen Lasten und das laufende Hausgeld in § 156 Abs. 1 ZVG eine eigenständige Regelung getroffen ist, schließt nicht aus, diese Forderungen als Kosten der Verwaltung im Sinne von 155 Abs. 1 ZVG zu behandeln."
    Das ist doch klar und eindeutig, deshalb verlangen wir auch wieder Vorschüsse für die öffentl. Lasten.



    Inzwischen habe ich das auch gefunden. Man könnte grundsätzlich "diese Forderungen" auf "das laufende Hausgeld" beziehen; leider spricht die Verwendung des Plural bei "Forderungen" dagegen. :daumenrun

  • Zitat

    Wer ist denn nun - nach den Buchstaben des Gesetzes - zur Zahlung der Grundsteuer verpflichtet??



    § 10 Grundsteuergesetz:
    Steuerschuldner
    (1) Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist.

    § 11 Persönliche Haftung
    (1) Neben dem Steuerschuldner haften der Nießbraucher des Steuergegenstandes und derjenige, dem ein dem Nießbrauch ähnliches Recht zusteht.




    Zur Zahlung der Grundsteuer ist immer nur der Eigentümer, Nießbraucher oder der Inhaber ähnlicher Rechte verpflichtet.

    Der Zwangsverwalter kann wegen der Grundsteuer nicht in Anspruch genommen werden. Der Zwangsverwalter muss allerdings auf die laufenden öffentlichen Lasten zahlen (§ 156 ZVG), sofern die Vollstreckungsmaßnahme erfolgreich läuft und Überschüsse erwirtschaftet werden. Verteilt der Zwangsverwalter die Überschüsse falsch, macht er sich wegen "Falschverteilung" schadensersatzpflichtig und kann von der Gemeinde deswegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

    Eine Falschverteilung kommt nicht in Betracht, wenn der Verwalter gar nichts hat, was er verteilen kann.

    Der betreibende Grundpfandgläubiger muss keine Vorschusszahlungen leisten, damit der Zwangsverwalter die Grundsteuer (oder auch Hausgelder) bezahlen kann.
    Eine derartige Zwangsablösung fremder Forderungen hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.




  • Zitat

    "Dass für die laufenden öffentlichen Lasten und das laufende Hausgeld in § 156 Abs. 1 ZVG eine eigenständige Regelung getroffen ist, schließt nicht aus, diese Forderungen als Kosten der Verwaltung im Sinne von 155 Abs. 1 ZVG zu behandeln."



    Der BGH hat doch gar nicht gesagt, dass Hausgelder und Grundsteuern als Ausgabe der Verwaltung anzusehen sind. Der BGH hat nur festgestellt, dass dies nicht ausgeschlossen ist.

  • Zitat

    Warum soll überhaupt eine masselose Zwangsverwaltung laufen, in der der Zwangsverwalter seinen Verpflichtungen, nämlich die öffentlichen Lasten zu zahlen, nicht nachkommen kann?



    Ganz einfach! Weil der betreibende Gläubiger ein Interesse daran haben könnte, dass der Zwangsverwalter alles unternimmt, um genau diesen Zustand zu ändern.

    Beispiel:

    Will die WE-G vom ansonsten vermögenslosen Eigentümer einer nicht vermieteten Einheit Geld bekommen, bleibt der WE-G nur die Immobiliarvollstreckung.

    Die Zwangsversteigerung bietet sich wegen der bereits aufgelaufenen Rückstände an; die Zwangsverwaltung bietet sich an, damit die WE-G Befriedigung wegen der laufend fällig werdenden Hausgelder erlangen kann.

    Gelingt es dem Zwangsverwalter, die Einheit zu vermieten und werden Überschüsse erwirtschaftet, profitieren davon zunächst - wegen der Regelung in § 156 Abs. 1 ZVG sozusagen gleichrangig - die WE-G und die Gemeinde.

    Die WE-G bekommt die laufenden Hausgelder; die Gemeinde die laufend fällig werdenden Grundsteuerraten.
    Der Rest wird nach TP verteilt.

    Gelingt es dem Zwangsverwalter nicht (oder nicht sofort), die Einheit zu vermieten, bekommt die WE-G (zunächst) nichts und muss außerdem die Verfahrenskosten (Gerichtskosten + schweinsmäßig hohe Zeitaufwandsvergütung des Zwangsverwalters) tragen (vorschießen).

    Warum die WE-G daneben dann auch noch durch die Verpflichtung zur Leistung von "Grundsteuervorschüssen" bestraft werden sollte, erschließt sich mir unter Berücksichtigung der Gesetzeslage und auch logischer Gesichtspunkte nicht.

    Schließlich hatte die Gemeinde nicht den Arsch in der Hose, die Zwangsverwaltung zu beantragen.
    Trotzdem soll die Gemeinde jetzt Kohle bekommen?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!