Erhöhung unpfändbarer Betrag wegen Fahrtkosten

  • Die Fahrtkosten sind normale Bedürfnisse des Werktätigen. Wir haben keinen Manager, der den Lear-jet für 20 TEUR im Monat beanspruchen muss, um 60 TEUR netto reinzuholen. Die Fahrtkosten des Werktätigen - und die Pfändungstabelle geht vom Werktätigen aus - beeinhaltet die Fahrtkosten, daher lande ich regelm. bei der sozialhilfererechtlichen Mindestbedarfsberechnung mit Erwerbstätigenzuschlag. Die alleinerziehende Mutter, die zur Arbeit fahren muss, hat bei dieser Berechnung auch mit ihrem Leben klarzukommen, ohne eine ergänzende Sozialhilfe. Nur weil jemand Schulden hat, vermag er wohl kaum deshalb besserzustellen sein :D

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Die Erhöhung des unpfändbaren Betrages wegen besonderer Bedürfnisse aus persönlichen oder beruflichen Gründen haben nichts mit der sozialhilferechtlichen Mindestbedarfsberechnung des Buchstaben a zu tun. Das ergibt sich eindeutig aus dem letzten Wort "oder" in Buchstabe b. Das heißt, dass die Alt. a, b oder c unabhängig von einander zu betrachten sind.

  • und imho bleibt es dabei: bei § 850f handelt es sich um eine "Härtefall-regelung".
    D.b. für mich als - unmaßgeblichen - Rechtsanwender: es muss ein Härtefall vorliegen.
    Natürlich ließen sich nun die Grundlagen der Grundfreibeträge nach § 850c hinterfragen: was ist darin alles eskompiert.... und sobald da was nicht so richtig passt (hygieneartikelmäßige mehrausgaben, weil nicht umfasst von 0,59 EUR im Monat.... neh ! erstens überschaubares Verfahren und nur im Härtefall abzuweichen !
    Der Härtefall hat sich m.E. daran zu orientieren, ob der Werktätige unter Berücksichtigung des Werktätigenfreibetrages nach SGB zu einem Aufstocker würde. Das wäre der Härtefall.

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  • und imho bleibt es dabei: bei § 850f handelt es sich um eine "Härtefall-regelung".
    D.b. für mich als - unmaßgeblichen - Rechtsanwender: es muss ein Härtefall vorliegen.
    Natürlich ließen sich nun die Grundlagen der Grundfreibeträge nach § 850c hinterfragen: was ist darin alles eskompiert.... und sobald da was nicht so richtig passt (hygieneartikelmäßige mehrausgaben, weil nicht umfasst von 0,59 EUR im Monat.... neh ! erstens überschaubares Verfahren und nur im Härtefall abzuweichen !
    Der Härtefall hat sich m.E. daran zu orientieren, ob der Werktätige unter Berücksichtigung des Werktätigenfreibetrages nach SGB zu einem Aufstocker würde. Das wäre der Härtefall.

    Wären dann die Buchstaben b und c des § 850f Abs. 1 ZPO nicht überflüssig, wenn es nur auf SGB Niveau ankommen würde?

  • es geht um die "besonderen" Bedürnisse.
    10 unterhaltsberechtigte Kinder sind nicht mehr geregelt, hier liegt ein besonderes Bedürfnis vor (das wäre allerdings auch ein Fall der Nr. 1) . Anders aber ein besonderer Unterhaltsaufwand rücksichtlich der Ausbildung eines unterhaltsberechtigten Kindes (da ist das SGB nicht mehr maßgeblich).
    Nicht jede berufsbedingte Ausgabe des Schuldners ist bereits ein "besonderes Bedürfnis".
    Die Berechnung nach dem sozialhilferechltichen Mindestbedarf ist eine individuelle Berechnung die regionalen Unterschieden und den speziellen Bedürfnissen des Emfpängers unterliegt.
    Die Pfandfreibeträge nach der ZPO wollen ein von konkreter Berechnung unabhängiges Existenzminimus des Werktätigen sichern. Dies ist - weil auf die Berücksichtigung spezieller Bedürfnisses verzichtend - die "grobe Elle".
    Orientierungspunkt bei der Festlegung der Beträge des § 850c ZPO mit der Anpassungsregelung war für den Gesetzgeber jedoch das Sozialhilferecht.
    Ein besonderes Bedürfnis nach § 850f As. 1 b 2. Alt. ist nicht sogleich gegeben, wenn von a nach b gefahren werden muss. Hier wäre zu prüfen, ob dies so besonders wäre, als dies nicht mehr durch die sozialhilferechtliche Berechnung und entsprechende Erhöhung aufgefangen werden könnte. Was aber eben nicht mehr nach § 850f Abs. 1 a ginge, wäre z.B. einem Zahnarzt die Materialkosten - soweit sie durch Leistungen der KV ausgeglichen werden, pfandfrei zu stellen Sowas ist die Einflugschneise des Abs. 1 b 2. Alt. !

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  • Warum hat der Gesetzgeber denn bei der Festsetzung der unpfändbaren Beträge die Sozialhilfesätze prozentual erhöht? Natürlich weil der arbeitende Schuldner eben besser gestellt werden soll als ein Sozialhilfeempfänger. Und das sollte er wohl auch, wenn er besonders hohe Aufwendungen zu bestreiten hat. Der Arbeitnehmer, der es zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und ggfs. auch zur Befriedigung seiner Gläubiger besonders hohe Ausgaben auf sich nimmt sollte doch auch etwas mehr haben als ein Sozialhilfeempfänger.

    Nur wenn b und c nicht greifen und der Schuldner sich schlechter stehen sollte als ein Sozialhilfeempfänger, dafür ist dann Alt. a vorgesehen. Schon daher wäre es sinnvoller gewesen, die Alt. in eine andere Reihenfolge zu bringen und den Teil mit der Sozialhilfe als letztes aufzuführen.

    Aber da wir uns hier im Kreis drehen, beende ich meinerseits die Diskussion darüber.

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    Warum hat der Gesetzgeber denn bei der Festsetzung der unpfändbaren Beträge die Sozialhilfesätze prozentual erhöht? Natürlich weil der arbeitende Schuldner eben besser gestellt werden soll als ein Sozialhilfeempfänger. Und das sollte er wohl auch, wenn er besonders hohe Aufwendungen zu bestreiten hat. Der Arbeitnehmer, der es zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und ggfs. auch zur Befriedigung seiner Gläubiger besonders hohe Ausgaben auf sich nimmt sollte doch auch etwas mehr haben als ein Sozialhilfeempfänger.

    Nur wenn b und c nicht greifen und der Schuldner sich schlechter stehen sollte als ein Sozialhilfeempfänger, dafür ist dann Alt. a vorgesehen. Schon daher wäre es sinnvoller gewesen, die Alt. in eine andere Reihenfolge zu bringen und den Teil mit der Sozialhilfe als letztes aufzuführen.

    Aber da wir uns hier im Kreis drehen, beende ich meinerseits die Diskussion darüber.[/QUOTE]

    Die Beendigung der Diskussion Deinerseits ist selbstverständlich zu respektieren, zumal Deine Begründung dazu treffend ist.
    Eine Abschlussbemerkung sei mir jedoch erlaubt:
    zum letzten Einwand sei gesagt, dass ich natürlich bei "Sozialhilfesätzen" als Ausgangsbasis immer die "Werktätigenzuschläge" nach SGB hinzurechne (und in der EinzelZV hab ich Zuschläge gemacht, obowhl sie nicht im SGB vorgesehen waren). Aber all dies ist "Flickwerk".
    Dein Argument bzgl. des systematischen Aufbaus der Norm her ist völlig richtig !.
    Welche Folgerungen jedoch aus diesem Argument zu ziehen sind, das ist die Frage. Eine wirklich fundierte Antwort darauf habe ich nicht.
    Was mal spannend wäre, die Meinung der Einzel-ZV zum thema anzuzapfen.

    auf weitere spannende Diskussionen hoffend
    greez Def

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
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    legalize erdbeereis
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  • Ich sehe das wie Coverna. Zum einen deutet doch schon die Einführung der Tabelle in § 850c ZPO darauf hin, dass der Gesetzgeber eben nicht nur den sozialhilferechtlichen Bedarf berücksichtigen wollte. Im Übrigen werden ja auch beim sozialhilferechtlichen Bedarf Fahrtkosten zur Arbeit berücksichtigt ( z.B. § 82 SGB XII und die DV dazu).
    Ich meine auch, dass es bei b um besondere Belastungen geht. Und das können eben alle möglichen "besonderen" Kosten sein, sei es privater oder sei es beruflicher Natur. Es sollen eben jedoch nur besondere Belastungen berücksichtigt werden, insofern finde ich es auch richtig, nicht jeden Fahrtkilometer zu berücksichtigen, sondern einen bestimmten Arbeitsweg als gegeben und in die Tabelle eingearbeitet anzusehen. Wie hoch dieser wiederum ist, da mag man sich streiten. Wichtig finde ich da wiederum, dass das an den Gerichten unter den Sachbearbeitern abgesprochen wird, nicht das an einzelnen Gerichten auch noch unterschiedlich gehandhabt wird.
    Und die Berücksichtigung sollte noch praktikabel sein. das ist es doch nicht, wenn man die Benzinkosten berücksichtigt. Die wechseln jede Stunde und da sind teilweise Sprünge von 20 Cent drin. Insofern halte ich es für richtig, die 0,30 oder die 5,20 € zu nehmen, weil die sich an die steuerlichen bzw. sozialhilferechtlichen Sätze orientieren.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Sofern es um die Erhöhung des unpfändbaren Betrages nach § 850f Abs. 1 a ZPO geht, hat der BGH in einer Pfändungssache wegen Unterhalts entschieden, dass die Vorschriften des § 76 Abs. 2a BSHG (heute § 82 SGB XII) zu beachten sind (Beschluss vom 12.12.2003 - IXa ZB 225/03 -).

    Wenn diese Vorschrift für die Fahrtkosten nach Alt. a zu beachten sind, wäre es wenig einleuchtend, wenn man für die Berücksichtigung der Fahrtkosten nach Alt. b eine andere Berechnungsweise anwenden würde.

    Was dann noch bliebe wäre der Abzug des Betrages, der außerhalb der besonderen Bedürfnisse liegt.

    Hier gibt es meiner Meinung nach zwei Möglichkeiten:

    1. In dem unpfändbaren Grundbetrag von 930,00 € ab 01.01.2002 war ein Anteil für die Fahrtkosten von 51,13 € (100,00 DM lt. Bt. Ds.) berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Erhöhungen liegt dieser Betrag heute immer noch geringfügig unter 60,00 €. Man könnte also argumentieren, dass von den über SGB ermittelten Fahrtkosten eine Betrag von 60,00 € abzuziehen ist, weil der in der Tabelle bereits berücksichtigt wurde.

    2. In der Rechtsprechung der Landgerichte wird immer davon ausgegangen, dass eine Fahrtstrecke von 20 - 30 Km keine Erhöhung des unpfändbaren Betrages rechtfertigen könne. Wie jetzt, 20 oder 30 Km oder 25 oder 22 oder 27 oder wie viel. Für den Fall, dass der Schuldner mehr als 30 Km fahren muss, ist das dann schon ein Unterschied, weil gerade die Differenz von 10 Km einen Betrag von 52,00 € ausmacht, was für einen Schuldner, der nur über die unpfändbaren Beträge verfügt, schon eine Menge Geld ist.

    Bei 1. würde sich der Schuldner aber immer noch schlechter stehen als ein Schuldner, der keine Fahrtkosten aufzuwenden hat. Allerdings würde sich der Schuldner besser stehen, als der Schuldner, der nur 20 - 30 Km fahren muss und keine Erhöhung der unpfändbaren Beträge erhält.

    Viele Schuldner haben heute Ausgaben zu bestreiten, die andere Schuldner nicht haben. Kleinere Ausgaben sind sicherlich aus den unpfändbaren Einkommensteilen zu bestreiten und führen zu keine Erhöhung dieser Beträge. Aber was ist, wenn es größere Ausgaben sind, die eine Erhöhung durchaus rechtfertigen? Werden diese Beträge dann voll berücksichtigt oder nur insofern berücksichtigt, soweit sie einen gewissen Betrag übersteigen. Wie wird dieser Betrag dann festgesetzt?

    Irgendwie kann man es wohl garnicht ganz richtig machen und muss so nach einer begründbaren Lösung finden. Und die sehe ich bei den Fahrtkosten wie ich sie unter 1. dargestellt habe.

    Natürlich kann man auch anders argumentieren.


  • (...)
    Irgendwie kann man es wohl gar nicht ganz richtig machen und muss so nach einer begründbaren Lösung finden.
    (...)

    So mache ich das auch, nämlich im ganz konkreten SV eine angemessene und begründbare Lösung finden.

    Ich vermenge dabei auch gern mal f1a und f1b in der begründenden Berechnung ergebnisorientiert zusammen.

  • Die Erhöhung des Freibetrages wegen berufsbedingten Fahrtkosten ist für mich eine Entscheidung nach § 850f Abs. 1 b). Ich berücksichtige also nur den Mehrbedarf. Mehrbedarf ist für mich alles ab 30 km. Das dürfte überwiegende Rechtsprechung sein. Schwieriger wird es mit der weiteren Berechnung. In meinem Fall s.o. habe ich mich entschieden mit einer Pauschale zu rechnen.
    Dennoch habe ich den Schuldner zum Verbrauch und zu seinen aktuellen Spritpreisen befragt. Jeder Fall nach § 850f ist ein Einzelfall. Entsprechend dürfte eine konkrete Sachverhaltsschilderung/Nachfrage des Gerichts immer notwendig sein.
    In meinem Fall konnte ich also die tatsächlichen Spritkosten ausrechnen. Die Entfernungskilometerpauschale i.H.v. 0,20 € kam dem am nächsten (trotz eines kräftigen Aufschlags meinerseits bei den Benzinkosten aufgrund der aktuellen niedrigen Benzinpreise). Bei meinen obigen Berechnungen habe ich 0,20 € bzw. 0,30 € pro Kilometer und nicht pro Entfernungskilometer gerechnet, da ich dies auch in der Rechtsprechung so gefunden habe. Dann kommen aber extremen Preisunterschiede zu den tatsächlichen Kosten raus. Wichtig ist also die Berechnung pro Entfernungskilometer durchzuführen. Ob man sich dann für 0,20 € oder 0,30 € entscheidet, ist dann eine Frage ob die weiteren Kosten für Instandhaltung etc. zu berücksichtigen sind. M.E.: nein.
    Arbeitstage haben ich mit 20 Tagen berücksichtigt, da der Urlaub einfließen dürfte.
    Den Beschluss habe ich befristet.

    Wichtig wäre vielleicht noch, dass die erhöhten berufsbedingten Fahrtkosten als Freibetrag in die Lohnsteuerkarte eingetragen werden, da die Einkommensteuererstattungsansprüche, welche ab Aufhebung entstehen, nicht mehr zur Masse gehören. Durch die Eintragung in die Lohnsteuerkarte würde sich die Nettovergütung erhöhen.

    L.G.

    Einmal editiert, zuletzt von Manja (2. März 2016 um 17:43)

  • Ich greife das Thema mal wieder auf, da ich mich nach langer Zeit mal wieder mit einem Antrag auf Erhöhung des unpfändbaren Einkommens wegen Fahrtkosten befassen darf. Nun zum Besonderen des Falles: Die Schuldnerin befindet sich bereits seit 2011 in Insolvenz. Das RSB-Verfahren endet im September diesen Jahres. Die Schuldnerin hat weder Wohnsitz noch den Arbeitgeber seit Beginn des Verfahrens gewechselt (sie ist ca. ein halbes Jahr vor EÖ in den aktuellen Wohnort gezogen). Seit 2015 ist die Schuldnerin anwaltlich vertreten. Nun wird im März diesen Jahres beantragt, den Pfändungsfreibetrag um rund 400 € monatlich zu erhöhen. Öffentliche Verkehrsmittel scheiden nachweislich aus. Die Schuldnerin verdient gut, es gehen verhältnismäßig hohe pfändbare Beträge ein. Die Treuhänderin wendet ein, dass nur maßgeblich sei, was über 40 km einfacher Strecke läge. Im Übrigen habe die Schuldnerin ihren Wohnsitz auch näher an ihre Beschäftigungsstelle verlegen können. Die Schuldnerin ist verheiratet, der Ehemann arbeitet in ähnlicher Richtung wie sie, das stünde dem Argument der TH schon mal nicht im Weg. Das volljährige Kind der Schuldnerin ist aufgrund Behinderung in einer Einrichtung untergebracht. Wie seht ihr das - zieht das Argument der Treuhänderin? Der Anwalt wehrt sich mit Art. 11 GG.... Mir widerstrebt es auch diese Erhöhung zu bewilligen, weil sie eben jetzt erst kommt. Ich fürchte nur, dass da rein rechtlich kein Weg dran vorbeiführt. Wie ist die aktuelle Rechtsprechung bzgl. Fahrtkosten? Gibt es da was Obergerichtliches, das mir entgangen ist?

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Ich würde dieses Argument "sie hätte auch umziehen können" keiner meiner Entscheidungen zugrunde legen. Das geht dann schon über das Normale hinaus. Und 11 GG hört sich da als Argument dagegen nicht schlecht an.

    Wenn sie jetzt erst kommt, ist doch gut. Sieh es doch mal so. So ist viel mehr der Masse zugeflossen. Vielleicht verdient ihr Mann nicht mehr so viel oder es musste irgendetwas angeschafft werden. Gründe gibt es vielfältige.

    Die letzte Entscheidung, die ich kenne, ist vom LG Mühlhausen vom 03.06.2016, 1 T 37/16. Da sind 20 km als zumutbar angenommen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Ich greife das Thema mal wieder auf, da ich mich nach langer Zeit mal wieder mit einem Antrag auf Erhöhung des unpfändbaren Einkommens wegen Fahrtkosten befassen darf. Nun zum Besonderen des Falles: Die Schuldnerin befindet sich bereits seit 2011 in Insolvenz. Das RSB-Verfahren endet im September diesen Jahres. Die Schuldnerin hat weder Wohnsitz noch den Arbeitgeber seit Beginn des Verfahrens gewechselt (sie ist ca. ein halbes Jahr vor EÖ in den aktuellen Wohnort gezogen). Seit 2015 ist die Schuldnerin anwaltlich vertreten. Nun wird im März diesen Jahres beantragt, den Pfändungsfreibetrag um rund 400 € monatlich zu erhöhen. Öffentliche Verkehrsmittel scheiden nachweislich aus. Die Schuldnerin verdient gut, es gehen verhältnismäßig hohe pfändbare Beträge ein. Die Treuhänderin wendet ein, dass nur maßgeblich sei, was über 40 km einfacher Strecke läge. Im Übrigen habe die Schuldnerin ihren Wohnsitz auch näher an ihre Beschäftigungsstelle verlegen können. Die Schuldnerin ist verheiratet, der Ehemann arbeitet in ähnlicher Richtung wie sie, das stünde dem Argument der TH schon mal nicht im Weg. Das volljährige Kind der Schuldnerin ist aufgrund Behinderung in einer Einrichtung untergebracht. Wie seht ihr das - zieht das Argument der Treuhänderin? Der Anwalt wehrt sich mit Art. 11 GG.... Mir widerstrebt es auch diese Erhöhung zu bewilligen, weil sie eben jetzt erst kommt. Ich fürchte nur, dass da rein rechtlich kein Weg dran vorbeiführt. Wie ist die aktuelle Rechtsprechung bzgl. Fahrtkosten? Gibt es da was Obergerichtliches, das mir entgangen ist?

    Kennst du die Entscheidungen des LG Halle und BGH hierzu? Danach liegen 40 km im Rahmen des Üblichen und es wäre hier nur noch die darüber hinausgehende Entfernung zu berücksichtigen, so wie deine TH das vorbringt.

    In deinem Fall würde ich wahrscheinlich auch zurückweisen. Eine Erhöhung war seit 5,5 Jahren nicht erforderlich, die Schuldnerin hat ihren Lebensunterhalt scheinbar bisher problemlos bestritten. Warum soll eine Erhöhung nun so nötig sein? Sie hat alles Notwendige aufzubringen, um ihre Gläubiger zu befriedigen und eben auch gewissen Einschränkungen hinzunehmen. Sie hat den Insolvenzantrag selbst gestellt. Dann muss sie eben auch mit solchen Einschränkungen rechnen.

    Mit: "hätte sich eine Wohnung in der Nähe der Arbeitsstelle suchen können", würde ich allerdings tatsächlich nicht argumentieren. Das kann einem nun mal keiner vorschreiben. Aber dass sie sich ihre Wohnung in vollem Bewusstsein der Entfernung zur Arbeitsstelle gesucht hat, sich mithin auch darüber im Klaren war, dass erhöhte Fahrtkosten entstehen werden, ist schon ein Argument. Dann muss sie auch mit den Konsequenzen leben.

  • Die Entscheidung des LG Halle sehen aber 20 km einfache Strecke als noch übliche Fahrtkosten an. Warum nun eine jetzige Antragstellung oder gar die Insolvenzantragstellung zum Verlust der normalen Rechte führen sollte, ist mir schleierhaft. Aber das muss natürlich jeder selbst für sich entscheiden. Wenn der Betroffene berufsbedingte Kosten hat, die den Rahmen des Üblichen übersteigen, hat er doch gemäß § 850f ZPO einen Anspruch. Da kommt es doch nicht darauf an, ob er erst jetzt den Antrag stellt. natürlich könnte als Argument ein Umzug näher an den Arbeitgeber angebracht werden. Allerdings wären dann natürlich die Kosten des Umzugs ebenfalls nicht übliche berufsbedingte Kosten, die sie gemäß § 850f ZPO geltend machen könnte. Und diese dürften die Beträge für das halbe Jahr übersteigen.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Entschuldigung, aber hier mit Art. 11 GG zu kommen, ist nicht nur wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, sondern geht an der Sache m.E. vorbei. Es wird kein staatlicher Zwang auf die Schuldnerin ausgeübt, damit sie ihren gegenwärtigen Wohnort nicht (!) verlässt. Vielmehr geht es um eine Abwägung zivilrechtlicher Belange, ob der Schuldnerin ein bestimmter Mehraufwand verbleibt oder auf ihre Gläubiger abgewälzt werden soll.

    Ich erinnrere mich an eine Vorlesung während des Studiums. Damals sagte der Dozent sinngemäß: Wenn in zivilrevchtlichen Streitigkeiten Grundrechte bemüht werden, dann zeigt derjenige vor allem, dass es keine tauglichen Sachargumente des bürgerlichen Rechts gibt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Die Entscheidung des LG Halle sehen aber 20 km einfache Strecke als noch übliche Fahrtkosten an. Warum nun eine jetzige Antragstellung oder gar die Insolvenzantragstellung zum Verlust der normalen Rechte führen sollte, ist mir schleierhaft. Aber das muss natürlich jeder selbst für sich entscheiden. Wenn der Betroffene berufsbedingte Kosten hat, die den Rahmen des Üblichen übersteigen, hat er doch gemäß § 850f ZPO einen Anspruch. Da kommt es doch nicht darauf an, ob er erst jetzt den Antrag stellt. natürlich könnte als Argument ein Umzug näher an den Arbeitgeber angebracht werden. Allerdings wären dann natürlich die Kosten des Umzugs ebenfalls nicht übliche berufsbedingte Kosten, die sie gemäß § 850f ZPO geltend machen könnte. Und diese dürften die Beträge für das halbe Jahr übersteigen.

    Es geht gar nicht darum, dass sie jetzt nicht das Recht hat, den Antrag zu stellen, sondern dass die Begründung einfach ausgefeilter sein muss. Nach der langen Zeit sind es doch keine "besonderen Bedürfnisse" im Sinne der Norm mehr. Dann müsste sie schon vortragen, was die Situation jetzt so besonders macht. Der Arbeitsweg hat ihr über Jahre nichts ausgemacht. Warum also jetzt?

    btw: LG Halle meint 20-30 km.

  • Entschuldigung, aber hier mit Art. 11 GG zu kommen, ist nicht nur wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, sondern geht an der Sache m.E. vorbei. Es wird kein staatlicher Zwang auf die Schuldnerin ausgeübt, damit sie ihren gegenwärtigen Wohnort nicht (!) verlässt. Vielmehr geht es um eine Abwägung zivilrechtlicher Belange, ob der Schuldnerin ein bestimmter Mehraufwand verbleibt oder auf ihre Gläubiger abgewälzt werden soll.

    Ich erinnrere mich an eine Vorlesung während des Studiums. Damals sagte der Dozent sinngemäß: Wenn in zivilrevchtlichen Streitigkeiten Grundrechte bemüht werden, dann zeigt derjenige vor allem, dass es keine tauglichen Sachargumente des bürgerlichen Rechts gibt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Genau, dafür gibt es ja schließlich § 242 BGB..:teufel:

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die Entscheidung des LG Halle sehen aber 20 km einfache Strecke als noch übliche Fahrtkosten an. Warum nun eine jetzige Antragstellung oder gar die Insolvenzantragstellung zum Verlust der normalen Rechte führen sollte, ist mir schleierhaft. Aber das muss natürlich jeder selbst für sich entscheiden. Wenn der Betroffene berufsbedingte Kosten hat, die den Rahmen des Üblichen übersteigen, hat er doch gemäß § 850f ZPO einen Anspruch. Da kommt es doch nicht darauf an, ob er erst jetzt den Antrag stellt. natürlich könnte als Argument ein Umzug näher an den Arbeitgeber angebracht werden. Allerdings wären dann natürlich die Kosten des Umzugs ebenfalls nicht übliche berufsbedingte Kosten, die sie gemäß § 850f ZPO geltend machen könnte. Und diese dürften die Beträge für das halbe Jahr übersteigen.

    Es geht gar nicht darum, dass sie jetzt nicht das Recht hat, den Antrag zu stellen, sondern dass die Begründung einfach ausgefeilter sein muss. Nach der langen Zeit sind es doch keine "besonderen Bedürfnisse" im Sinne der Norm mehr. Dann müsste sie schon vortragen, was die Situation jetzt so besonders macht. Der Arbeitsweg hat ihr über Jahre nichts ausgemacht. Warum also jetzt?

    btw: LG Halle meint 20-30 km.

    Sehe ich nicht so. Dein Argument geht ja fast schon in Richtung Verwirkung des Antragsrechts. Aus meiner Sicht kann sie schon auch nach Jahren einen solchen Antrag stellen, ohne gesondert darlegen zu müssen, warum sie das nicht schon früher gemacht hat. Der Antrag ist ja nicht fristgebunden. Er wirkt eben schlichtweg nur ex nunc. Natürlich muss sie darlegen, dass berücksichtigungsfähige Umstände vorliegen. Aber sie muss nicht darlegen, dass die erst jetzt vorliegen bzw. warum sie trotz vorliegens erst jetzt den Antrag stellt.

  • Die Entscheidung des LG Halle sehen aber 20 km einfache Strecke als noch übliche Fahrtkosten an. Warum nun eine jetzige Antragstellung oder gar die Insolvenzantragstellung zum Verlust der normalen Rechte führen sollte, ist mir schleierhaft. Aber das muss natürlich jeder selbst für sich entscheiden. Wenn der Betroffene berufsbedingte Kosten hat, die den Rahmen des Üblichen übersteigen, hat er doch gemäß § 850f ZPO einen Anspruch. Da kommt es doch nicht darauf an, ob er erst jetzt den Antrag stellt. natürlich könnte als Argument ein Umzug näher an den Arbeitgeber angebracht werden. Allerdings wären dann natürlich die Kosten des Umzugs ebenfalls nicht übliche berufsbedingte Kosten, die sie gemäß § 850f ZPO geltend machen könnte. Und diese dürften die Beträge für das halbe Jahr übersteigen.

    Es geht gar nicht darum, dass sie jetzt nicht das Recht hat, den Antrag zu stellen, sondern dass die Begründung einfach ausgefeilter sein muss. Nach der langen Zeit sind es doch keine "besonderen Bedürfnisse" im Sinne der Norm mehr. Dann müsste sie schon vortragen, was die Situation jetzt so besonders macht. Der Arbeitsweg hat ihr über Jahre nichts ausgemacht. Warum also jetzt?

    btw: LG Halle meint 20-30 km.

    Sehe ich nicht so. Dein Argument geht ja fast schon in Richtung Verwirkung des Antragsrechts. Aus meiner Sicht kann sie schon auch nach Jahren einen solchen Antrag stellen, ohne gesondert darlegen zu müssen, warum sie das nicht schon früher gemacht hat. Der Antrag ist ja nicht fristgebunden. Er wirkt eben schlichtweg nur ex nunc. Natürlich muss sie darlegen, dass berücksichtigungsfähige Umstände vorliegen. Aber sie muss nicht darlegen, dass die erst jetzt vorliegen bzw. warum sie trotz vorliegens erst jetzt den Antrag stellt.

    das sehe ich auch so wie Reifenpanne. Spielt doch gar keine Rolle, ob sie vorher mit weniger ausgekommen ist als ihr möglicherweise zusteht. Nur kann sie es natürlich nicht rückwirkend beantragen.

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